Ansichten eines Informatikers

OpenWindows: Microsoft gibt Windows als Quelltext frei

Hadmut
5.4.2008 10:09

So oder so ähnlich könnte vielleicht in ein paar Jahren die Schlagzeile lauten.

Beobachtet man Microsoft beim Umgang mit Windows etwas genauer, erkennt man, daß Windows für den Konzern durchaus nicht mehr unproblematisch ist. Vista kommt nicht hoch, ist im Verkauf ein Ladenhüter und wird vornehmlich dann gekauft, wenn man nicht anders kann, nämlich mit einem neuen PC. Echte Gründe für Vista gibt es nicht. Aber jede Menge Gründe dagegen, wie etwa die gewaltige Ressourcen-Vergeudung, unzählige Software-Probleme und Treiberinkompatibilitäten und eine völlig verkorkste Zielsetzung. Vista ist vollgepumpt mit Lizenz-, Copyright- und Urhebergängelungen, die einfach nur noch nerven. Ich kenne bisher keine Firma, die das im industriellen Einsatz verwendet. Und den graphischen Schnickschnack will eigentlich auch keiner so haben. Wenn man schon (wieder einmal) die Oberfläche von Apple kopieren will, muß man sich schon mehr Mühe geben. Meines Erachtens hat sich Microsoft mit Vista technisch und logistisch übernommen. Das Ding hat eine Komplexität erreicht, die selbst Microsoft offenbar nicht mehr stemmt. Gleichzeitig leidet Vista unter einer Altlasten-Vermüllung, eine Schleppe aus Kompatiblitäts-Zwängen macht es praktisch unmöglich, noch ein brauchbares Betriebssystem zu erstellen. Das zeigt sich schon daran, daß schon lange nicht mehr möglich ist, Windows vernünftig zu verwalten, weder innerhalb, noch außerhalb des Kernels. Schon das DLL-Chaos spottet jeder Beschreibung. Debian hat vorgemacht, wie man ein Betriebssystem mit ordentlichen Packages sauber verwaltet. Und die Strategie, aus Performance-Nöten alles mögliche in einen großen Kernel hineinzupacken, ist auch nicht sinnvoll.

Geld verdient Microsoft – wie ich gehört habe – gar nicht mal mit Windows, sondern mit den Office-Anwendungen und den anderen Diensten und Serviceleistungen für Firmen. Da muß man schon die Frage stellen, ob sich Vista überhaupt rentiert hat, denn der Aufwand dafür war schon enorm. Betrachtet man beispielsweise die eeePC von Asus, fragt man sich, ob Microsoft sein Betriebssystem nicht sowieso schon verschenkt. Zunächst wurde der eeePC mit Linux angeboten. Die nächste Version des eeePC soll wahlweise mit Windows erhältlich sein, aber zum selben Preis wie die Linux-Variante. Bei einem 300-Euro-Notebook kann da nicht mehr viel übrig bleiben. Vielleicht 10 Dollar? Höchstens, eher weniger. Selbst wenn Asus 5 Millionen davon verkauft, der Ertrag reicht nicht, um bei Microsoft die Kaffeemaschinen zu betreiben. De facto wird es schon fast verschenkt.

Und den Windows 2003 Server muß man zum experimentieren nicht einmal mehr raubkopieren oder sich einen illegalen Schlüssel aus dem Internet besorgen. Man kann bei Microsoft das Betriebssystem kostenlos herunterladen und erhält dazu kostenlos einen 180-Tage-Evaluationsschlüssel.

Zudem ist Linux mittlerweile eine ernstzunehmende Konkurenz, auch auf dem Desktop. Ein Ubuntu ist mittlerweile schneller und einfacher installiert als ein Windows mit all seinen Krämpfen, und kommt mit einer vollständigen Software-Ausstattung daher. Immer mehr Normalanwender steigen um, ganze Behörden und Schulbezirke, vor allem Schüler gewöhnen sich frühzeitig an Linux. Auch Sun gibt mittlerweile eine OpenSolaris-Variante heraus, und selbst das kommerzielle Solaris10 schert sich nicht groß um Lizenzabfragen.

Dann gibt es da die Probleme mit dem alten Europa, in dem Microsoft immer wieder teuren Ärger mit den Wettbewerbshütern wegen Offenlegung der Schnittstellen hat. Auch nicht schön.

Auf der anderen Seite ist aber durchaus anzuerkennen, daß Microsoft langsam anfängt, sich zu öffnen und seine Strategie zu ändern. Plötzlich fängt man an, sich an Standards zu halten, legt Dateiformate offen, dokumentiert APIs, flirtet mit der Linux-Welt und dergleichen mehr. Da wurde man offenbar von Erkenntnis geschüttelt.

