„Betriebsfrieden”
Ein Rechtsanwalt schreibt mir.
Ich hatte doch vorhin diese Ugah-Ugah-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommentiert, und darin (ohne das jetzt nachzulesen, so aus meinem Allgemeinwissen) auch geschrieben, dass es zum Arbeitsvertrag gehört, den „Betriebsfrieden” zu wahren.
Dazu hat mir ein Jurist geschrieben, der früher als Fachanwalt für Arbeitsrecht im kollektiven Arbeitsrecht tätig war (und sagt, er habe mal tonnenweise Literatur dazu gehabt, besitze die aber nicht mehr, aus irgendwelchen Gründen hat er die wohl zurückgelassen. Ich vermute, Kanzlei verkauft, Ruhestand oder irgendsowas).
Er schickt mir einen Scan einer Passage (leider ohne genaue Quellangabe) eines „Werks zum Kündidungsrecht”, das ich mangels Quellenangabe hier nicht als Abbildung wiedergeben kann, in dem aber unter anderem steht
Betriebsfrieden
Der bislang weder durch die Rechtsprechung noch durch das Schrifttum eindeutig geklärte Begriff des Betriebsfriedens ist abhängig und wird bestimmt von der Summe aller derjenigen Faktoren, die – unter Einschluss des Betriebsinhabers (AG) – das Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ermöglichen, erleichtern oder auch nur erträglich machen. […]
Zur arbeitsvertraglichen Treuepflicht eines Arbeitnehmers gehört es, den Betriebsfrieden zu wahren, das heißt mit dem Arbeitgeber und den Arbeitskollegen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, deren Privatsphäre zu achten und private Konflikte nicht in den Betrieb zu tragen.
Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, woher ich mein Wissen habe und auch nicht an eine bestimmte Formulierung als Definition, sondern mehr so die Zielrichtung, dass man ja Geld dafür bekommt, im Betrieb zu arbeiten, und dazu eben gehört, diesen Zweck auch verwirklichen zu können, was ja nicht geht, wenn einer rumstänkert und die anderen nicht mit ihm zusammenarbeiten können. So einfach als Teil der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung, die nach Treu und Glauben zu erbringen ist.
Nun schreibt mir der Jurist, dass da bei ihm eine schrille Alarmglocke läutet.
Da wird also auf das „Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen abgestellt. Aha.
Nun muss man aber wissen, wo dieser Gedanke herkommt. Er kommt aus der Lehre vom der sog. „Betriebsgemeinschaft“. Der Begriff wird heute nicht mehr verwendet. Und dreimal darfst Du raten, wo er herkommt. Richtig geraten. Er wurde von den Nazis im Dritten Reich entwickelt und formvollendet um damit eine dogmatisch-ideologische Barriere zum aufgekommenen gewerkschaftlichen Treiben und zu den in der Weimarer Republik erstarkten Betriebsräten zu schaffen.
Die Betriebsgemeinschaft entstammt dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit ( gibts sogar in der Müllkippe: https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Ordnung_der_nationalen_Arbeit ). Sämtliche Betriebsvertretungen wurden beseitigt und stattdessen der so genannte Vertrauensrat ernannt. Die soziale Ehre der Betriebsgemeinschaftsmitglieder wirde zu einem zentralen Betriff idealisiert. Und die Betriebsgemeinschaft war geboren.
Und genau daraus hat sich später in der Nachkriegszeit der Gedanke des Betriebsfriedens entwickelt.
Witzig, dass gerade das jetzt eine Rolle in der von Dir angeführten Entscheidung spielt, gelle?
Oh! Oooooh! Oaaah!
Das wusste ich jetzt auch noch nicht. Der Betriebsfrieden als Überbleibsel nationalsozialistischen Arbeitsrechtes, eben sozialistische Arbeitsorganisation, und anscheinend gemacht und gebaut, um kommunistische Agitatoren rauszuwerfen.
Wieder mal erstaunlich.