Nochmal zur Sabotage eines Forschers durch den Geheimdienst
Wo wir gerade bei migrantischen Forschern sind. [Nachtrag]
Ich hatte doch vor einer Woche schon mal angesprochen, dass in Sachsen rauskam, dass der Geheimdienst da einem Wissenschaftler die Karriere abgesägt und der SPIEGEL darüber berichtet hatte (wer hätte noch damit gerechnet, dass der SPIEGEL doch noch etwas zitierwürdiges bringt), und das hinter Paywall war.
Aber wenn es darum geht, wie finstere Sachsen arme Migranten schädigen, dann sind die vom SPIEGEL wieder ganz vorne mit dabei.
Inzwischen liegt mir der Artikel vor, und weil ich es doch gerade von dem Berliner Fall hatte, in dem man einen Schwindler politisch hochgedonnert hatte, kann man jetzt auch mal den Fall zeigen, in dem man einen runtergemacht und vernichtet hat.
Ein muslimischer Wissenschaftler wurde von sächsischen Agenten ins Visier genommen – er verlor mehrere Jobs, bezog zeitweise Hartz IV. Sein Anwalt vermutet rassistische Motive.
Der junge Ingenieur muss sich wie in einer Erzählung Franz Kafkas vorgekommen sein. In einer Welt, die sich gegen ihn verschworen hat und die seine Existenz zerstört. Ohne dass ihm jemand erklärt, warum das alles passiert.
Dieser Mann, der hier Khalid Mahmoud heißen soll, war als Nachwuchswissenschaftler aus dem Nahen Osten gekommen. An einer sächsischen Universität fand er eine Anstellung, die nach einigen Jahren jäh endete. Zwei weitere Jobs verlor er unter ebenfalls merkwürdigen Umständen.
Er suchte nach Gründen. Das Mysterium wurde zu seinem zweiten Forschungsprojekt. Es dauerte Jahre, dann wusste der Mann, dass der Staat ihn für verdächtig hält und ihm nachgestellt hatte.
Der Verfassungsschutz des Freistaats Sachsen steht am Ende der Recherchen als Gesetzesbrecher da. Sachsen zahlte dem Wissenschaftler Anfang 2020 nach Vergleichsverhandlungen eine so hohe Entschädigung, wie sie wohl noch nie in Deutschland in einem solchen Fall durchgesetzt wurde: 145.000 Euro. Aber ist das genug für die Zerstörung einer Karriere?
Das hört sich an wie bei mir, nur dass ich als weißer Mann eben keiner geschützten Minderheit angehöre, mir nie einer geholfen hat und ich nie eine Entschädigung bekommen habe.
Mahmoud hat in einem arabischen Land studiert und später in Niedersachsen zum Dr.-Ing. für Maschinenbau promoviert. Abschluss: sehr gut. 2006 ging der Ingenieur an eine traditionsreiche sächsische Universität. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Institut, war Projektleiter, betreute Doktoranden und Masterstudenten. Eine normale Karriere im universitären Betrieb.
Nein, nicht normal.
Wenn man das mit dem Fall vergleicht, den ich eben von der FU Berlin bebloggt hatte, und meine eigenen Uni-Erfahrungen dazumischt, dann wird klar, dass man so in dem Zeitraum versucht hat, die Forschungslandschaft auf „Diversität” zu trimmen und ganz gezielt ausländische Studenten und Absolventen in die deutschen Universitäten gepflanzt hat.
Bis zum Jahr 2011. Da lief sein Vertrag aus, die Universität verweigerte ihm den vorgesehenen neuen Dreijahreskontrakt. Dass Verträge befristet sind und mitunter nicht verlängert werden, ist an Hochschulen alltäglich. Doch dieser Fall war merkwürdig. Eine Begründung erhielt Mahmoud laut seinem Anwalt nicht, sein Institutsdirektor war offenbar selbst ahnungslos – oder tat zumindest so.
