Die Verbullshitjobisierung des Journalismus
Der Übergang der Journalisten in die völlige Überflüssigkeit und Nutzlosigkeit bei vollem Lohn- und Wichtigkeitsausgleich.
Vor einigen Jahren schon hatte ich eine Reihe von Blog-Artikeln über die sogenannten Bullshit-Jobs.
Bullshit-Jobs ist ein Begriff für eine Kategorie von Pseudotätigkeiten, für die man Stellen, Bezeichnungen, Hierarchien schafft und Leute für deren Innehaben bezahlt, obwohl sie da gar nichts tun oder niemand das, was sie da tun, irgendwie brauchen könnte.
Da wir längst an dem Punkt angekommen sind, an dem die Gesellschaft von meiner Schätzung nach nur noch 20% der überhaupt noch Berufstätigen erwirtschaftet werden – ich hatte mal geschätzt, dass es dabei je etwa 10% körperliche und geistige Arbeiter sind – dann vielleicht noch ein paar „braucht man nicht wirklich, aber ein paar Vorteile hat es schon” wie gerade die Künstler und Unterhalter, und dann eben ganz viele, die wirklich überhaupt gar nichts mehr machen, was noch irgendwer würde haben wollen.
Gender-Studies, die meisten Quotenfrauen, erstaunlich viele Beamte, nahezu alle Politiker. Nicht wenige Professoren. Nonnen. Soziologen, Politologen und Kulturwissenschaftler. Dorothee Bär.
Die FAZ grämt sich gerade ob des Umstandes, dass auch der Journalismus gerade auf dem Weg dahin ist, und der Umstand, dass die Bundesregierung ansetzt, die Print-Presse zu finanzieren, und rot-rot-grün samt Merkel-schwarz versucht, den Rundfunk noch mehr mit Geld vollzupumpen.
Vor einem halben Jahr hat Microsoft Dutzenden Journalisten, die für die News-Abteilungen des Unternehmens tätig waren, gekündigt. Ihre Arbeit, die Kuratierung von Nachrichten auf der Plattform MSN, schrieb zuerst der „Business Insider“, werde künftig von Künstlicher Intelligenz übernommen. Massiv investiert hat Microsoft zugleich in das Unternehmen OpenAI, dessen avancierte Sprach-Software GPT-3 jüngst viel Aufmerksamkeit erregte. Beides scheint die nicht nur von um ihre Arbeit bangenden Journalisten befürchtete Entwicklung zu bestätigen, dass die vierte Gewalt zunehmend durch Roboter-Journalismus ersetzt werden könnte.
Ob KI das dann besser macht als die bisherigen Journalisten, bliebe abzuwarten. Schlechter geht wohl nur schwer. Immerhin dürfte KI bis auf weiteres wohl nicht in der Lage sein, einen noch außerhalb der Presse zu verleumden oder zu verklagen. Insofern würde ich den Schritt begrüßen.
Vielleicht dürfte es auch für Arroganz, Hybris, Selbstverständnis der Journalistenschaft überaus heilsam sein, wenngleich auch mit psychischem Totalschaden einhergehen, ihnen ihre Beliebtheit von Null und ihre Unerforderlichkeit plastisch vor Augen zu führen.
„From Gatekeeping Power to Extinction Panic?“ fragte in diesem Sinne die vom Kölner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik gemeinsam mit WDR 3 ausgerichtete Konferenz „Cologne Futures 2020“. Die Antwort, um es kurz zu machen, lautete: keineswegs! Es gebe zwar Bereiche, in denen ein Algorithmus publizierend wirken könne – Wetter-News, wohl auch die Promi-Meldungen bei MSN –, die aber wollte man in Köln kaum dem Journalismus zurechnen. Kreativität in Recherche und Darstellung sei von iterativ vorgehenden Programmen nicht zu erwarten. Systemrelevant sei im KI-Zeitalter vor allem: der Mensch.
