Ansichten eines Informatikers

Die richterliche Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit

Hadmut
4.8.2020 0:20

Wie Richter Grundrechte zertrümmern.

Disclaimer: Ich muss mir die Entscheidung natürlich erst mal im Volltext holen und lesen.

Die WELT berichtet, das Amtsgericht Kassel haben den Professor Ulrich Kutschera wegen Beleidigung von Homosexuellen zu einer Strafe von 6000 Euro verurteilt.

Den Vorwurf der Volksverhetzung sah das Gericht nicht als stichhaltig an. Allerdings seien Kutscheras Äußerungen auch nicht durch die Freiheit der Wissenschaft gedeckt, sagte der Richter: „Es kommt auch auf den Zusammenhang an.“ So habe sich der Evolutionsbiologe in einem Interview geäußert und nicht in einer Vorlesung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Angezeigt worden war der Evolutionsbiologe wegen eines Interviews, das 2017 auf dem Portal „kath.net“ erschien. Darin äußerte sich Kutschera zum Thema „Ehe für alle“, also Eheschließungen unter Personen gleichen Geschlechts. Unter anderem hatte der Professor der Uni Kassel das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare mit Pädophilie und Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, unter dem Vorwand angeblich „biowissenschaftlicher Fakten“ Homosexuellen eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern zuzuschreiben.

Was ich in mehrfacher Hinsicht für rechts- und verfassungswidrig halte, und was man durchaus auch für Rechtsbeugung halten könnte.

Die Beleidigung

Wenn ich mich jetzt recht erinnere, kann man Beleidigung nur an konkret identifizierbaren Personen begehen, nicht im Allgemeinen. Jedenfalls solange der von einer „grundsätzlichen Neigung” spricht, ist das keinem zuordenbar.

Außerdem ist das eine Sach-Äußerung und keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne.

Mal frisch auf einer Anwaltsseite gegoogelt:

Als Beleidigung gilt grundsätzlich die „Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung durch Werturteile“. Dies muss nicht zwingend gegenüber dem Betroffenen geschehen, sondern kann auch gegenüber einem Dritten erfolgen. In jedem Fall muss der Gegner der Beleidigung eine feststellbare Person oder eine abgrenzbare Personengruppe sein, ansonsten ist die Äußerung zu allgemein und es fehlt an der konkreten Betroffenheit einer einzelne Person. Hier sind bekannte Fälle zu benennen wie die Gruppe „Soldaten“ oder „das Volk“, bei denen es an der konkreten Betroffenheit fehlt.

Entscheidend ist ferner, dass es sich um Werturteile handelt, also die gesprochenen Worte oder Handlungen bzw. Gestiken geprägt sind von einer subjektiven Stellungnahme des Dafür- oder Dagegenhaltens. Der Aussagende bringt also seine Wertung des Sachverhalts zum Ausdruck.

Also (vermutlich, ich kenne die Originaläußerung nicht) gleich doppelt keine Beleidigung, weil weder Werturteil, noch auf feststellbare oder eine klar abgrenzbare Personengruppe bezogen.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum das anders oder weniger beleidigend sein sollte, wenn es in einem Hörsaal geäußert würde.

Wissenschaftsfreiheit

Auch das ist grob falsch, denn Wissenschaftsfreiheit findet nicht nur im Hörsaal statt. Sonst stünde sie ja nur dem zu, der in der Uni einen Hörsaal belegen kann.

Verfassungsrechtlich steht Forschungsfreiheit aber jedem zu, der wissenschaftlich tätig werden will, ganz unabhängig davon, ob er an der Uni ist oder nicht (kann aber den Zugang zur Universität verschaffen, wenn der erforderlich ist). Wissenschaftsfreiheit gilt nicht nur gegenüber immatrikulierten Studenten, sondern gegenüber jedem, weil auch die Wissensvermittlung frei ist. Es steht jedem Wissenschaftler frei zu wählen, ob er lieber Vorträge im Hörsaal hält, Bücher schreibt, Youtube Videos sendet oder eben auch im Radio spricht, zumal er ja auch Radiointerviews über seine Arbeit geben kann.

Und wenn er das im Rahmen seiner Arbeit festgestellt hat oder haben will, darf er das auch äußern, denn Wissenschaft steht auch wieder jedem frei. Es darf nicht nur immatrikulierten Studenten zugänglich sein. Im Hörsaal gelten keine anderen Wissenschaftsfreiheitsrechte als im Radio.

Rechtsbeugung

Ich muss mir das natürlich erst mal ranholen, durchlesen, verstehen, prüfen.

Aber zumindest so, wie die WELT das schreibt (Zeitung kann man nicht mehr trauen, aber ich habe ad hoc nichts besseres), muss das jedem Juristen klar sein, dass das rechtswidrig ist. Anscheinend hat man da mal politisch geurteilt, in der Erwartung, dass das von BGH oder BVerfG eh wieder kassiert wird.

Das dürfen Richter aber nicht.

Ein Richter darf nicht wissentlich Recht brechen und dann erwarten, dass seine Entscheidung ohnehin wieder aufgehoben wird.

Wir haben hier inzwischen deutliche politische Rechtsbeugung, eben eine sozialistische Justiz.

Es fällt mir deshalb auf, weil ich noch einen anderen Fall kenne, der aber nicht nicht blogreif ist.