Ansichten eines Informatikers

Vom Containern

Hadmut
19.8.2020 12:03

Es gab viele kritische Zuschriften. Ich bin damit aber nicht einverstanden.

Ich will das mal etwas kategorisieren.

Im Prinzip drehen sich alle um den Denkfehler Ja, aber es ist doch da, warum soll man es denn wegschmeißen?

Einer schreibt

Aber es ist doch auch Überproduktion… das heißt, die Vorleistung wurde bereits erbracht, ganz egal ob da nun ein Containerer kommt oder nicht… im Gegenteil, die Entsorgung kostet nochmal zusätzlich Geld & Aufwand.
Ergo, die Kohle ist sowieso weg.

Und das ist falsch. Es stimmt einfach nicht. Der Denkfehler besteht darin, per Scheuklappen nur die 3 Meter zwischen Container und Dieb zu sehen, aber nicht, wie das Zeug in den Container kam.

Es ist nämlich keine Überproduktion, denn wäre es Überproduktion, würde sich ja keiner mehr finden, der es noch essen will, weil alle schon satt sind. Solange wir aber Leute haben, die von Tafeln leben oder eben aus Containern klauen (und letztere mache das oft aus sozialistischem Geiz und der Grundüberzeugung heraus, ohne eigenen Beitrag von anderen gefüttert und alimentiert werden zu müssen), kann man nicht von einer Überproduktion reden.

Überproduktion ist, wenn man über den Markt hinaus produziert hat und Dinge dann verschenken kann, weil sie dann irgendwo eingesetzt werden, wo man sie sonst nicht einsetzt, man sich damit also den Markt nicht verkürzt.

Würde man das Containern aber legalisieren, dann würden viele Leute im Supermarkt nicht mehr einkaufen, sondern containern. Es ist also kein Verschenken einer Überproduktion, sondern eine Verschiebung vom Kaufen zum Geschenkt-haben-wollen. Es ist ja nicht so, dass das an Leute geht, die ansonsten eben gar nicht essen würden und deshalb nicht als Kunde wegfallen. Die Zahl der Menschen und der Umfang dessen, was sie essen, bleibt ja gleich. Es geht beim Containern ja nur darum, vom zahlenden zum nichtzahlenden Kunden zu werden. Statt das Zeug aus dem Container zu holen könnte man ja genausogut am Abend vorher in den Laden gehen und dieselben Lebensmittel normal kaufen.

Es ist also falsch und Propaganda, wenn man behauptet, das sei Überproduktion und ohnehin überflüssig. Das wäre es nur dann, wenn das Verschenken nicht zum Rückgang des normalen Marktes in Zahl der Käufer, in Volumen, in Umsatz führen würde. Deshalb werden Überproduktionen normalerweise dann, wenn sie verschenkt werden, nur an solche Empfänger verschenkt, die als Kunde nicht in Betracht kommen oder bei denen durch das Verschenken kein Umsatzrückgang entstehen kann.

Das ganze Überproduktionsgefasel ist sozialistische Propaganda und schlicht falsch.

Einer hat das mal perfekt auf den Punkt gebracht: „Brot von gestern”

Genau darum geht’s. Nicht um Überproduktionen zu verwerten, sondern darum, normale Produktion vom Bezahlten zum Unbezahlten (oder Preisreduzierten) zu verschieben.

Das merkt man auch daran, dass mir zwar viele schreiben, dass das doch nichts koste, weil es doch eh da sei und nicht mehr gebraucht würde, und es damit einfach nichts koste (falsch: es kostet Kunden und Umsatz), aber nicht ein einziger davon erklären konnte oder es auch nur versucht hat, wer eigentlich die bis dahin entstandenen Kosten tragen soll? Der Bauer? Der Supermarkt? Die anderen Kunden?

Das Verbot des Containers heißt nämlich nicht „Wir haben Spaß daran, Lebensmittel zu vernichten” sondern es heißt „Geh gefälligst an die Kasse und bezahl’, wie jeder andere auch!”

Anscheinend vernebelt die Aussicht, etwas günstiger oder für umme zu bekommen, bei vielen Leuten den Verstand, ähnlich wei bei „Schnäppchen”.