Sagen wir es so: Es stimmt schon, dass die Journaille gewisse Kreativität an den Tag legt. Die der Kategorie Relotius. Oder die der kreativ ständig wechselnden Maßstäbe und Begründungen. All diese Kategorien fallen bei mir aber in die Oberkategorie Sondermüll. Sprachliche Kreativität oder auch nur eine Diversität der Aufassungen vermisse ich weitgehend.
Einig war man sich auch darüber, dass mit den sozialen Netzwerken die Fluttore für alle Arten von Nachrichten – echte, halbe, falsche – geöffnet worden seien.
Als ob die Presse selbst nur Edles schreiben würde.
Erstaundlicherweise kam man bisher mit der Dummheit durch, das alles „soziale Netzwerke” abzutun. Davon, dass sich der Markt, die Nachfrage, ein Angebot geschaffen hat, das die alten Medien nicht bedienen wollen oder können, ist nie die Rede.
Nun wäre es genuine Aufgabe des Journalismus, gegen Verzerrungen anzuschreiben, auf Basis gesicherter Fakten, die sich eben auch mittels Künstlicher Intelligenz sammeln lassen, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Wiebke Loosen beschrieb.
Und?
Erfüllen Journalisten diese Aufgabe?
Meines Erachtens nämlich nicht.
Wenn das die Aufgabe ist, die Journalisten noch von KI abhebt, dann sind sie überflüssig, dann können sie weg, denn die erfüllen sie nicht.
Damit war passiert, was meist passiert, wenn über die Zukunft des Journalismus gesprochen wird: Es drehte sich bald alles um die Tech-Firmen aus dem Silicon Valley, so als sei die Selbstaufgabe des unabhängigen Journalismus längst beschlossene Sache. Die stellvertretende Entwicklungschefin des „Spiegel“, Christina Elmer, hielt noch ein wenig dagegen: „So schlecht geht‘s uns nicht mit dem Digitalen.“ Man wolle allerdings mehr Leute auf eigene Plattformen holen. Der Medientheoretiker und Journalist Lutz Hachmeister, Gastgeber der Konferenz, war sich indes sicher, dass die Zeit der starken Eigenmarken vorüber sei, auch wenn es heute besseren Journalismus gebe als etwa 1960.
Dann bin ich mal gespannt, was danach kommen soll.
Viel wichtiger aber sei, wieder eine echte Vielfalt der Angebote auf dem Medienmarkt herzustellen statt wenigen Weltkonzernen die Distribution von Nachrichten zu überlassen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe, Vorsitzende der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“, war da kleinlaut: „Ich glaube nicht, dass das so realistisch ist. Was wir ja sehen, sind massive Monopolisierungstendenzen. Sie beruhen darauf, dass man eben den Zugriff auf die Daten hat.“ Regulierung sei der Weg der Wahl. Gegen die Marktmacht von Oligopolen und Monopolen vorzugehen, hält sie für aussichtslos: „Wer soll denn da kommen?“ Auf die aufgebrachte Antwort Ramges, das sei Aufgabe der EU, zuckte die Politikerin mit den Achseln: Die Enquete meine, dass es „relativ unrealistisch“ sei, „ein europäisches Google oder Facebook“ aufzubauen. Man solle KI-Kompetenzen in „anderen Bereichen“ anstreben. Selten zeigte sich die Selbstaufgabe von Politik so unverblümt wie hier.
Na, vor allem hat man den Journalismus so gegen die Wand gefahren, dass er nicht mehr konkurrenfähig ist. Das Produkt Journalismus hat sich durch blanke Dummheit, mehr noch, einen exzessiven Dummheitskult, einfach selbst erledigt.
Der wesentliche Knackpunkt ist, dass man durch die Digitalisierung nicht mehr so viele Leute braucht, die dasselbe in viele örtliche Zeitungen drucken. Und man sie ansonsten auch nicht braucht.
Der Journalismus hat es einfach versäumt, etwas zu schreiben, was man auch noch lesen will.