Ansichten eines Informatikers

Ich brauche ganz dringend eine Kartoffelüberwachung

Hadmut
26.7.2020 13:03

Das ist mir jetzt auch noch nie passiert.

Aber es darf nicht nochmal passieren.

Lösungsansätze. [Nachtrag]

Ekliger Schreck am Sonntag Morgen.

Fehler können passieren, aber der darf nicht nochmal passieren.

Ich hätte auch nicht gedacht, dass Kartoffeln so stinken können.

Die Sache ist die. Ich bin Single und zu normalen Zeiten (also vor Corona) koche ich nicht so viel, eigentlich wenig, weil ich unter der Woche ohnehin irgendwo rund um den Arbeitsplatz zum Chinesen oder Italiener oder Araber oder Türken oder sowas gehe, und dann abends auf dem Heimweg oder wenn ich unterwegs bin auch gerne immer wieder einen Döner einwerfe. Weil’s so kleine Portionen für den, der nur am Wochenende mal für eine Person kocht, kaum oder nur überteuert gibt, koche ich nur sehr selten, und manche Zutaten, wie Kartoffeln, die man ja auch nur im ganzen Netz bekommt, bislang nur dann, wenn absehbar ist, dass ich mal ein paar Tage am Stück zuhause bin (was vor Corona nur selten der Fall war).

Corona hat alles anders gemacht.

Wie schon erwähnt, war ich seit Anfang März nur einmal, inzwischen ein zweites Mal auswärts essen, ansonsten koche ich dann doch selbst. Und habe das bisher auch fast durchgehend durchgehalten, nur einmal die Woche einkaufen zu gehen, mit der ganz großen Einkaufstasche. Sonst bin ich immer gern abends zum Supermarkt um die Ecke geflitzt und habe sehr kleine Mengen gekauft.

Entsprechend hatte ich im Februar/März meine Küche noch etwas aufgerüstet. Noch Schränke rein, weil ich bisher fast nur Platz für Küchengeräte hatte, weil ich Lebensmittel nur in geringem Umfang auf Vorrat hatte. Das musste natürlich aufgerüstet werden, weil man ja immer unvorhergesehen persönlich oder als ganzes Haus unter Corona-Quarantäne hätte gestellt werden können, so sah das damals zumindest aus. Also haltbare Fressalien im Haus, um notfalls auch mal drei Wochen auszukommen, ohne das Haus zu verlassen. Ich kann mich erinnern, um die Zeit herum ein Straßeninterview mit einer schwäbischen Hausfrau gesehen zu haben, die sagte, dass sie das so schlimm fände, dass die Leute jetzt alle Hamsterkäufe machten, um Lebensmittel im Haus zu haben. Am Schluss fragte sie der Reporter, wieviele Lebensmittel sie für ihre Familie im Haus habe. Sie sagte – ohne darin irgendeine Unlogik zu entdecken – dass sie (ich weiß es nicht mehr genau, etwas in der Größenordnung) für 6 Wochen Vorräte normal im Haus haben. Aber regt sich über andere auf. „Prepper” und so.

Da man aber nun damit rechnen musste, jederzeit zu einer Quarantäne verdonnert zu werden, oder die Supermärkte aus Personalmangel nicht mehr öffnen können, oder weiß der Kuckuck was passieren könnte, war das schon ratsam, sich ein paar Sachen reinzutun, und sich auch auf’s Selberkochen einzustellen. Ich habe Sachen, die länger halten, und welche, die man halt „zuerst” oder „zeitnah” essen muss, beschafft.

Das Problem mit den Kartoffeln ist, dass ich zwar ein Kellerabteil, aber kein kartoffeltaugliches habe und auch keine Lust, extra in den Keller zu gehen, um Kartoffeln hochzuholen, zumal mir klar war, dass ich die da unten vergesse. Da meine Küche aber normalerweise hell ist, fangen Kartoffeln, die offen in der Küche liegen, innerhalb von spätestens 3 Tagen an zu keimen. Und es heißt ja, dass man die Kartoffeln nicht mehr essen darf, wenn die Keime die Länge von 1cm erreichen oder zu fest oder dunkel werden, weil sich dann irgendein Gift in der Kartoffel bildet.

Und aus Platzgründen hatte ich die neuen Schränke ohne Schranktüren aufgestellt, zumal ich das nicht für gut halte, wenn Lebensmittel in stehender Luft lagern. Weil jetzt aber Selberkochen und damit Kartoffeln zu haben auf dem Programm stand, hatte ich mich nach Kartoffelbehältern umgesehen und tatsächlich welche aus Kunststoff gefunden, die auch Zwiebeln und sowas gedacht sind, die von den Maßen gut passten, und welche davon gekauft. Kartoffeln und Zwiebeln rein. Unterteil aus dunkelgrauem Kunststoff, Oberteil aus weißem Kunststoff, oben mit Lüftungslöchern, vorne mit Entnahmeklappe.

