Ansichten eines Informatikers

Das Verlangen nach Holocaust-Teilhabe durch Nazi-Hausbesuche und Zeitreisen

Hadmut
27.2.2021 21:51

Vom Obszönen zum Perversen durch Identitäts- und Opferpolitik.

Ich habe gestern was vergessen. Für den Artikel über das dumme Kolonialgeschwätz der Grünen hatte ich eigentlich noch eine gehässige Bemerkung vorgehabt, sie beim Schreiben aber dann doch vergessen.

Ich wollte darauf hinaus, dass dieser ganze Kolonialhokuspokus eigentlich nur der Versuch ist, den Holocaust diskursiv und definitorisch noch mal aufzumachen, und noch ein paar Nachzügler bei den Opfern reinzulassen. Weil Juden, Zigeuner und Schwule halt schon durch sind und man jetzt noch Bedarf für Afrika und so weiter sieht, aber bei uns hier der Opferstatus halt durch die eine große Nummer schon sehr monopolistisch belegt ist.

Aber wie überall, wo es Geld und Anerkennung und Stellen und Posten und Quoten und Kompensation gibt, will man natürlich „teilhaben”. Es hört sich pervers an, aber es gibt einen regelrechten Run auf die Holocaust-Opfer-Teilhabe, und ein regelrechtes Konkurrenzsyndrom. Es ist eine Frage der Zeit, bis die sich als Import-Opfer bewerben: Genauso gut, aber 20% billiger. Angebot und Nachfrage, und ein steigendes Angebot an Opfern führt zu sinkenden Preisen, wenn nicht auch die Linke und die Antifa intervenieren und auch die Nachfrage nach Opfern entsprechend anheizen. Das lässt sich gut beobachten, dass die immer weiter nach links rutschen, um immer mehr Leute als rechts beschuldigen zu können, um jedem Opferteilhaber ausreichend Täter bieten und den Markt am Laufen halten zu können. Zumal man ja auch noch das Problem lösen muss, dass die Nazis inzwischen aussterben (irgendwo stellen sie doch noch einen 93-jährigen Wachmann und eine ebenso alte damalige Sekretärin vor Jugendstrafkammern, weil die damals 17-Jährigen die letzten lebenden Veurteilbaren sind und man halt nimmt, was man noch kriegen kann, um nicht zugeben zu müssen, dass die Nazis nach 76 Jahren jetzt halt eben alle tot und weg sind), ihre Opfer aber auf unerklärliche Weise ständig weiter nachwachsen und mehr werden. Deshalb muss man ständig Nazis nachsynthetisieren. Jedes Opfer hat Anspruch auf seinen eigenen Nazi.

Es kommt natürlich auch noch Konkurrenzneid unter den Opfergruppen dazu. Begünstigt durch einen schleichenden Antisemitismus, der den Groll nährt, dass die Juden auch hier dann besser kassieren als man selbst. Man ist sich da nicht grün, was daran liegt, dass die Grünen ja auch generell eher islamisch-palästinensisch drauf und damit von ihrer Ausrichtung selbst antisemitisch sind, und deshalb ein Interesse haben, die Opferdividende in die politisch korrekten Ströme zu leiten. Quasi so als Enteignung und Vergesellschaftung, wie bei den Wohnungen in Berlin: So, wie man für die Bewohnerstruktur eine „Berliner Mischung” haben will, will man sie auch in der Opferstruktur. Sie sagen ja auch, dass sie für alles Quoten haben wollen.

Deshalb will man das auch gar nicht mehr so genau wissen, was Holocaust und Opfer und Nazis so genau wissen, sondern leiert diese Begriffe aus, bis sie zur völlig inhaltslosen, austauschbaren Worthülse verkommen sind. Weil eben nicht nur Shakespeare, Mozart und Beethoven, sondern – in spätestens 10 oder 20 Jahren – auch die Holocaust-Opfer alle schwarz waren, und sich das wieder mal die Weißen unter den Nagel gerissen haben. Irgendwann wird es heißen, die Juden hätten sich das nur unter den Nagel gerissen, um den Raub Israels zu legitimieren.

Die rhetorische Stolperstufe ist, dass es nicht genug Schwarze in Europa gab, was man aber damit umgeht, dass man die Nazis einfach zeitlich auf die Kolonialisierung und räumlich bis nach Südafrika ausdehnt. Denn irgendwie muss man ja seinen Opferstatus und Reparationsanspruch emotional durchsetzen.

Irgendwie hatte ich es beim Schreiben des Artikels aber dann doch vergessen, wollte es aber auch nicht nachtragen, weil ich mir dachte, die nächste Gelegenheit, wo es passt, wird nicht lange auf sich warten lassen.

Hat keine 24 Stunden gedauert.

Bin so auf Twitter über das gestolpert:

Das ist genau der Punkt: Der Holocaust war singulär. Das bestreiten inzwischen nicht nur Rechtsradikale

Nun ist das mit der Singularität ohnehin eher eine politische Darstellung, denn dass die Nazis keineswegs die oft behauptete Singularität waren, sondern an denen wirklich alles zusammenplagiiert und die zusammengecastet waren wie eine Boyband, hatte ich ja schon oft beschrieben.

