Von Übersetzungen und Neo-Rassismen
Sie drehen schon lange durch. Aber die Umdrehungsgeschwindigkeit erhöht sich.
Kennt Ihr Amanda Gorman?
Dieser neue Shooting-Star, die es fertig brachte, Joe Biden auf seiner eigenen Inauguration die Show zu stehlen, indem sie noch seltsamere Worte sprach als er selbst?
Versteht mich nicht falsch. Ich will (hier) nicht an Amanda Gorman rummäkeln (halte mir aber offen, es künftig gegebenfalls zu tun). Ich finde die ja eigentlich schon recht hübsch, und sich – in dem Alter – da hinzustellen und vor versammelter Elite so komische Dinge zu sagen, dazu gehört einiges. Ich will nicht verhehlen, dass ihre komische Aufmachung mit dem zu großen gelben Mantel und dem roten Kopfputz bei mir in den ersten Millisekunden per Mustererkennung die Assoziation „Chinesischer Hofbeamter, Ming-Dynastie, was will der denn da?” hervorrief. Aber so fotografisch betrachtet war es nicht schlecht, da macht sie schon was her.
Aber, wie gesagt, an der will ich jetzt gar nicht mal rummäkeln. Es heißt zwar, sie sei da auch irgendwo in diesem linken schwarzfeministischen Weißen- und Männerhass verortet, aber das habe ich noch nicht selbst gesehen, und deshalb stehe ich ihr bis auf weiteres neutral bis milde positiv gegenüber. Es wäre positiver, wenn sie nicht dahergeschwätzt hätte, dass sie Präsidentin werden will. Seltsame Dinge zu sagen reicht da noch nicht.
Jedenfalls geht es jetzt natürlich darum, sie zu übersetzen, weil, wenn schon Frau, und dann auch noch schwarz, muss sie natürlich der Zeitgeiststar schlechthin werden. Greta ist zu weiß.
Aber, ach.
Wie verschiedene Medien, auch RND beschreiben:
Die niederländische Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld sollte eigentlich die Gedichte der US-amerikanischen Poetin Amanda Gorman, die vielen durch ihren Auftritt bei Joe Bidens Vereidigungszeremonie bekannt wurde, übersetzen.
Das erscheint naheliegend, denn „Schriftstellerin” erscheint doch hier ein naheliegender und passender Beruf zu sein.
Doch sie ist von dieser Aufgabe zurückgetreten, wie sie vor wenigen Tagen unter anderem auf Twitter mitteilte. Der Grund: Es war große Kritik daran aufgekommen, dass die Werke der schwarzen Gorman von einer weißen Autorin übersetzt werden und nicht von einer schwarzen.
Worüber nach meinem Dafürhalten nur eine zu entscheiden hätte: Amanda Gorman. (Oder ersatzweise der Verlag, dem sie vermutlich die Rechte für viele Millionen Dollars verkauft hat.)
Dass jetzt aber schon eine Shitstormerei darüber befindet, wer sich anmaßen darf, etwas zu übersetzen, und sich das nur noch nach Hautfarben dreht, zeigt, wie rassistisch die Gesellschaft geworden ist. Wie würde man reagieren, wenn man einer Schwarzen verbieten würde, Harry Potter zu übersetzen?
Oder die Physik Isaac Newtons? (Obwohl: Die lehnen sie ja sowieso ab…)
Aufgekommen war die Kritik laut CNN durch die niederländische Kulturaktivistin Janice Deul, die die Entscheidung für eine weiße Übersetzerin am 25. Februar in einem Beitrag in der niederländischen Zeitung „De Volkskrant“ infrage gestellt hatte. „Eine unverständliche Entscheidung, meiner Meinung und der Meinung vieler anderer nach, die ihren Schmerz, ihre Frustration, ihren Ärger und ihre Enttäuschung über soziale Medien zum Ausdruck gebracht haben“, heißt es dort demnach unter anderem. Gormans Arbeit und Leben seien geprägt von „ihrer Erfahrung und Identität als schwarze Frau“. Marieke Lucas Rijneveld hingegen habe als weiße Frau keine Erfahrung auf diesem Gebiet.
Aha. Bei Frauenquoten in Konzernvorständen sieht man das anders, da gilt es immer als ausgrenzend, wenn man Erfahrungen in dem Job verlangt.
Ob man ausgerechnet in den Niederlanden lernen kann, wie sich Amanda Gorman so fühlt, und ob Gorman selbst überhaupt alt genug ist, um sich schon mal als Frau gefühlt zu haben – egal. Und ob zum Übersetzen gehört, beide Sprachen zu beherrschen, fragen sie auch nicht.
