Digitale Resonanzen
Auch ein Effekt, der irgendwann mal gefährlich werden könnte.
Ihr kennt doch sicherlich die Story, dass man Soldaten, Polizisten usw. beibringt, niemals im Gleichschritt über eine Brücke zu marschieren, weil sie in Resonanz schwingen könnte. Passiert, wenn das Marschieren eine Eigenfrequenz der Brücke (oder Oberwelle davon) trifft. Ich hatte mal einen Dienstwagen (nagelneu, was besseres, tadellos in Ordnung), der allerbestens gefahren ist. Aber immer dann, wenn ich damals von Dresden Richtung Leipzig (oder zurück) gefahren bin, ist mir auf manchen Autobahnstücken etwas unangnehmes passiert:
Weil ich gerne mit Geschwindigkeitsregler (Cruise control, Tempomat oder wie das jeweils heißt) gefahren bin, also die Geschwindigkeit auf die erlaubte Geschwindigkeit (weiß nicht mehr, 100, 120, 130) fest eingestellt und dann bequem und entspannt dahingeglitten. Das ist echt entspannend und sogar spritsparend, wenn man sich nicht auf das Tempo konzentrieren muss, bequemer sitzt, nicht in Blitzer fährt.
Immer dann, wenn die Autobahn dort aber nicht asphaltiert war, sondern mit verfugten Betonplatten verlegt war, schaukelte sich das ganze Auto auf. Auch wenn die Autobahn an sich neu und ordentlich verarbeitet war, genügten die Fugen, dass das ein leises und zunächst kaum merkliches badamm-badamm-badamm-… machte. Und dann schaukelte sich das jedesmal hoch, bis es einem richtig den Kopf rauf- und runterschüttelte. Nirgendo sonst. Auto neu, Stoßdämpfer einwandfrei in Ordnung. Aber es hat halt wie jedes analoge System eine Eigenfrequenz. Und wenn man genau die trifft, rappelts. Und weil der Geschwindigkeitsregler digital gesteuert war, konnte man da auch zehnmal drüber fahren, es war immer präzise genug gleich schnell, dass es sich jedesmal aufschaukelte. Ausweg: Entweder die Geschwindigkeit etwas runterstellen oder das ganze Ding abschalten und wieder mit dem Fuß steuern – fehlerhaft, ungleichmäßig, ungenau, aber genau deshalb nicht resonanzanfällig.
Es gibt viele solche Effekte, die hochgefährlich werden können.
Hubschrauber in Bodenresonanz: Wenn die (angeblich sind dreiblättrige) besonders gefährdet. Beim Landen kann ein Heli mit den Kufen (meines Wissens besonders, wenn mit einer Kufe) so auf den Boden stoßen, dass der davon wieder hochspringt, auf die andere Kufe wackelt und in eine Eigenresonanz kommt, bei der dann auch noch die Rotorblätter mitwackeln. Eigentlich sind es sogar die Rotorblätter, weil der Stoß beim Aufsetzen sich bis zu den Rotorblättern fortpflanzt, die beweglich aufgehängt sind und deshalb auch in Schwingungen kommen können.) Das ist eigentlich nicht mehr zu kontrollieren, der Heli nicht mehr zu retten. Den zerreißt es unweigerlich. Hat man noch genug Dampf auf dem Rotor, kann den Pitch (Hebel für die Steigstellung) hoch- und das Ding in die Luft reißen, in der Hoffnung, dass es beim Wackeln nicht mehr den Boden berühren und daran nicht zurückprallen kann, dann hört das auf. Oder man ist schon so runter, dass man sofort versucht, den Rotor runterzubremsen, um die Energie aus dem System zu nehmen. Aber oft zerreißt es dabei Helis. Sucht mal bei Google nach Helicopter Resonance. Gibt noch ein paar Klassiker. Ich habe aber eben auch ein ganz neues entdeckt, in dem es einer erklärt. Ein Fall hat es sogar in die Fernsehserie MacGyver geschafft, wo der Pilot die Schauspieler auf dem Dach absetzt, dann in Resonanz kommt, aber richtig reagiert, nämlich das Ding hochreißt, und die Filmleute habe das gar nicht gemerkt und die Szene dringelassen – obwohl der so hektisch und eilig hoch ist, dass er nicht mal die Tür zugemacht hat.
