Die Crypto AG
Vom vermutlichen Ende eines internationalen Schwindels.
Eigentlich hätte es ein herrlicher Skandal werden müssen, aber Corona kam dazwischen: Die Crypto-AG-Affäre zwischen BND und CIA.
Seit der Corona-Krise hört man fast nichts mehr davon, ist die Luft schon wieder raus aus der Empörung. Ein Leser schickte mir einen Link auf einen französischen Artikel, der das kurz aber kritisch betrachtet, aber da finde ich auch kein Datum und weiß nicht, ob das vor oder nach Corona geschrieben ist, eher vorher.
Was mich schon sehr ärgert, denn ich hatte mir da jetzt noch einiges an Aufklärung der Vorgänge von damals versprochen. Eigentlich lief das mit der Aufdeckung gerade gut an, da war das Thema auf einmal komplett weg und von Corona plattgemacht.
Aktueller ist, dass die Luzerner Zeitung Anfang Juli schrieb, dass die Crypto-AG gerade fast alle Angestellten („Mitarbeitenden”) entlässt, weil sie eine Ausfuhrbewilligung nicht mehr bekommen haben. „Sie konnte die Behörden nicht davon überzeugen, nichts mit der Spionageaffäre zu tun zu haben.”
Echt jetzt? Sie wollen damit nichts zu tun haben?
Das ist nicht ganz trivial, weil das Unternehmen ja mehrfach rumverkauft wurde und auch leichte Namensänderungen hinter sich hat, und Crypto AG und Crypto International AG wohl zumindest nicht identisch sind.
Das schwedische Ehepaar Andreas und Emma Linde hatten den internationalen Teil der früheren Crypto AG erst vor zwei Jahren gekauft. […]
Der Firmenteil den das schwedische Ehepaar gekauft hatte, war der globale Teil dieser ehemaligen Crypto AG. Mit der Spionage habe dieser Bereich der Firma aber nichts zu tun gehabt, beteuerten die Besitzer wiederholt. Es sei ihnen aber nie gelungen, die Behörden davon zu überzeugen, «dass unser Unternehmen nie etwas mit der früheren Crypto AG zu tun hatte.»
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte im Fall Crypto wegen möglicher Widerhandlungen gegen das Exportkontrollrecht bereits Ende Februar bei der Bundesanwaltschaft Anzeige gegen Unbekannt eingereicht. Vor zwei Wochen ermächtigte dann der Bundesrat die Bundesanwaltschaft, im Zusammenhang mit der Crypto-Affäre, eine Strafuntersuchung zu führen. Zum anderen beschloss die Landesregierung, dass der Crypto International AG vorderhand keine Ausfuhrbewilligungen erteilt wird. Dies war der Todesstoss für die Firma. Sie konnte keine Geräte mehr ins Ausland verkaufen und das, obwohl gemäss NZZ die Auftragsbücher der Crypto International AG voll gewesen wären.
Auch die NZZ, oder sogar zuerst die NZZ, denn darauf verweist der Artikel schrieb darüber.
Damals arbeiteten die «Rundschau» und weitere Medien die Crypto-Affäre auf. Erstmals wurde aufgezeigt, dass die Herstellerin von Chiffriergeräten lange Zeit im Besitz von US-amerikanischen und deutschen Geheimdiensten war. Klandestin soll in viele Geräte eine sogenannte Hintertür eingebaut worden sein, wodurch die involvierten Geheimdienste, wohl auch der schweizerische, die Kommunikation der Kunden mitverfolgen konnten.
Das ist ein Punkt, der mich überaus interessiert hätte, besonders auch die Achse zwischen CIA und Schweizer-Geheimdienst, denn ich würde die Rolle des Krypto-Professors Ueli Maurer von der ETH Zürich gerne tiefer verstehen.
