Die Gigabit-Gesellschaft
Das Geschwätz der SPD.
"Ich will, dass Deutschland eine Gigabit-Gesellschaft wird!", sagt unser Kanzlerkandidat @OlafScholz.
👉 Seine Rede zur Jahresauftaktklausur in voller Länge: https://t.co/lSPNaSkISM pic.twitter.com/Qf0MVQNzIs
— SPD Parteivorstand 🇪🇺 (@spdde) February 9, 2021
Die SPD will Gigabit für jeden.
Schön.
Hört sich so ein bisschen an wie e-Auto für jeden, ohne sich zu überlegen, wo der Strom herkommt.
Zwar ist es sicherlich kein Fehler, Netzwerktechnik gleich so auszubauen, dass sie auch noch 10 oder 20 Jahre hält, aber ich frage mich als Informatiker schon, ob die überhaupt verstehen, was die da reden. Normale PCs haben derzeit für den LAN-Anschluss, also das lokale Netz, Gigabit-Ethernet-Anschlüsse, aber nur die wenigsten PC sind tatsächlich auch in der Lage, die zu nutzen. Und in den Privathaushalten wird heute vieles nur per WLAN angeschlossen. Als ich hier eingezogen bin, gab es (Neubau) eine Kat-5-Verkabelungen in den Wohnungen, die aber aus Kostengründen nicht ganz fertig gebaut worden war, das Patchfeld fehlte und es war nicht einfach, einen passenden Switch für den dafür viel zu kleinen Sicherungskasten zu finden. Neulich kamen hier mal die Elektriker rum, weil 5 Jahre nach Erstbezug die Elektrik durchgeprüft werden musste, ob die Steckdosen noch alle richtig sitzen und so weiter. Der guckte sich das bei mir an und sagte verblüfft, dass ich im gesamten Wohnblock der einzige sei, der das fertiggebaut und in Betrieb genommen habe. Und selbst ich hatte lange Zeit nur einen 30MBit-Anschluss, und haben den aus Anlass von Corona und Homeoffice erst auf irgendwas schnelleres hochgerüstet, aber nur des Uploads wegen, nicht des Downloads. Im Download hätten mir die 30MBit eigentlich gereicht. Nun zeigt mir mein Router zwar 287,5 Mbit/s als für den Download ausgehandelt an, aber so wahnsinnig viel schneller fühlt sich das auch nicht an, weil es ja auch nichts nutzt, wenn nur die Verbindung zum nächsten Anschlusspunkt des Providers (CMTS) so schnell ist, aber dann das WAN des Providers nicht mehr hergibt.
Nun kann man zwar auch sagen, dass „Gigabit-Anschluss” nur ein kategorieller Begriff der Größenordnung ist, und 287,5 Mbit/s in diese Größenordnung fallen (wenn ich mich jetzt recht erinnere, hatte mein allererster DSL-Anschluss noch sowas um die 600kBit/s und ich jubelte über die Verzehnfachung gegenüber ISDN), aber so ganz sicher bin ich mir nicht, was normale Haushalte derzeit mit einem Gigabit-Anschluss machen sollten. Gut, wenn man jetzt unterstellt, dass eine Familie mit fünf Kindern dran arbeitet und beide Eltern Home-Office und die Kinder alle Home-Schooling machen, könnte man schon in diese Größenordnungen kommen, aber das hilft einem dann auch nichts, wenn dann die WAN-Infrastruktur des Providers das nicht hergibt.
Die Frage ist aber, ob es nicht realistischer wäre, zunächst mal die vorhandenen Telefonkabel zu nutzen und erst mal daran zu gehen, jedem wenigstens 50 oder 100 MBit/s zu gewährleisten? Denn viele haben ja nicht mal das. Manche wären ja schon über 1 MBit/s froh.
Denn wenn man jedem 1GBit/s zusichern würde, wäre das in meinen Augen sogar kontraproduktiv. Dann nämlich könnten sich die Provider darauf zurückziehen, erst mal Stadtbewohnern wie mir die Aufrüstung von meinen derzeitigen 287,5 Mbit/s auf 1GBit/s anzudrehen, obwohl ich die gerade wirklich nicht brauche, anstatt sich erst mal um die zu kümmern, die praktisch gar nichts haben. Ich habe eine Freundin, die draußen auf dem Land wohnt, und inzwischen 10km zum nächsten Supermarkt fahren muss, weil die einige dicht gemacht haben. Die hatte auch lange Zeit so einen Tröpfeles-Anschluss, bei dem immer die Telefonverbindung abbrach, wenn sie währenddessen eine E-Mail bekam.
Ich halte das Geschwätz der SPD für reines Wahlkampfgetöse. Blablabla.
Ich hielte es für weitaus sinnvoller, einen gestaffelten Zeitplan zu machen:
Jahr x: Jeder 50MBit/s
Jahr x+3: Jeder 100 MBit/s
Jahr x+5: Jeder 300 MBit/s
Jahr x+8: Jeder GBit/s
und so weiter, sonst Verlust der Zulassung oder sowas.
Dann nämlich würden die Firmen gezwungen, erst mal da auszubauen, wo es noch völlig fehlt, sich aber nicht so lohnt. Und dann würden die auch da hochrüsten, wo sie neu aufbauen, weil die ja wissen, wie lange ihr Zeug halten muss, bis es ersetzt wird, und sich dann überlegen können, ja, dann machen wir da am besten gleich irgendwas mit GBit hin. So aber können sie sich in die Städte zurückziehen und sagen „Ja, wir bauen ja schon die ganze Zeit…”
Und wenn man dann hört, dass Home-Schooling nicht funktioniert, weil sich in manchen Familien vier Schulkinder ein Tablet teilen müssen, fragt man sich dann auch, was die mit 1GBit/s sollen.