Die US-Armee hat mal zu Forschungszwecken einen ausgemusterten schrottreifen großen Heli (Chinook oder sowas) am Boden festgenagelt und ferngesteuert gezielt in die Resonanz gefahren. Von hinten. Von der Seite. Viel bleibt nicht übrig.
Noch ein Klassiker ist der Einsturz der Brücke von Tacoma Narrows 1940, die durch die Seitenwinde ins Schwingen kam und keine vier Monate gehalten hat. Von der Seite.
Wie ich jetzt darauf komme?
Eine Leserin hat mir den Link auf dieses Video gesandt:
Camera frame rate matches helicopter rotor.. 🚁
🎥 IG: reecedeavor pic.twitter.com/1cE3tcTvzP
— Buitengebieden (@buitengebieden_) June 19, 2020
Dass durch die Interferenz der Bildfrequenz der Kamera mit der Drehfrequenz Effekte entstehen, auf denen es aussieht, als würden sich Speichenräder oder Propeller plötzlich langsam oder rückwärts drehen, ist bekannt. Im Prinzip sind wir damit wieder tief in der Informatik und Digitalisierung, Diskrete Fouriertransformation und so, nämlich das Abtasttheorem von Nyquist-Shannon. Man kann nur Frequenzen bis zur halben Abtastfrequenz eindeutig erfassen. Ist die abgetastete Frequenz höher, kann man sie von der niedrigeren nicht unterscheiden, weil – führt jetzt zu weit – dieselben Messwerte auftreten. Deshalb verwendet man Tiefpassfilter, damit nur die niedrigen Frequenzen durchgelassen werden. Deshalb haben Digitalkameras auch einen Tiefpassfilter (so leicht unscharf) vor dem Sensor, damit keine Moire-Muster auftreten. Inzwischen lässt man sie weg, damit die Bilder schärfer werden, und nimmt die Gefahr in Kauf. Habt Ihr vielleicht schon mal gesehen, wenn einer in Kleidung mit feinen Streifen im Fernsehen zu sehen ist und auf einmal so komische große Muster auftreten, die sich bewegen. Im Prinzip dasselbe.
An diesem Video beachtlich ist aber nun, dass die Rotorblätter sich nicht (scheinbar) ganz, ganz langsam oder auch mal rückwärts drehen, sondern über längere Zeit exakt gar nicht. Das heißt, dass die Rotorgeschwindigkeit (genauer: Winkelgeschwindigkeit mal Zahl der Blätter, also die Frequenz, mit der es wieder gleich aussieht, weil ein Rotorblatt an die Stelle des nächsten gerückt ist, ein exaktes Vielfaches der Kamerafrequenz sein muss. Weil beide Computer- und damit quartzgesteuert sind. Da hat man halt eine runde Zahl eingestellt.
Übrigens sorgt man auch bei Verkehrsflugzeugen dafür, dass die Turbinen gleich schnell laufen, damit es keine Interferenzen gibt, die man als Rattern hört. Hat mir mal jemand erzählt, wie ein Pilot ihm das vorgeführt hat. Einen Triebwerkhebel von vier etwas verstellt, damit das schräg ist, die Maschine wurde laut, aber sofort hat der Computer das wieder eingeregelt.
Wenn wir jetzt aber so viele Geräte und Maschinen haben, die alle computer-/quartzgenau gesteuert sind, und die Leute so zu runden Zahlen neigen, könnte das irgendwann mal höllengefährlich werden, wenn da mal irgendwas irgendwo in Resonanz kommt, weil alles so präzise auf gleiche Frequenzen eingestellt ist oder dieselbe Frequenz über lange Zeit präsize halten kann.
Ein Problem der Digitalisierung, an das eigentlich kaum jemand denkt.