Der Professor brachte den jungen Mann an einem selbstständigen Institut der Uni unter. Diesmal war schon nach der Probezeit Schluss, die Gründe blieben erneut unklar. Khalid Mahmoud ging danach an ein angesehenes privates Institut in Sachsen. Noch in der Probezeit erhielt er auch hier die Kündigung, dazu ein Hausverbot. Eine Erklärung, sagt der Anwalt, habe es wiederum nicht gegeben.
Ja, das kommt mir bekannt vor, dass da solche seltsamen Dinge vor sich gehen.
Der Wissenschaftler konnte nicht dagegen vorgehen, Kündigungen in der Probezeit sind schwer zu beanstanden. Mahmouds finanzielle Lage war schwierig, er muss drei Kinder ernähren. Innerhalb von fünf Jahren schrieb er rund hundert Bewerbungen, 2012 bezog er Hartz IV. Er schlug sich als freier Ingenieur durch und versuchte über die Ausländerbehörde und den Ausländerbeauftragten in Sachsen, seinen unsichtbaren Feind zu finden, wie Anwalt Giesen erzählt. Fündig wurde er nicht.
Kinder hatte ich nicht, Hartz IV auch nicht, aber sehr bekannt kommt mir das schon vor: Finanziell hat mir das damals auch zugesetzt, und vor allem dieses: Den unsichtbaren Feind zu finden. Genau das.
Dann übernahm der sächsische Datenschutzbeauftragte den Fall. Seine Behörde kann auch das abgeschottete Landesamt für Verfassungsschutz kontrollieren – und fand dort eine erste Spur. Mahmouds Anwalt Thomas Giesen kannte sich damit aus, er war eine Dekade lang selbst Sachsens oberster Datenschützer. Sein Mandant war offenbar ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, weil er sich an seiner Uni in einem Arbeitskreis muslimischer Studenten engagiert hatte.
Wenn man natürlich über die richtigen Beziehungen in die richtigen Kreise verfügt…
Ins Visier der Nachrichtendienste war ich als Kryptologe ja auch geraten.
Hinweise aus Sicherheitskreisen legen den Verdacht nahe, der Araber Mahmoud könne wegen eines Artikels in der Lokalzeitung aus dem Jahr 2007 ins Visier des Nachrichtendienstes geraten sein. Es geht darin um einen bevorstehenden Tag der offenen Tür an der Uni-Moschee, an dem Vorurteile gegenüber dem Islam abgebaut werden sollen. Nur in drei Sätzen taucht Mahmoud in dem Artikel auf. Es heißt darin, er habe im Freitagsgebet über das Zusammentreffen des Propheten mit einem elfjährigen Mädchen gesprochen und empfohlen, auf Gottes Gebote zu hören.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung kann von dieser Aussage nicht bedroht gewesen sein. Anwalt Giesen fasst es so zusammen: Sein Mandant sei »wegen seiner gelegentlichen Tätigkeit als Vorbeter in einem mit Mitteln der Universität geförderten Studentenklubs« als extremistisch eingestuft worden. Laut Jurist Giesen sei der Verfassungsschutz offenbar zu folgendem Schluss gekommen: »Der Klub sei ein Ort der Radikalität und des Extremismus, der Betroffene einer der Hauptdrahtzieher.«
Wenn das schon genügt: Was machen sie dann mit einem, der Abhörprojekte wie die Schweizer Crypto AG gefährden könnte?
Wie der Nachrichtendienst zu dieser Erkenntnis hätte gelangen können, bleibt unklar: Die Akten sind an den entscheidenden Stellen geschwärzt. Giesen spricht von einem »Gebräu aus Vermutungen, sprachlich verdrehten und nur mittelbar erhobenen üblen Nachreden und Gerüchten«.
Der sächsische Datenschützer hat in seinem Bericht, der ursprünglich als vertrauliche Verschlusssache eingestuft war, den Fall in Teilen nachvollziehen können. Demnach hatte der Verfassungsschutz dem Kanzler der Uni, an der Mahmoud arbeitete, eine Zusammenfassung der Sicherheitsbefragung des Wissenschaftlers bei der Ausländerbehörde gegeben und damit erste Zweifel gesät.
