Ansichten eines Informatikers

Operation Personalausweis verspätet, aber erfolgreich abgeschlossen

Hadmut
9.11.2020 14:59

Vom Kampf im Berliner Stadtdschungel.

So.

Nachdem ich mich letzte und vorletzte Woche energisch bei wirklich jedem beschwert habe, der mir eingefallen ist, bekam ich am Freitag einen Termin zur Abholung für heute. Wahrscheinlich ist da irgendwem aufgegangen, dass es einfach viel weniger Aufwand ist, dem Danisch seinen Personalausweis einfach zu geben, als das Theater noch länger durchzuziehen.

Der Termin war übrigens die einzige Reaktion, die ich auf Beschwerden, Anfragen und so weiter bisher bekommen habe.

Kam da also in den Wartesaal, zu meiner Verblüffung wurde meine Terminnummer dann auch pünktlich angezeigt.

Klopf, klopf und eintret…

„Herr Danisch?”

„Ja. Guten Tag, ich möchte gerne meinen Personalausweis abholen.”

„Das haben Dokumentenabholungstermine so an sich…”

Mmmmh.

Ich setze mich. Sie tippt etwas in den Computer und wartet dann grimmigen Blickes.

Es dauert.

Und dauert.

Und dauert.

„Haben Sie den Brief erhalten?”

„Ja.”

Es dauert. Weil ich dann was in meine Tasche gesteckt und dazu zur Tasche gegriffen hatte, meinte sie, ich müsse den Brief nicht vorlegen. Ich sagte, ich habe ihn auch nicht dabei, weil drauf steht, dass man ihn zur Abholung nicht braucht. Immerhin ein Punkt, in dem dann doch Einigkeit besteht.

Es dauert.

Nichts passiert.

Es dauert.

Keiner bewegt sich.

Ich versuche, das Eis zu brechen und die Atmosphäre etwas aufzuhellen, indem ich anlasslos und noch emotionsloser erwähne, dass ich die Gebühr bereits entrichtet habe.

„Ja, das wissen wir.”

Es dauert.

„Der Computer ist heute etwas langsam.” teilt sie mit.

Ich weiß. Sind so wetterfühlig die Dinger. Und so stimmungsabhängig. Manchmal auch einfach nur faul. Oder schlecht gelaunt. Ich verkneife mir den Hinweis, dass es in Anbetracht der Umstände eigentlich „Die Computerin” heißen müsste. Wenn sie doch gerade wieder ihre Tage hat. Ich wage nicht, den Gedanken auszusprechen. Nicht, bevor ich Besitz meines Personalausweises und fluchtfähig bin.

Mich beschleicht der Verdacht, dass an der Berliner Verwaltung einfach alles und immer langsam ist.

„Bitte unterschreiben Sie hier!”

Auf dem LCD-Schirm des Digitalisierungsgerätes erscheint ein Strich mit „Unterschrift”. Sonst nichts. „Damit bestätigen Sie, dass Sie den Brief erhalten haben!”

Nee, tue ich nicht. Da steht nämlich nichts davon. Ich gebe eine Blankounterschrift auf einem Digitalisierungstablett ab, die wofür auch immer verwendet werden könnte. Ich traue mich aber auch nicht, das zu verweigern, ist doch der neue Personalausweis schon in Sichtweite, nahezu greifbar.

„Bitte unterschreiben Sie nochmal!”

Ich sage nichts. Mein Gesichtsausdruck fragt, ob’s denn nicht gut war.

„Sie bestätigen jetzt, dass Sie den Personalausweis erhalten haben!”

Nee, tue ich nicht. Da steht nämlich wieder nur ein Strich und „Unterschrift”, nichts von dem, was ich da unterschreibe.

Ich erhalte endlich den Personalausweis. Mit dem Verbrecherfoto, das deren verdammter Automat von mir gemacht hat, bekomme ich problemlos freien Eintritt in jeden Knast. Nur raus komme ich dann nicht mehr. Am Flughafen werde ich mit dem Foto Ärger bekommen. „Sie haben ja Ihr Doppelkinn gar nicht dabei…!?”

Das seit März geplante und seit Juni betriebene Projekt ist abgeschlossen, und nur eine Woche nach Ablauf des alten Ausweises ist der neue in meinen Händen.

Warum das eigentlich so schwierig sei, einen Termin zur Abholung zu bekommen, frage ich.

Da müsste ich mich bei der 115 erkundigen, so die Antwort. Die vergäben die Termine.

Mit denen hätte ich ja gesprochen, sage ich. Die behaupteten, die würden Termine nur vergeben können, die sie zuvor vom Bürgeramt bekommen haben, und das Bürgeramt gebe ihnen keine, weshalb sie folglich auch keine vergeben könnten.

Nein, das sei Unfug. Die Termine mache die 115 selbst. Im Tonfall tiefer Feindseligkeit.

Ich ahne, am Kern des Problems angekommen zu sein. Wenn Bürgeramt und die Behördennummer 115 beide überzeugt sind, dass es alleinige Aufgabe des jeweils anderen sei, Termine zu machen, damit man sie dann auch vergeben kann, ist das eigentlich logisch, dass sie ohne Termine dasitzen und keine vergeben können. Weil es ja keinen gibt, der die Termine überhaupt erst mal macht, damit man sie dann vergeben könnte.

Sozialismus. Jeder wartet auf Lieferung, aber keiner stellt’s her.

Der Brüller daran ist ja, dass der Personalausweis in der Bundesdruckerei hergestellt wird. 300 Meter von meiner Wohnung entfernt.