Der deutsche Kolonialismus währte nur etwa 30 Jahre, am Ende des Ersten Weltkriegs verlor Deutschland alle seine Kolonien. Das ist freilich nicht der einzige Grund dafür, dass die kolonialistische Phase im Bewusstsein der meisten Deutschen heute kaum präsent ist. Er wurde auch deswegen „übersehen“, weil er in weiter Ferne geschah. Und auch, weil seine Opfer Schwarze waren. Noch die Gedankenlosigkeit, mit der die Verantwortlichen des Berliner Humboldt-Forums anfangs mit den ethnologischen Sammlungen aus Afrika, Asien und den Amerikas umgingen, bewies nachdrücklich, dass der Kolonialismus noch immer ein blinder Fleck auf der großen Landkarte deutschen Gedenkens ist. Es gibt da viel, sehr viel nachzuholen.

Einige Historiker und Anhänger der Postcolonial Studies wollen jedoch mehr. Sie ziehen eine direkte Linie vom Massenmord an den Herero zum Holocaust. „Von Windhuk nach Auschwitz?“ – so der Titel eines programmatischen Buches des Historikers Jürgen Zimmerer, der seit vielen Jahren bemüht ist, den deutschen Kolonialismus in unser Bewusstsein zu heben. Zwar ist der Titel mit einem Fragezeichen versehen, der Autor hätte es aber auch weglassen können. Denn er sagt ausdrücklich, es gebe keinen „strukturell-essentiellen“, sondern nur einen „graduellen“ Unterschied zwischen Holocaust und Kolonialismus. Die Ermordung der Juden wäre wohl nicht möglich gewesen, „wenn der ultimative Tabubruch (…) nicht schon früher erfolgt wäre“. Der Autor lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Nur „aus einer bornierten eurozentrischen Perspektive“ heraus könne man verkennen, dass die NS-Politik nur die Radikalisierung dessen gewesen sei, „was man zuvor im Kolonialismus praktiziert hatte“. Damit sagt Zimmerer, Kolonialismus und Holocaust unterschieden sich im Prinzip nicht, seien wesensgleich.

Ziemlich genau das, was ich ich schon öfters mal so leicht angesprochen hatte, gestern schreiben und dann doch vergessen hatte.

Da brechen jetzt die Konkurrenzkämpfe aus, wer das größere Opfer ist, und vor allem: Wer zuerst da war. Wer die älteren Rechte hat.

Die Nazi-Opfer wachsen nicht nur 76 Jahre nach deren Ende noch stetig nach, sie waren jetzt auch vor den Nazis schon da. Und überhaupt, der ganze Holocaust sei ja gar nicht möglich gewesen, wenn man das nicht vorher in Namibia geübt hätte.

Dauert nicht mehr lang, und in den Büchern wird das KZ Windhuk stehen. Wenn man es selbst nicht schaffte, zu den Nazis zu kommen, müssen die Nazis eben bei einem gewesen sein. Hausbesuch.

Und der Brüller daran: Jeder ein Nazi, den den Holocaust als singulär ansieht.

Denn im Grunde behauptet er, dass der eurozentrischen Borniertheit erlegen ist, wer im Holocaust ein singuläres Verbrechen sieht. Wenn man das Argument nur ein wenig verlängert, kommt dabei eine strenge Ermahnung an jene inzwischen beträchtliche Zahl von Wissenschaftlern und Publizisten heraus, die sich der Erforschung des Holocaust und dem Gedenken an ihn widmen. Ihre Tätigkeit sei nicht hilfreich, weil sie mit ihrer Fokussierung auf den Mord an den Jüdinnen und Juden Europas andere Gewalterfahrungen, andere Genozide abwerteten oder gar vergessen machten. Es gibt offensichtlich ein diffuses oder gar nicht so diffuses Bedürfnis, den Holocaust wenn nicht verschwinden zu lassen, so ihm doch seine Sonderstellung zu nehmen.

Das heißt, wir sind jetzt am Punkt der linken Holocaust-Leugnung angekommen. Sie greifen den Holocaust an, weil er alle anderen als Opfer ausgrenzt und diskriminiert, die nicht dabei waren.

Der bringt es tatsächlich fertig, einem Buch den Titel über Kolonialisierung und Windhuk zu geben und Nazis als Titelbild zu zeigen. Linke Geschichtsfälschung.

Der Perlentaucher spricht dazu von Opferneid.

Stimmt. Seit das Existenzselbstverständnis Linker völlig darauf zusammengeschrumpft ist, irgendjemandes Opfer zu sein, den man aussaugen kann. Irgendwie geht mir da immer ein Märchen durch den Kopf, das ich gerade nirgends im Netz finde, von dem ich nicht mal mehr weiß, ob es von Grimms oder 1001 Nacht/Sindbad ist, wahrscheinlich deshalb, weil es das Grundmuster als der „Aufhocker” sowohl in der deutschen wie arabischen Märchensphäre gibt, bei dem ein böser Geist, der wie ein alter, schwacher Mann oder eine Frau aussieht und einen Wanderer um Hilfe bittet, ihn zu tragen, und kaum obenauf, sich immer fester klammert und immer mehr tritt, um den Wanderer immer mehr auszusaugen, bis der tot umfällt.

Immer stärker werden die rhetorischen Hebel, um auch an der Plünderung teilhaben zu können, sich auch als Opfer gerieren zu können.

Auch eine Form von Anitsemitismus, deren Status streitig machen und „teilhaben” zu wollen.

Sollen die erst mal untereinander ausmachen. Mögen die Spiele beginnen!

Bleibt die Frage: Was machen die dann eigentlich, wenn von den Deutschen nichts mehr übrig ist?