Das Hakenkreuzradio
Vom Aufwachen in einer kaputten Zeit.
Obwohl ich heute eigentlich lang ausschlafen konnte und auch vor hatte, plärrte der Radiowecker los, weil ich ihn nicht abgeschaltet hatte. Na gut, Nachrichten kann man ja mal hören. Und weil ich erst um kurz vor vier ins Bett bin, wollte ich eigentlich länger schlafen.
Zum Anschlag von Wien eine kurze, trockene, knappe Meldung, bedauerlicher Anschlag, Tote, viele Verletzte, Politiker drücken die übliche Anteilnahme aus. Kein Wort dazu, wer und warum.
Aber dann die große Meldung, Kampf gegen „rechts”, wie schlimm das jetzt mit der Polizei schon sei, inzwischen habe man herausgefunden, dass einer von der Polizei irgendwo ein altes Radio mit einem Hakenkreuz drauf gekauft habe.
Ich musste an mein Fahrrad denken. Mein ehemaliges. Als ich noch in Karlsruhe wohnte, während meiner Uni-Zeit, sind sie in dem Haus mal in die Tiefgarage eingebrochen und haben alle Fahrräder geklaut, meins auch. Nur die Trümmer des aufgesägten Schlosses waren noch da. Auch wenn es effektiv nutzlos war, musste ich wegen der Versicherung zur Polizei, Anzeige erstatten. Kam so ins Gespräch, über die Wohngegend und dass da Banden systematisch ausräumen, und die Fahrräder schon längst in irgendeinem LKW aus der Stadt raus seien, entweder in einer anderen Stadt verhökert oder in Einzelteilen verkauft werden. Und machte so eine flapsig-sarkastische Bemerkung über ihre „schönen” Büroschränke, weil die genau das Gegenteil davon waren, sondern so miefige, piefige, abgenutzte, gedunkelte Holzschränke, so das uralte Aktenordnerzeugs, wie man sie heute gar nicht mehr kennt, aber halt stabil, weil noch Massivholz. Keine Ahnung, welches. Buche oder vielleicht sogar Eiche. Die ich so auf 50er-Jahre geschätzt und deshalb gespottet hatte. Und dabei einen wunden Punkt getroffen hatte. Da ging der hoch und wurde so richtig sauer. Nicht auf mich, sondern auf die Schränke. Wie froh er wäre, wenn die Schränke wenigstens aus den 50ern stammten. Sie würden die ab und zu zum Saubermachen vorziehen. Auf sämtlichen Schränken prange auf der Rückseite noch das Hakenkreuz mit Reichsadler, alle behördlich gestempelt. Mit was für einem widerlichen und uralten Schrott sie da arbeiten müssten, was man ihnen staatlich so zumute.
Und nun rufen sie die Wiederauferstehung der Nazis aus und alle zu den Waffen, weil irgendwo ein Polizist ein Radio mit einem Hakenkreuz drauf gekauft habe.
Ich habe mich rumgedreht und noch eine Runde geschlafen.
Als ich lange später wieder aufgewacht bin, kamen wieder Nachrichten. Man hatte in einem Halbsatz ganz kurz erwähnt, dass man in Österreich „mindestens einen Islamisten” verantwortlich machen wolle.
Es sind nicht die Maßstäbe, die mich so besonders ankotzen. Es sind die doppelten Maßstäbe.