Steuerhinterziehung

Was die Leute überhaupt nicht bedenken: Containern ist Steuerbetrug/-hinterziehung.

Selbst wenn der Laden das Zeug verschenken würde: Die Umsatzsteuer wäre trotzdem zu entrichten, denn das Finanzamt verschenkt nicht. Wenn man nämlich etwas verschenkt, dann ist das eine Entnahme, für die die Steuer zu entrichten ist.

Der Punkt ist nämlich: Wenn der Supermarkt die Lebensmittel vom Bauern kauft, zahlt er Umsatzsteuer, zieht die aber als Vorsteuer wieder ab. Der Markt hat die Lebensmittel damit also umsatzsteuerfrei gekauft und führt die dann ab, wenn er sie verkauft und dann an der Kasse die 7 oder 19% (gerade dann eben 5 und 16) kassiert und die als vereinnahmte Mehrwertsteuer abführt.

Neulich gab es mal einen Aufschrei, als herauskam, dass Amazon viele Waren, die als Rückläufer zurückkommen, vernichtet, weil der Aufwand, das zu prüfen, zu reinigen usw. zu hoch sei. Man fragte, warum die es nicht an Bedürftige verschenken. Weil sie dann die Umsatzsteuer (und m. E. auch Gewerbesteuer usw.) darauf entrichten müssten, steuerlich muss man nämlich etwas erst aus dem Betriebsvermögen entnehmen (also versteuern), bevor man es verschenken (=darüber verfügen) kann. Bei einer Vernichtung müssen sie das nicht.

Dasselbe Problem hätten Supermärkte, wenn sie abgelaufene Lebensmittel verschenken würden. Sie müssten sie vorher buchhalterisch dem Betriebsvermögen entnehmen, also selbst versteuern, bevor sie darüber frei verfügen, sie etwa verschenken können.

Das Problem besteht übrigens auch bei der Weitergabe an die Tafeln. Da kann man auch Aufsätze finden, ein ziemlich schwieriges Problem, was aber dadurch abgemildert wird, dass die Tafeln gemeinnützig (und nicht wie ein Container-Fresser eigennützig) sind. Das macht steuerlich einiges leichter, weil das dann nämlich eine steuerbegünstigte Spende ist, also gerade die zu entrichtenden Steuern dadurch wieder begünstigst und kompensiert werden.

Siehe beispielsweise hier und hier. Es scheint wohl so zu sein, dass der Unternehmer, der Lebensmittel an die Tafeln spendet, darauf tatsächlich die Umsatzsteuer selbst zahlen muss, dafür von den gemeinnützigen Tafeln aber eine Spendenbescheinigung bekommt und das auf diese Weise wieder reinholt.

Würde ein Supermarkt aber das Containern gestatten, müsste er auch darauf die Umsatzsteuer bezahlen, bekäme sie aber nicht erstattet. Warum der Supermarkt das tun sollte, konnte mir nicht nur keiner erklären, es hat auch keiner bemerkt, weil sie alle miteinander die Sache mit der Umsatz-/Mehrwertsteuer nicht verstanden haben.

Paradox, wenn ausgerechnet Marxisten die Sache mit dem „Mehrwert” nicht kapieren.

Relativer und absoluter Wert

Beknackt ist auch die Argumentation, dass die Lebensmittel im Container keinen Wert mehr hätten.

Hätten sie keinen Wert, würde man sie nicht klauen und essen wollen. Der Umstand, dass Leute sie haben wollen oder die Sache straflos stellen wollen, zeigt ja schon, dass es eben nicht wertlos ist. Sonst würden ja nicht Leute kommen, um es zu holen.

Die ständig angeführte Mogelargumentation „für den Supermarkt wertlos” zieht nicht, weil es eben im Straf- und Steuerrecht diese relative Wertlosigkeit nicht gibt. Der Marktwert ist anzusetzen, nicht, was die Sache dem Unternehmer noch wert ist. Und wenn Leute kommen, um etwas zu klauen, dann ist der Marktwert jedenfalls nicht bei Null, sonst täten sie es ja nicht. Wert = 0 heißt: Keiner will’s haben.

