Die Concorde, das Museum und die 20- bis 40-Jährigen
Auch eine Form des Analphabetismus.
Ich habe das ja schon so häufig beschrieben, dass Lesen und Schreiben als Kultur- und Wissenschaftsfähigkeit immer stärker von Bildern und Videos verdrängt werden. Immer öfter müssen Emojis als moderne Hieroglyphen oder Piktogramme herhalten, immer mehr wird aus lauter Hilflosigkeit, es nicht niederschreiben zu können, in ein Handyvideo gequasselt und „hochgeladen”. Ich halte es für katastrophal, wenn man immer öfter nach der Lösung zu irgendeinem Software- oder Computerproblem sucht und dann nur noch ein Youtube-Video findet, auf dem irgendein Spinner mit Vorspann, Musik und langatmigen Erklärungen zu einem Bildschirmvideo irgendwas daherstammelt, wie man das Problem löst, um in 10 Minuten unverständlich bis gar nicht zu beantworten, was man in zwei oder drei Zeilen hätte hinschreiben können.
Vorhin kam auf ARTE ein Film über die Concorde und deren Ende nach dem Absturz.
Ich finde es wahnsinnig faszinierend – und habe es ja schon so oft zu der DC-3 geschrieben, die in Taupo (Neuseeland) hinter dem McDonald’s steht.
Man kann es gar nicht hoch genug einschätzen, wie man mit dem Wissen aus Physik und Ingenieurwissenschaften des 19. Jahrhunderts innerhalb kürzester Zeit ds moderne Flugzeug entwickelt hat.
Otto Lilienthal ist nicht als erster gesegelt, aber er gilt als erster, der das Fliegen nach dem Prinzip „Schwerer als Luft” mit Flügelprofilen systematisch untersucht, verstanden und umgesetzt hat, 1874 bis 1896.
1903 führten die Brüder Wright den ersten Motorflug durch, den ersten Flug, bei dem ein Flugzeug aus eigenem Antrieb abhob.
Schon im ersten Weltkrieg, gerade mal etwa 15 Jahre später, hatte man einsatzfähige Kampfflugzeuge (Stichwort: Roter Baron), die sogar Luftkämpfe ausführen konnten. In den dreißiger Jahren schon hatte man Flugzeuge wie die DC-3, die im Prinzip voll unseren modernen Flugzeugen entsprechen, gerade mal etwa 30 Jahre nach dem ersten Flug. Im zweiten Weltkrieg spielten Jagdflugzeuge und Bomber eine zentrale Rolle. Gleich nach dem Krieg führte man 1947 den ersten Überschallflug durch. Innerhalb kürzester Zeit, von gerade mal 40 Jahren hatte man das Fliegen vollständig beherrscht.
Und dann in den Sechziger Jahren, noch innerhalb eines Menschenlebens seit dem ersten Motorflug, entwickelte man die Concorde, die mit zweifacher Schallgeschwindigkeit von Paris nach New York fliegen konnte. Im selben Jahrzehnt landete man auf dem Mond.
Ich halte das nicht nur faszinierend, sondern für eine so enorme, sagenhafte Wissenschafts-, Erfinder- und Ingenieursleistung, dass man sie gar nicht hoch genug einschätzen, würdigen, respektieren kann, sie aber mit ähnlichen Leistungen wie in der Elektrizität und Funktechnik vergleichen.
Niemals zuvor hatte man in der Geschichte der Menschheit etwas so komplexes und unser Leben Revolutionierendes so effektiv, so steil, so systematisch erforscht, verstanden, entwickelt und gebaut. Ähnlich rasant hat man die Digital- und Computertechnik entwickelt. Oder die moderne Chemie.
Es ist ein Teil der modernen Entwicklung, dem Siegeszug von Natur- und Ingenieurwissenschaften, der im Wesentlichen unser ganzes modernes Leben entwickelt und geschaffen hat.
Geisteswissenschaftler haben dazu nicht nur nichts beigetragen, sie stören und sabotieren auch noch den Schulunterricht in diesen Fächern.
Wer mein Blog liest, der weiß, welche hohe Meinung ich von Museen, vor allem technischen Museen habe. Wenn sie diese Geschichte, diese Entwicklung, diese Erfindungsleistung wiedergeben und vermitteln können – und vor allem an junge Menschen weitergeben können, die die Entwicklung selbst nicht miterlebt haben können.
In Sinsheim gibt es ein Technikmuseum, in dem sie eine Concorde und sogar das russische Konkurrenzprodukt (manche sagen Plagiat) Tupolew TU-144 direkt daneben stehen haben. Darüber haben sie auch im Film berichtet.
Und dann kam diese Sequenz:
Ist das nicht entsetzlich?
Ist das nicht Verblödung?
Und das ist dann die Generation, die Wissenschaft abschaffen und Hexerei und Indigenes mythisches Wissen als gleichwertig ansehen will.
Ich glaube nicht, dass wir die Auswirkungen der Fliegerei auf das Klima noch diskutieren müssen.
In 50 Jahren wird man nicht mehr in der Lage sein zu fliegen.
In 100 Jahren werden viele nicht mehr wissen, dass es noch andere Kontinente gibt oder was Kontinente überhaupt sind.