Master in Pizzabote
Könnt Ihr Euch noch an meinen Artikel über die promovierte unfreiwillige Erdbeerpflückerin erinnern?
Machen wir da mal weiter.
Zunächst ist es mir ein tiefes inneres Bedürfnis, einen völlig flachen, schlechten und vor allem uuuuralten dummen Witz aufzuwärmen:
Was sagt ein arbeitsloser Geisteswissenschaftler zu einem, der Arbeit hat? „Die Pommes mit Mayo, bitte.”
Das sozialistische Verkündungsblatt DER SPIEGEL hat doch so einen Jugendableger namens Bento. Dort jammert nun einer, der kurz vor dem Abschluss in Politologie steht, darüber, dass er keinen Job findet: Masterabsolvent in der Krise: “Ich habe nicht sechseinhalb Jahre studiert, um mich jetzt als Pizzalieferant zu bewerben”
Der glaubt (wie so viele), er können einfach irgendeinen nutzlosen Scheiß studieren, und die Gesellschaft habe ihm dann Lohn und Beschäftigung zu stellen. Und Corona soll dran schuld sein, nicht etwa, dass er selbst nicht in der Lage ist, sich zu ernähren und eine einem Lebensunterhalt wenigstens adäquate Leistung zu erbringen.
Sie hatten einen Plan für ihre Zukunft, dann kam Corona: Menschen zwischen 20 und 30 treffen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie härter als jede andere Altersgruppe, Jobs und Ausbildungsplätze brechen weg.
So ist es immer. Frauen, Muslime, Schwarze, Migranten, Einbeinige, alle. Immer trifft es sie viel härter als den Rest der Welt, sind sie immer die allerärmsten aller Hascherl.
In dieser Folge: Philipp Heilgenthal, 26, muss nur noch seine Masterarbeit abgeben, dann ist er fertig mit dem Politikstudium. Doch nach Jobs suchte er in den vergangenen Wochen vergeblich.
Ein Mensch, der von vornherein darauf studiert hat, von anderen ernährt zu werden.
“Corona hat mein Leben völlig auf den Kopf gestellt – ohne dass ich überhaupt direkten Kontakt mit der Krankheit hatte: In meinem Umfeld gibt es keine bestätigten Infektionsfälle. Ich finde es paradox, dass wir Jungen vom Virus an sich so wenig betroffen sind, indirekt aber mit am härtesten darunter leiden. […]
Gerade habe ich das Gefühl, es ist unmöglich, einen Arbeitsplatz zu finden. Die FH Würzburg-Schweinfurt hatte im März eine Stelle als Erasmus-Koordinator ausgeschrieben, das wäre mein Traumjob gewesen. Meine Freunde und meine Familie sagten, es gäbe dafür niemand Geeigneteren als mich. Ich habe während des Studiums ehrenamtlich das Erasmus-Referat meiner Uni als Vorstand geleitet, habe selbst zwei Auslandssemester gemacht und ein Praktikum in Brasilien absolviert. Aber ich wurde nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich kann mir das nur mir der derzeitigen Ausnahmesituation erklären.
Nee, das liegt nicht an Corona, das war schon vorher so, dass Politologen zu nichts zu gebrauchen sind.
Der Unterschied ist, dass das Geld jetzt knapper ist und man sich die Nutzlosen nicht mehr so leisten kann.
Außerdem ist es eine ziemlich blöde Idee, sechseinhalb Jahre zu studieren und dann nur eine ganz bestimmte Stelle als Perspektive zu haben. Erasmus-Koordinator. Studenten die Auslandsstudien organisieren. Und dafür extra studieren?
Zu Beginn der Krise bewarb ich mich auch noch für Vollzeitstellen in der Medien- und PR-Branche, aber oft bekam ich nicht mal eine Rückmeldung. Ich denke, die Unternehmen haben wirtschaftlich zu kämpfen und beobachten die Lage – da wird gerade niemand eingestellt. Hoffentlich ändert sich das im Sommer wieder. Irgendwie muss ich mein Leben finanzieren.