Lebensmittelqualität

Ich muss mich doch sehr über die sozialistische Menschenverachtung wundern, es zum Normalzustand erklären zu wollen, Bevölkerung aus dem Müllcontainer zu ernähren.

Ich wohne, wie schon des öfteren erwähnt, mit Blick aus dem Küchenfenster auf die Rückseite eines Supermarktes. Und sehe auch ab und zu, dass der Lieferwagen von den Tafeln vorbeikommt, um Lebensmittel abzuholen, steht nämlich groß drauf. Der Lieferwagen selbst ist eine Spende von Mercedes, was die dann auch gleich groß draufgedruckt haben. Deshalb erkennt man, wer das ist.

Und dieser Lieferwagen hat etwas oben drauf, was viele Lieferwägen nicht haben: Ein Kühlaggregat.

Die fahren damit an die Rampe, und das Handling der Lebensmittel erfolgt nach den gleichen Hygieneprinzipien wie bei der Anlieferung frischer Waren. Verpackt, Kühlkette und so weiter.

Allein schon der Umstand, dass hier ab und zu die Tafeln vorbeikommen und Lebensmittel abholen spricht für mich stark dafür, dass die vom Supermarkt Lebensmittel, die noch genießbar sind, eben nicht in den Container werfen, sondern den Tafeln geben. Was im Umkehrschluss darauf hindeutet, dass Lebensmittel im Container landen, weil man sie nicht mehr vertretbar weitergeben kann.

Vor einiger Zeit gab es mal einen Lebensmittelskandal, als heraus kam, dass infolge der Preiskriege zwischen den Dönerbuden (man erzählte mir, dass die vor meiner Zeit in Berlin hier auch mal die Döner für 1 Euro anboten) auch verdorbenes Fleisch noch eingesetzt und die Dönerspieße nicht mindestens täglich ausgetauscht wurden. Der sogenannte Gammelfleischskandal.

Neulich erst hat man irgendwo eine Großbäckerei geschlossen, weil herauskam, dass da katastrophale hygienische Zustände herrschten.

Nun hat man sich gerade im Zuge von Corona-Ausbrüchen über die Schlachterei Tönnies erregt, da müssten doch hygienische Mängel vorliegen. Wenn ich das richtig verstanden habe, gab es aber wohl keine belegten Mängel, sondern die Ausbreitung des Corona-Virus über die ansonsten hygienisch akzeptierten Klimaanlagen. Das Geschrei war jedenfalls groß.

Ich kann mich auch erinnern, dass mal rauskam (schon etliche Jahre her), dass in Supermärkten abgelaufenes Fleisch umetikettiert wurde, weil die meinten „Das ist doch noch gut, das kann man doch noch essen.” Riesenskandal, wie kann man nur.

Und wenn es um mangelnde Hygiene geht, schreien sie auch alle gleich gegen den Kapitalismus, weil ja nur der Schuld dran sei, den Leuten aus Profitsucht vergammelte Lebensmittel vorzusetzen.

Jetzt auf einmal aber finden es verdammt viele Leute normal und angemessen, und wollen (die Kommunisten eben) sogar die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass Leute aus Mülleimern ernährt werden, dass die Essen verzehren sollen, was vorher im großen, ungereinigten, ungekühlten Container rumlag, der nie sauber gemacht wird, und in dem sich wohl auch Vögel oder vielleicht Ratten herumtreiben, Schimmelpilze und Bakterien sowieso.

Es ist mir so schon unverständlich, wie man dafür plädieren kann, dass Menschen sich aus Abfällen ernähren sollten. (Wo man es doch sonst immer so mit der Menschenwürde hat.)

Wie man aber ständig auf Hygiene und Sauberkeit pochen kann, um Kapitalisten eins auszuwischen, und dann aber meint, es spiele keine Rolle, ob ein Haltbarkeitsdatum abgelaufen wäre oder etwas schon stundenlang in der Sonne im dreckigen Container rumlag, ist mir unverständlich.

Oder anders gesagt:

Wie schnell und leichtfertig die Leute ihre Maßstäbe darüber ändern, was man „noch essen” kann.

Wieder mal die doppelten Maßstäbe, die mich so ankotzen.