Monate später habe sich der Kanzler dann schriftlich an den Verfassungsschutz gewandt mit der Frage, »ob Gründe gegen eine Weiterbeschäftigung bestehen«. Schriftlich mochten die Geheimen das nicht beantworten, aber es gab ein Gespräch zwischen dem Rektor, dem Kanzler, dem Lehrstuhlinhaber und dem Verfassungsschutz. Die Teilnehmer wurden auf Verschwiegenheit und Vertraulichkeit hingewiesen. Und: Der Forscher Khalid Mahmoud wurde »im Ergebnis an der Uni nicht weiter beschäftigt«.
Und das würde exakt beschreiben, warum sich die Uni mir gegenüber damals so seltsam verhalten hat:
Sie sagten ja, es gehe gar nicht um den Doktor, den könnte ich für die Visitenkarte haben, wenn ich mich durchfallen lasse, in dem ich künstlich Fehler in die Dissertation einbeaue, und mich dann schriftlich verpflichte, im zweiten Versuch mit der schlechtesten Note vorlieb zu nehmen, damit ich dann „Dr.” heiße, aber niemals irgendwo unterkommen werde, weil es darum ginge, mich komplett aus der Karriere rauszuschießen.
Der Professor, der mir das damals als Mittelsmann sagte, und mir durchaus wohlgesonnen und von einer anderen Fakultät war, sagte mir damals, dass er das auch nicht verstehe, aber nicht mehr tun könne, als mir die Botschaft zu überbringen. Ich habe schon überlegt, ob der sich vielleicht verplappert hat, und das nur zur Erklärung an ihn, aber nicht zur Weitergabe an mich gedacht war, er das nur eben nicht verstanden hatte (oder einfach nicht mitspielte und mir den Wink gab).
Das würde exakt dazu passen, dass die Geheimdienste Leute aus den Unis schießen und die Unis mit den Geheimdiensten darüber sprechen, wer Karriere machen darf und wer nicht.
Kurios daran ist ja, dass ich damals zum geplanten Promotionstermin gekündigt hatte, die Uni mich aber mit allen Mitteln im Vertrag zu halten versuchte. Rückblickend betrachtet könnte das damit zusammengehangen haben, dass ich einen Dreijahresvertrag hatte und den auf Weisung des Geheimdienste nicht hätte kündigen können – nur eben nicht verlängern.
Der Datenschützer moniert, die Weitergabe der Erkenntnisse des Dienstes an die Uni seien gesetzlich nicht gedeckt gewesen. Der Verfassungsschutz behauptet in einer Stellungnahme treuherzig, ihm sei »nicht bekannt, ob und in welcher Weise sich die Informationsübermittlungen auf die Arbeitsverhältnisse ausgewirkt haben«.
Es wäre auch die Frage, in welcher Weise die Geheimdienste auf Prüfungsergebnisse einwirken können.
Nur bekommt man in Deutschland auch keine Hilfe mehr, wenn man nicht unterdrückte Frau, unterdrückte Transe oder unterdrückter Migrant ist.
Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Anwalt Giesen glaubt, die Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz hätten einst »absichtlich und aus den in Sachsen leider üblichen niedrigen Beweggründen« die »Karriere eines Wissenschaftlers unterbrochen«. Was er meint, ist Rassismus. Und er verlangt weitere Aufklärung.
Rassismus.
Und das ist dann auch der Grund, warum sich Anwälte, Datenschützer, Medien darum kümmern.
Das habe ich halt nicht, und über die Machenschaften in Sachen Abhören und Kryptographie berichten unsere regierungstreuen Staats- und Befehlsempfängermedien bekanntlich nur sehr dünn und zurückhaltend. Viel hat man ja zur Crypto AG nicht gelesen. Und wenn, dann die Frage, warum die Regierung dadurch von Menschenrechtsverletzungen in sonstwo erfahren und nichts dagegen unternommen hatte.
Nachtrag: Mehr dazu im Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten, Seite 79 bis 82.