Ja, in der Branche ist gerade nicht so gutes Wetter. Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass die schon lange ein Überangebot an Bewerbern haben, und die Gehälter da so lächerlich wie die Arbeitsbedingungen seien.
Und wie man sein Leben finanziert, dass sollte man sich bei der Wahl des Studienfaches und nicht erst am Ende des Studiums überlegen.
Seit Februar bekomme ich kein Bafög mehr, weil ich die Regelstudienzeit überschritten habe. Wegen meines ehrenamtlichen Engagements im Erasmus-Referat hatte mir das Bafög-Amt eigentlich Hoffnungen gemacht, dass ich in diesem Semester nochmal einen Zuschuss erhalten würde. Doch ich bekam eine Absage, ohne weitere Begründung. Mir wurde lediglich angeboten, einen Studienabschlusskredit aufzunehmen. Das werde ich nicht tun. Ich werde nach dem Studium ohnehin Schulden haben, weil ich mein Bafög zurückzahlen muss – ich möchte nicht noch weitere Kredite aufnehmen.
Hätte er stattdessen ein Handwerk erlernt, hätte er blendende Berufsaussichten und fast freie Jobwahl. Und keine Studienschulden.
Alles ist gerade eine finanzielle Frage. Vor Corona hatte ich die Zusage, in meinem letzten Semester als Tutor an der Uni arbeiten zu können. Das hätte mir aktuell etwa 200 Euro im Monat gebracht. Ich hatte zu Beginn der Krise mehrmals nachgefragt, wie wir das im Sommersemester, begleitend zur Online-Vorlesung, handhaben würden. Eine Woche vor Vorlesungsbeginn bekam ich Bescheid, dass in diesem Semester keine Tutoren in meinem Fachbereich eingestellt werden. In meiner Situation ist das ein Hammer. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich mir einen anderen Nebenjob gesucht. Ich habe mir das Semester extra freigehalten.
Da zerbrechen Lebensplanungen, weil der Hauptjob mit 200 Euro im Monat wegbricht.
Da noch keine feste Stelle in Sicht ist, habe ich mich nun für Teilzeitjobs beworben. Doch auch das klappt nicht: Bei drei Supermärkten sagten sie mir, es hätten sich so viele Menschen als Regalauffüller beworben, dass sie völlig überfordert seien. Würzburg ist eine Studentenstadt – viele haben schon vor Wochen ihre Nebenjobs verloren und mussten sich etwas Neues suchen.
Regalauffüller.
Sorry, das wird nichts, die nehmen nur Promovierte.
Ich habe nicht sechseinhalb Jahre studiert, mir drei Fremdsprachen beigebracht, in der Bibliothek gesessen, gelernt und Hausarbeiten geschrieben, um mich jetzt als Pizzalieferant zu bewerben.
Plakativ gesagt, aber genau das Problem.
Wir wissen, was er nicht werden will.
Aber was er werden will und wofür er das alles studiert hat, das weiß er selbst nicht. Er studiert einfach irgendeinen Mist, und erwartet dann von der Gesellschaft, dass sie ihm Einkommen und Leben bietet. Andere sollen doppelt arbeiten, weil er nicht in der Lage ist, überhaupt irgendetwas nützliches zu arbeiten.
Und gleichzeitig heißt es, vor allem von links, wir hätten Fachkräftemangel, wir bräuchten ganz dringend Migranten. Sonst könnten wir den Fachkräftebedarf nicht decken.
Das ist übrigens der Grund, warum hier in Berlin die Geisteswissenschaftler keinen Job als Paket- oder Pizzaboten bekommen. Die Jobs sind fest in Migrantenhand. Die sind nicht nur billiger, sondern auch besser, schneller, zuverlässiger und freundlicher.
