Ansichten eines Informatikers

Ascom – Bosch – Motorola

Hadmut
12.11.2020 19:28

Leser fragen nach Hintertüren – Danisch weiß es auch nicht so genau.

Ein Leser fragt zum Artikel über das Behördenfunkgerät mit Crypto-AG-Hintertür SE-160 , was denn eigentlich der Grund sei, dass Bosch damals die Sparte von Ascom aufgekauft, die Geräte auch selbst gefertigt, und die dann an Motorola weiterverkauft habe.

Denn Mitarbeiter von Bosch hätten sich damals doppelt gewundert. Nämlich einmal, warum man Ascom-Firmeneile gekauft habe, die würden doch nicht in den eigenen Laden passen.

Und auch das Gerät SE-160 selbst sei zwar nicht schlecht, aber auch nicht auffällig gut, so mittelprächtig durchschnittlich, aber eigentlich nicht markt- und konkurrenzfähig, weil in der Fertigung so teuer, dass man damit am Markt überhaupt kein Geld verdienen könne. Irgendwas war an dem Ding fertigungstechnisch nicht auf dem Stand der Zeit und das Ding wohl gar nicht für Massenproduktion ausgelegt. Zumal es Vorgaben gab, welche Geräte an alle und welche nur an bestimmte Staaten verkauft wurden.

Weiß ich nicht.

Das heißt, so ein paar Sachen kann ich mir vorstellen. Die hatten ja damals drei Sicherheitsklassen: Sicher, mit Aufwand abhörbar, trivial abhörbar. Und hatten die streng eingeteilt, welches Land welche Geräte bekommen darf. NATO-Länder theoeretisch bis zu den guten, der ganze Bereich Ostblock, UDSSR, arabisch nur die ganz schlechten, und der Rest so zwischendrin. Hatte ich ja in irgendeinem Blogartikel schon erwähnt. Das wird auch da so gewesen sein.

Die Umstände deuten darauf hin, dass es

  • nicht darum ging, damit Geld zu verdienen,
  • womöglich aber darum ging, Ascom an die Amerikaner zu schleusen, so dass das nicht so direkt auffiel.

Nun müsste man wissen, wann das war. Denn irgendwann sei der BND ja aus der Crypto AG ausgestiegen. Die Crypto AG gehörte angeblich – zumindest in wesentlichen Teilen – damals wohl Siemens. Siemens und Bosch stecken jedenfalls bei Waschmaschinen unter einer Decke, die Bosch-Waschmaschinen werden mit nur leichten Designänderungen auch als Siemens verkauft. Oder wurden mal. Ich wollte mir nämlich 1999 beim Umzug in Karlsruhe eine neue Waschmaschine kaufen, hatte mir eine Siemens rausgesucht und sie dann woanders als Bosch billiger entdeckt. (Die ist übrigens gut, die habe ich immer noch, schon dreimal mit umgezogen.) Und was Waschmaschinen recht ist, kann Kryptotelefonen mit NSA-Backdoor ja nur billig sein.

Die Frage ist also, ob das zeitlich mit dem (angeblichen) Rückzug des BND von der Crypto AG zusammenfällt. Ob man da einfach seinen Kram mitgenommen hat.

Denn so ganz jungfräulich rein kann die Ascom ja nun auch nicht sein, wenn sie da Chips von der Crypto AG drin hatte, obwohl nicht so ganz klar ist, ob die da wussten, was es mit denen auf sich hat. Aber spätestens dann, wenn es Vorgaben gibt, welche Versionen an welche Länder verkauft werden dürfen, muss einem doch so das eine oder andere Licht aufgehen. Oder man Geräte verkauft, mit denen man kein Geld verdienen kann. Zumal das ja wohl auch nicht so zufällig zustandegekommen sein wird.

Was wir ja nun von anderen Webseiten wissen, ist, dass BND und CIA darüber angeblich in Krach geraten sein sollen, ob man den Niederländern Geräte mit oder ohne Backdoor verkauft. Angeblich habe der BND den Nachbarn nicht kompromittieren wollen (kar, und ich bin James Bond, denn warum haben sie dann Österreich abgehört?) Die Amerikaner hätten sich durchgesetzt.

Da drängt sich der Gedanke auf, dass dieses Durchsetzen der Amerikaner gegenüber dem BND mit dem Weiterverkauf der Sparte von der deutschen Bosch an die amerikanische Motorola zusammenfallen könnte. Es liegt da vielleicht so ein Aroma von „Macht Euern Scheiß alleine” in der Luft. Vielleicht aber auch umgekehrt. Vielleicht haben die Amerikaner gefordert, das Zeug herauszugeben.

Es gibt da übrigens eine Meldung von 1994 dazu:

BERN/STUTTGART (CW) – Die im Dezember 1993 angekuendigte Allianz im Betriebsfunkbereich zwischen der Robert Bosch GmbH und der Ascom Holding AG ist nun nach Angaben des Schweizer TK-Unternehmens unter Dach und Fach. Danach uebernimmt die Robert Bosch GmbH zum 1. Juli 1994 70 Prozent der entsprechenden Anteile an der Ascom- Tochter Radiocom AG. Die Eidgenossen konnten im Geschaeftsjahr 1993 in Sachen Betriebsfunk einen Umsatz von knapp 240 Millionen Mark erzielen, der in Berlin ansaessige Bosch-Geschaeftsbereich Funktechnik kam auf rund 280 Millionen Mark. Das Gemeinschaftsunternehmen, das den Namen Ascom Radiocom AG beibehaelt, will alle bestehenden vertraglichen Verpflichtungen einhalten.

Was verblüffend dazu passt, dass der BND 1993 bei der Crypto AG ausgestiegen sein soll, das riecht geradezu danach, als hätten die da ihren Krempel mitgenommen. „Vertragliche Verpflichtungen einhalten”. Hahaha. Klar. Wartung für die faulen Geräte aufrechterhalten oder sowas.

Was ich dann nun aber erst mal nicht verstehe, ist diese Meldung von 2002:

Ascom hat rückwirkend auf den 1. April den Kauf von Motorolas Produktbereich für Tunnel- und Inhouse-Communication (TIC) bekanntgegeben. Der Bereich TIC ist für sichere Funkkommunikation in Tunneln und Gebäuden tätig. Ascom übernimmt mit der von Bosch Telekom stammenden und 1997 von Motorola übernommene Sparte 8 Mitarbeitende in Deutschland und 3 in der Schweiz, Schlüsselkomponenten für Tunne- und Inhouse-Kommunikation und alle Kundenprojekte.

Die mehr als 100 TIC-Anlagen sind im Einsatz bei Verkehrsbetrieben (z.B. SBB, Rhätische Bahn, Deutsche Bahn und französische Staatsbahnen SNCF), bei Strassenbauämtern und Tunnelbetreibern, Flughäfen und Industriebetrieben. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. (mh)

„Sichere” Funkkommunkation. Ah, ja. Verstehe.

Oder nein, so ganz verstehen tue ich das jetzt nicht.

Haben sich da Ascom, Bosch und Motorola da die Firmenteile ständig im Kreis herum verkauft? Oder der Schweizer, der deutsche und der amerikanische Geheimdienst?

Oder hat man dann im Streit 1997 Teile von Bosch an Motorola abgegeben, und die Amerikaner meinten dann 2002, dass die eigentlich wieder in der Schweiz bei Ascom am besten aufgehoben seien?

War jedenfalls eine heiße Zeit, so um 1997/1998. Da war die Luft bleihaltig. Vor allem für Doktoranden.