Das hat jetzt alles gut geklappt, wenn auch nicht zu meiner Zufriedenheit. Die weißen, etwas durchscheinenden Oberteile lassen immer noch zuviel Licht durch. Immerhin zeigte sich, dass die Kartoffeln darin etwa eine Woche, auch mal 10 Tage halten, bis sie wegen zu langer Keime weg müssen, aber das passt ganz gut zu meinem Verbrauch. Ein paar Kartoffeln haben ab und zu noch immer dran glauben müssen, aber so im Großen und Ganzen passt es.

Aber, ach.

Irgendwie hatte ich letzte Woche keine Lust mehr auf Kartoffeln und anderes gemacht.

Dann hatte ich wieder Lust auf Kartoffeln, aber da kam mir die Creme Fraiche dazwischen. Ich hatte mir im Rahmen der Aufrüstung dreizinkige Pellkartoffelgabeln gekauft und die nun mal eingeweiht, weil ich im Supermarkt richtig schöne Bio-Kartoffeln der richtigen Größe und Festigkeit entdeckt hatte, und damit Pellkartoffeln mit Creme Fraiche gemacht hatte, die richtig gut geschmeckt hatten. Lecker. Sehr lecker. Schnell und einfach gemacht. Und davon satt. So lecker, dass ich es zweimal gemacht hatte und erst mal das Netz mit diesen neueren Bio-Kartoffeln geleert hatte.

Der zentrale Fehler war, dass damit die später gekauften Kartoffeln die älteren im Verzehr überholt hatten, die wegen Form, Größe und Konsistenz für sowas nicht so geeignet waren.

Oder anders gesagt: Ich hatte Kartoffeln in dieser Kunststoff-Kartoffel-Aufbewahrungsbox schlicht vergessen.

Nein, vergessen ist das falsche Wort. Dass da noch welche drin sind, wusste ich. Ich hatte auch ein paar Mal einen Kontrollblick durch die Entnahmeklappe geworfen, die Woche erst, da sah das alle da drin noch völlig zivil aus, nur die Keime näherten sich langsam der kritischen Größe. Ansonsten sahen die Kartoffeln gut aus, nichts Auffälliges.

Am Mittwoch dachte ich noch: Irgendwas stinkt hier. Es war der Mülleimer. Ich hatte Melone gegessen und die Reste fangen in der Hitze, die wir die Woche hatten, innerhalb von Stunden an, übel zu riechen. Müll rausbringen.

Vorgestern dachte ich noch: Irgendwas stinkt hier schon wieder. Nur war es diesmal nicht der Mülleimer. Da war nämlich nichts drin, was hätte stinken können, den hatte ich nämlich auch am Donnerstag geleert. Und auch wieder mal ausgespült. Der war unschuldig.

Ich hab’s nicht gefunden. Obwohl alles abgesucht. Und dachte mir noch, es wird sich finden, denn wenn’s heute stinkt, wird es morgen stärker stinken.

Heute morgen wieder ein Kontrollblick durch die Entnahmeklappe in die Kartoffelbox: Sah immer noch zivil aus, unauffällig, die Keime etwas länger, und dachte mir noch, jetzt sind sie zu lang, jetzt werfe ich sie weg.

Ich nehme also die Box raus, stelle sie auf den Boden, um das ganze Oberteil abzunehmen, da haut’s mich schier um.

Ein entsetzlicher Gestank kommt plötzlich aus dem Ding (keine Ahnung, warum man das durch die Klappe und die Lüftungslöcher kaum gemerkt hat), und erst jetzt fällt auf, dass da unten so 1 bis 2 Finger breit die Suppe drin stand, weil die Dinger sich irgendwie zersetzt und ihre Flüssigkeit abgegeben hatten. Hatte man von außen nicht gemerkt.

Gestank der Sorte Würgreiz, die man nicht aushält.

Notfallmäßig raus damit, und die Box in heißem Wasser und Haushaltsreiniger ersäuft. Lies sich wider Erwarten mit Wasser und Reiniger schnell und problemlos reinigen. Das Problem war jetzt bei weitem nicht so groß, wie es gestunken hat. Beim reinigen habe ich aber im Deckel der Box, an Stellen, die keinen Kontakt zu den Kartoffeln hatten, wo sich also keine Zersetzungsteile hätten absetzen können, jede Menge kleiner Strukturen, etwa Form und Größe kleiner Reiskörner, aber dunkel. Womöglich irgendwelche Fliegenmaden oder sowas, was sich da drin eingerichtet hatte.