Auch meine ehrenamtliche Arbeit im Erasmus-Referat der Uni ruht gerade, wir können uns nicht mit den Studentinnen und Studenten treffen. Ich bin in Gedanken oft bei den Erasmus-Studierenden, die erst im März in Deutschland angekommen sind und nun keine Leute kennenlernen können. Sie waren in den ersten Wochen in einem fremden Land in Quarantäne – und wir konnten ihnen nicht helfen. Wir haben uns zwar ein Instagram-Spiel für sie überlegt, sie sollten in Bildern zeigen, wie sie die Quarantäne verbringen – aber das kann persönliche Treffen natürlich nicht ersetzen. Auch ihr Leben hat Corona auf den Kopf gestellt.”
Sechseinhalb Jahre studiert um Qurantänehelfer für Gaststudenten zu werden.
Geht’s eigentlich noch lächerlicher? Was für Witzfiguren bejammert bento da?
Epilog
Keine Perspektive mehr: “Spiegel” stampft “bento” ein
Nach fünf Jahren beerdigt der “Spiegel” die junge Marke “bento”. Die wirtschaftlichen Aussichten seien nicht mehr gut, heißt es. Die Corona-Krise beschleunigte die negative Entwicklung. 16 Redakteurinnen und Redakteure sind von dem Schritt betroffen.[…]
Seit fünf Jahren versucht der “Spiegel” mit “bento” im Netz die “Generation Hashtag” zu erreichen, wie es der frühere “Spiegel Online”-Chefredakteur Florian Harms einmal sagte. Doch nun, nur wenige Monate, nachdem man sich an einem Relaunch des jungen Angebots versucht hat, wird die Marke komplett verschwinden – im Herbst ist endgültig Schluss. Von der “bento”-Auflösung sind nach Angaben des Verlags 16 Redakteurinnen und Redakteure betroffen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen gemeinsam mit dem Betriebsrat jedoch möglichst vermieden werden, heißt es.
Das Aus erfolgt aus wirtschaftlichen Gründen. “Es ist großartig, wie schnell, mutig und professionell die jungen Redakteurinnen und Redakteure die Marke ‘bento’ aufgebaut und mit Leben gefüllt haben”, lobt Stefan Ottlitz, der beim “Spiegel” die Produktentwicklung leitet. “Umso schmerzhafter ist es zu sehen, dass trotz dieses großen Engagements und guter erster Jahre die wirtschaftlichen Aussichten für ‘bento’ nicht mehr gut sind.” So sei “bento”, verstärkt durch die Erlösverluste in der Corona-Krise, nachhaltig in die Verlustzone geraten.”
Schon wieder ist Corona dran schuld, obwohl das vorher schon sterbenskrank war.
Brüller:
Doch auch nach dem “bento”-Aus will der “Spiegel” weiterhin Menschen unter 30 ansprechen – dafür wird aktuell an einem neuen Angebot mit dem Arbeitstitel “Spiegel Start” gearbeitet, das mit fünf neuen Arbeitsplätzen beginnen und vorwiegend über Entscheidungshilfen beim Übergang vom Studium in den Job oder “Lebensweltliches” berichten soll.
Ja. Wie bewirbt man sich als Pizzabote.
“Die Zielgruppe der unter 30-Jährigen ist für den ‘Spiegel’ relevant – und der ‘Spiegel’ ist für diese Zielgruppe”, betonte “Spiegel”-Chefredakteurin Barbara Hans. “Die Zielgruppe wünscht sich vom ‘Spiegel’ Orientierung zu Fragen rund um Studium und Jobeinstieg. Ein darauf zugeschnittenes Angebot werden wir nun entwickeln – mit ‘Spiegel Start’.” Das neue Redaktionsteam soll künftig im Ressort Job & Leben verankert sein und sich eng mit den anderen Ressorts koordinieren. Geplant ist auch ein gedrucktes Supplement, das schon mit der “bento”-Redaktion entwickelt wurde. Es soll vierteljährlich dem “Spiegel” beiliegen, aber auch an Hochschulen verteilt werden.
Mehr solcher Artikel und die Suizidrate in den Geisteswissenschaften wird signifikant hochgehen.