Ich vermute deshalb, daß Microsoft über kurz oder lang zumindest die grundlegenden Teile von Windows in irgendeiner Form als OpenSource herausgeben wird, wahrscheinlich nur für den Privatgebrauch.

Es könnte aber interessant werden.

6 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
5.4.2008 14:52
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legt Dateiformate offen

Dazu reichen offenbar nicht mal 6000 Seiten.

Und ich hoffe doch eh, daß diese ISO-Abstimmungen ein juristisches Nachspiel haben.


Stefan
5.4.2008 22:35
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Den Anmerkungen zu Vista und EeePC kann ich weitgehend folgen.

Bezogen auf den EeePc fällt mir als Linux-Vorteil auf, daß der gleiche Kernel – mit Modifikationen – für Laptops oder Großrechner verwendet werden kann.
Bei MS scheint mir der Variantenreichtum von Home-Basic bis Ultimate-Professional v.a. ein Marketinginstrument, um bei denen, die es sich leisten können, besonders viel abschöpfen zu können, ohne den Markt der Billigheimer aufgeben zu müssen. Eine schlankes Vista ist Home-Basic aber nicht.
Nur hat der EeePC zuviel Staub aufgewirbelt, als daß MS es verknusen könnte, daß man das Gerät nur mit Linux betreiben kann.
Xp dafür zu verschenken ist also eine Marketinginvestition. Alleine die Meldung, daß es Windows auf dem Eee geben wird, hat wohl weltweit in jedem Magazin eine Schlagzeile gebracht. Das könnte sich gelohnt haben.

Den Medien habe ich auch entnommen, daß MS v.a. mit der Office-Suite Geld verdient.
Und daß in den letzten Jahren v.a. in Firmen investiert wurde, die mit Onlinewerbung zu tun haben.

Wenn sie die OS-Bastion wirklich langfristig verlieren sollten (ich denke das ist noch ein langer, langer Weg) – was hilft ihnen dann ein OpenWindows?
Würde dann ein MS-Office für Linux nicht mehr Sinn haben?

Das sich MS an Standards hält, oder solche offenlegt, hat m.E. gar nichts mit einem Paradigmenwechsel zu tun, sondern mit Urteilen der EU, und der Tatsache, daß sich große Organisationen Gedanken machen, wie sie in 10 Jahren an alte Dokumente rankommen, und offene Formate zwingend in Ausschreibungen vorschreiben.

MS folgt da nur Zwang und Geld.

Ich bemerke also 3 unterschiedliche Symptome:
– MS beugt sich da, wo es muß (Offenlegung des smb-Formats)
– Mit Täuschung (MS-OOXML), Werbung und kleinen Almosen (MS-Open-Source Initiative [Hilf?]) wird der Eindruck, man sei an Offenheit interessiert, in die Welt posaunt.
– Mit Novell etc. geht man Partnerschaften ein, um einmal ein wenig für Gut-Wetter zu sorgen, andererseits aber wohl auch mitzubekommen, was es mit Freier Software überhaupt auf sich hat.

Es ist ja nicht damit getan etwas Quellcode zur Einsicht zu öffnen. Der Umgang mit dem Feedback der Community entscheidet erst, ob man in dieser Community aktzeptiert wird.

Nur bei Punkt 2, der Marketingoffensive, bin ich mir sicher, daß MS sich da langfristig und ernsthaft engagiert.
Und den Gesetzen wird sie nachgeben, soweit sie muß.

Ich denke die Kulturen von MS und FOSS verhalten sich zueinander wie Wasser und Öl – das will sich einfach nicht verbinden.
Dazu müßte MS auch entsprechendes Personal in die Firma holen.


yasar
6.4.2008 9:19
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Ich denke die Kulturen von MS und FOSS verhalten sich zueinander wie Wasser und Öl – das will sich einfach nicht verbinden.

Das heißt einfach nur, daß man den richtigen Emulgator braucht. Dann klappt das schon.


Stefan
7.4.2008 0:03
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@Yasar: Verräts Du uns auch, wie man den Emulgator aus dem Reich der Methapher zurückübersetzt, oder suchst Du selbst noch danach, was das sein könnte?


yasar
10.4.2008 16:52
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Abgesehen davon, daß mein Kommentar eher ironisch gemeint war (ich setze meisten unsichtbare Ironietags), würde das nur funktionieren, wenn man es alle Hersteller wie z.B. auch MS per Gsetz auferlegen würde, alle Schnittstellen zu Ihren System offen zu dokumentieren (ohne Lizenskosten), um die Interoperabilität sicherzustellen. FOSS hätte damit kein Problem und man könnte damit zumindest an proprietäre Software “andocken”.

Aber ich halte die Lobby der Industrie für zu stark, als daß man so ein gesetz durchbringen könnte.


yasar
13.5.2008 18:27
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Zum Thema windows verschenken:

http://www.heise.de/newsticker/meldung/107744