Nun ist, außer dass ich eben Kartoffeln im Wert von schätzungsweise 80 Cent entsorgt habe, es gruselig stank und es mich heißes Wasser und zwei Kappen Allesreiniger gekostet hat, ich mal den Würgreiz überwinden musste und vernehmlich geflucht habe, kein Schaden entstanden.

Aber es gefällt mir so gar nicht, es passt mir überhaupt nicht, wenn Lebensmittel so vergammeln und das unbemerkt, und sich dann auch noch Viechzeugs unbemerkt einnistet. Und selbst der regelmäßige Kontrollblick durch die Klappe das Problem nicht rechtzeitig offenbarte. Oder wie man es in der IT-Sicherheit so nennt: Kontrollverlust.

Nun sind diese Boxen sicherlich keine so tolle Konstruktion, da gibt es vermutlich besseres. Angeblich Keramiktöpfe. Irgendwas, was richtig dunkel ist. Und so belüftet, dass keine Fliegen keinkommen. Es gibt Keramiktöpfe. Aber die Box hatten andererseits wieder den Vorteil, dass sie schnell und einfach zu reinigen war.

Nun grüble ich, wie man so eine vertrauenswürdige und zertifizierungsfähige Kartoffelbox konstruieren könnte.

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich, dass alle Lüftungsöffnungen fliegendicht sein müssen, also etwa mit Fliegennetz verschlossen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das der Durchlüftung nicht abträglich ist.

Natürlich müsste man Sensoren haben. Druck- und Gewichtssensoren, die registrieren, wann Kartoffeln entnommen oder neu eingelegt werden, um maximale Lagerzeiten zu überwachen.

Feuchtigkeitssensoren, die ermöglichen, Alarm auszulösen.

Lichtsensoren, mit denen man über die Zeit integrieren kann, wieviel Licht die Kartoffeln abbekommen haben und gegebenenfalls Alarm schlagen.

Man müsste mal probieren, ob die Gewichtssensoren dann auch langsame Gewichtsänderungen feststellen können, die vielleicht auf Austrockung u.ä. zurückzuführen sein könnten.

Gassensoren wären vielleicht auch kein Fehler, vielleicht lässt sich das ja irgendwie feststellen, wenn die Kartoffeln keimen. Ich weiß, dass das bei Obst so geht, wenn es reift, aber geht es auch bei Wurzelnknollen, die keimen?

Könnten optische Sensoren erfassen, ob Insekten drin rumfliegen? Lichtschranken?

Man könnte die Einschränkungen der Durchlüftung, die sich durch Fliegennetze an den Lüftungslöchern ergeben, durch kleine flache Lüfter ausgleichen, etwa die Größe wie in Festplattengehäusen.

Zur Steuerung des ganzen etwa ein ESP8266, der dann die Messwerte und Alarme auch gleich per WLAN und MQTT an eine Hausautomationslösung melden kann, was den Vorteil hätte, dass man sie mit Lösungen wie Prometheus und Graphana in die Hausüberwachung einbinden und den Zustand auf Monitoren permanentzu sehr reifen anzeigen und überwachen kann. Weil Monitore in der Küche beim Kochen aber zu schnell fettig werden, schwebt mir da etwas im Flur oder Wohnzimmer vor, wo man es auch immer im Blick hat. Unterwegs per App, die dann Alarm schlägt – sofern man noch das Problem löst, was gerade die Corona-App auf Android und iPhone von kontinuierlicher Überwachung abhielt.

Dann kann man auch gleich eine Anbindung an das Hauswirtschaftsticketsystem vornehmen, das sicherstellt, dass der jeweils aktuell Zuständige regelmäßig kontrolliert oder überlagerte Kartoffeln rechtzeitig entsorgt. Mit Jahresberichten an den Familienvorstand.

Natürlich braucht das Energie, aber das sollte sich über einen Akku und eine Solarzelle nebst Laderegler machen lassen. Was allerdings ein längeres Kabel erforderlich macht, weil die Kartoffeln ja dunkel stehen sollen.

Ja, ich denke, so könnte es gehen. Regelmäßige Firmwareupdates sind natürlich schon erforderlich.

Es wird höchste Zeit, dass Kartoffelboxen mal von Informatikern gebaut werden, dann passiert sowas nicht mehr.

Wollte die Bundesregierung nicht ohnehin Internet-of-Things fördern? Gibt’s da Fördergelder und Gründerzuschüsse?

Nachtrag: Ein Leser weist darauf hin, dass XKCD bereits den Informatiker-Kühlschrank konstruiert hat. Genau so muss das sein.