Die NZZ schreibt in einem anderen Artikel, die Politik habe überreagiert , man hätte nicht gleich alles durch Exportverbote kaputtschlagen müssen, zudem hätten die Medien das zu hoch gekocht:
Der politische und strafrechtliche Aktivismus in Bern trifft jetzt allerdings eine ganze Firma mit ihren Angestellten. Diese bezahlen den Preis für die mutmasslichen Verwicklungen ausländischer Geheimdienste in die Besitzverhältnisse der Vorgängerfirma – und für eine Medienkampagne von Tamedia und SRF. Jahrzehntelang verkaufte die Firma Crypto aus Steinhausen (ZG) manipulierte Chiffriergeräte vor allem an Schwellenländer. CIA und BND waren so in der Lage, bei potenziellen Störefrieden der Weltordnung des Kalten Krieges und der Zeit danach mitzuhören und nötigenfalls einzugreifen.
Alles andere im Fall Crypto ist spekulativ und eine Frage der Interpretation. Weder muss die Geschichte neu geschrieben werden, noch war die Schweiz ein willfähriger Vasall amerikanischer Interessen, wie dies die Journalistinnen und Journalisten im investigativen Furor behaupteten. Auf der Basis von Dokumenten der CIA und des BND, die zur Mythenbildung verfasst worden waren, lieferten sie eine beeindruckende, präzise umgesetzte Recherche. Die Chefs hinter dem Schreibtisch schossen aber beim Framing, bei der Einordnung der heissen Story, über das Ziel hinaus.
Dass die Presse stimmt, das glaube ich gerne. Ich habe aber ernstliche Zweifel, ob die Politik da überreagiert hat, oder ob die einfach selbst tiefer drin hängen, als man öffentlich erfahren hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch mehr Probleme lauern, denn das kann so eigentlich gar nicht gewesen sein, dass da CIA und BND krumme Dinger abziehen und die Schweizer nichts merken – zumal die Sache ja in der Krypto-Szene schon in Mitte der Neunziger Jahre bekannt war. Wir wussten das zu meiner Zeit an der Uni schon (ich hatte da schon ausführlich drüber geschrieben), dass die Crypto AG ein Geheimdienstprojekt ist. Wenn sich das schon bis zu uns an der Uni rumgesprochen hat und sogar in der Zeitung stand, ist es ausgeschlossen, dass die Schweizer das nicht wussten. Allerdings soll da ja die Sache auch schon wieder beendet gewesen sein – vielleicht durch die Schweizer selbst. Ich würde aber drauf wetten, dass die Schweizer davon irgendwo Nutznießer waren.
Es gibt noch weitere Artikel der NZZ, in denen sie gegen die Maßnahmen wettern, etwa Ausfuhrverbot für Crypto-Chiffriergeräte: «Populistische Überreaktion des Bundesrats»
Gesichert ist in diesem zeithistorischen Krimi, der sich vorwiegend im Kalten Krieg abspielt, dass die Bundesanwaltschaft mindestens zweimal auf die klandestin eingebauten «Hintertüren» aufmerksam gemacht worden ist. Wie ein ehemaliger Crypto-Mitarbeiter im Februar gegenüber der «NZZ am Sonntag» schilderte, hatte er sich bereits Ende der 1970er Jahre dem damaligen Bundesanwalt Hans Walder anvertraut. Dieser soll ihm zurückgemeldet haben, man könne den Fall nicht untersuchen, weil die Crypto keine Geräte zur Verfügung gestellt habe. Immerhin eine Voruntersuchung leitete die Bundesanwaltschaft dann 1992 ein, nachdem ein Verkäufer von Crypto-Chiffriergeräten in Iran vorübergehend gefangen genommen worden war. Doch auch diese Ermittlungen verliefen im Sand, weil angeblich keine Hinweise auf «Hintertüren» gefunden werden konnten.
Spätestens seit ich da meine eigenen Erfahrungen mit Aussagen zu Kryptographie aus der Schweiz gemacht habe, glaube ich denen da kein Wort mehr.
Ich glaube nicht, dass die da überreagieren. Ich glaube, da steckt noch etwas mehr dahinter.