Und ob eine Übersetzung originalgetreu oder vom Übersetzer geprägt sein sollte – weiß man auch nicht so genau.
Urig ist da natürlich die Erklärung von Deutschlandfunkkultur dazu: „Es geht nicht um Hautfarbe, sondern um Erfahrungswelten“, während es gleichzeitig heißt, dass man die Erfahrung eben nur mit der schwarzen Haut sammeln könne:
Die afro-deutsche Übersetzerin Marion Kraft findet die Kritik am Verlag grundsätzlich nachvollziehbar. Es gehe dabei allerdings nicht um die Hautfarbe als solche, sondern „um Selbstdefinition, Identitäten und Erfahrungswelten. Und es geht auch darum, dass es auch genügend People of Color-Übersetzerinnen, -Autorinnen, -Expertinnen gibt, die sich da vielleicht eher hineinfinden können.“
Beim Übersetzen gehe es schließlich nicht nur um Sprache, sondern auch darum, einen Inhalt nachzuempfinden.
„Kann sich in einer weißen Mehrheitsgesellschaft eine weiße Übersetzerin tatsächlich in die Erfahrungswelt einer Schwarzen Autorin einfinden oder die sprachlichen Sensibilitäten zur Verfügung haben, um nicht an einigen Punkten für einen Teil der Leserschaft verletztend zu sein?“, sagte Kraft.
Der Fall zeige ein grundsätzliches Problem im Literaturbetrieb: Es werde zunächst automatisch nach weißen Expertinnen gesucht und gar nicht daran gedacht, dass es auch andere geben könne.
Könnte man mit derselben Begründung nicht argumentieren, dass Informatik nur Weißen vorbehalten sein dürfe, weil die das erfunden haben und nur die sich da so richtig reinfinden können? Oder ein von einem Mann geschriebener Text nur von einem Mann übersetzt werden darf?
Wurde je gefordert, dass die Aussagen Donald Trumps nur von alten weißen Männern übersetzt werden dürfen?
Der Übersetzer Carsten Sinner kann die Argumentation, Übersetzer müssten derartige Voraussetzungen mitbringen, um sich einfühlen können, nur bedingt nachvollziehen. Denke man die Forderungen zu Ende, könnten etwa Schwarze nicht Bücher von Weißen, nur Kommunisten Bücher von Kommunisten und nur Frauenfeinde frauenfeindliche Autoren übersetzen. Die Argumentation führe in eine Sackgasse.
Ist das Problem vielleicht eher, dass die schwarzen Übersetzer einfach zu schlecht sind, um Aufträge zu bekommen, und die Dummheit der Diskussion schon belegt, dass man lieber die Finger (und Aufträge) davon lässt, weil sie offenbar nicht in der Lage sind, Texte originalgetreu und ohne ihren Politkrampf zu übersetzen?
Mal so die Informatiker-Logik: Angenommen, im Originaltext des Autors steht der Satz: „Der Text eines scharzen Autors muss von einem weißen Übersetzer übersetzt werden.” Wie würden sie den übersetzen?
Eben. Leute, die so auftreten, disqualifizieren sich für jede Art von Übersetzung. Weil sie ihre Meinung und nicht die des Originals ausdrücken wollen.
Der deutsche Verlag, Hoffmann und Campe, kündigt unterdessen ein dreiköpfiges Team an: Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling, für die Übersetzung von 64 Seiten. Ob eine dieser drei Kind einer alleinerziehenden Mutter ist oder gern Präsidentin würde, wie Gorman selbst, ist nicht bekannt.
Niemand, wirklich niemand, hat es verdient, von Kübra Gümüşay übersetzt zu werden. An der ist außerdem überhaupt nichts schwarz. Die ist so blass wie ein Blatt Papier. Und liegt in ihren intellektuellen Ausdrucksfähigkeiten irgendwo zwischen Kartoffel und Tidenhub. Keine Ahnung, was die mit Amanda Gorman gemein haben sollte. Amanada Gorman ist meines Wissens auch nicht muslimisch und rennt mit Kopftuch und im Kittel herum. Worin da die Befähigung zur Einfühlung liegen soll?
Uda Strätling sagt mir nichts, ist aber anscheinend Übersetzerin und – weiß.
Hadija Haruna-Oelker kenne ich auch nicht, die ist dann aber wohl der Farbstoff in der Mischung.
Ich finde das alles so lächerlich, so erbärmlich.
Und vor allem bedauerlich.
Denn niemand mehr wird das Buch Amanda Gormans wegen seines Inhaltes lesen. Es wird allein um die Übersetzerinnen gehen.