Ansichten eines Informatikers

Professor kontra Urheberrecht

Hadmut
7.10.2011 15:33

Wenn das Thema einmal losgeht, dann geht’s gleich rund.

Daß das Urheberrecht (und mit ihm so mancher Jurist) noch nicht in der Digitalzeit angekommen ist, zeigt nicht nur die Diskussion um Fotografie, sondern auch der Streit um Kopien von Lehrbüchern, der gerade absurde Blüten treibt, siehe:

(Danke wieder mal für die Links.)

Das Problem ist meines Erachtens das gleiche, wie bei den Lichtbildern: Juristen bekommen den Fortschritt der Technik nicht mit, und wenden holzschnittartige Rechtssätze, die auf anderer Technik beruhen, aber ihres Sinns und Zusammenhangs entleert wurden, fehlerhaft auf neue Technik an.

Hier geht es dabei auch um die Vervielfältigung. Ursprünglich ging’s dabei darum, ob man mehrere Exemplare herstellt, um die unters Volk zu bringen. Inzwischen verheddern die sich in Auslegungen der Frage, ob das Laden von Software in den Hauptspeicher eine solche Vervielfältigung ist.

Bestätigt wieder mal meine Auffassung, daß man Themen, die Technik betreffen, auf keinen Fall den Juristen alleine überlassen kann, weil deren über Jahrzehnte eingeübte (spezifische deutsche) Methodik der Abstraktion vom Einzelfall über die Verdichtung auf Rechtssätze und Bauernregeln hier einfach immer wieder nur zu Bockmist führt.

Das Problem ist gar nicht mal das Urheberrecht.

Das Problem ist die von den Juristen stur gelehrte und verteidigte Methodik, die von einer Abstrahierbarkeit und Gleichförmigkeit der Welt ausgeht, die aber in der synthetischen und nicht mehr an natürliche Erfahrungen gebundenen digitalen Welt nicht mehr funktioniert. Die juristische Denkweise schlechthin versagt hier.

5 Kommentare (RSS-Feed)

Erbloggtes
7.10.2011 22:02
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Das letzte ist eine steile These. Als alter Kantianer muss ich das ablehnen 😉

Wenn man Dinge unter die falschen Kategorien subsummiert, dann ist es egal, ob das Kategoriensystem schlüssig aufgebaut ist. Am Ende kommt trotzdem Murks raus.

Dass Juristen Dinge in die falschen Kategorien einsortieren, liegt m.E. erstens daran, dass der Gesetzgeber nicht voran kommt, was das Eingehen auf neue Phänomene betrifft. Die werden so lange wie möglich alten Phänomenen zugeordnet, die ihnen “irgendwie” ähnlich sind (Dateien seien so etwas wie Karteikarten; E-Books seien so etwas wie Bücher usw.).

Diese Unfähigkeit des Gesetzgebers entspringt nicht zum geringeren Teil den Bedingungen des politischen Systems: Um in Macht und Einfluss zu erlangen, muss man so alt werden, dass man von Neuentwicklungen schon lange nichts mehr mitbekommen hat. Außerdem muss man sich so glatt schleifen lassen, dass Innovation unmöglich wird (Innovation = Revolution, und sowas machen Politiker nicht). Und man muss so tief ins Politikerleben einsteigen, dass man von den Sachen, die man sinnvoll regeln soll, nicht mehr genug Ahnung hat.

Zweitens benutzen Juristen die falschen Kategorien, weil die beschriebene Zähigkeit bedingt, dass grundsätzliche Neukonzeptionen von Rechtssätzen nicht in Betracht gezogen werden, so lange es “noch irgend geht”. Das wäre ja auch Revolution, und die entspricht weder dem politischen System noch dem juristischen, die beide auf Kontinuität ausgerichtet sind. Beispielsweise hätte die technische Veränderung der Reproduktionsmöglichkeiten von Urheberwerken durch Digitalisierung bereits dazu führen können (müssen?), dass die Vorstellungen von geistigem Eigentum, Urheberschaft und Co. grundsätzlich, also auch bezogen auf analoge Medien, überdacht und ggf. verändert wird.

(Von Social-Media gar nicht zu reden. Da muss man sich mal klar machen, welche Auswirkungen die für totes Holz gedachten Urheberrechte auf die rechtliche Lage beispielsweise dieses Kommentars haben. Was ist, wenn Sie Ihr Blog – und diesen Kommentar – in einer Handy-Applikation wiedergeben oder auf CD vertreiben wollen? Als Buch drucken? Hinter eine Paywall stellen? Was ist damit, wenn Ihr Blog auf eine andere Adresse umzieht?)

Schöne Grüße
Erbloggtes


Hadmut
7.10.2011 22:07
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Hab ich Ihnen denn überhaupt erlaubt, den Inhalt meines Blogs zum Lesen in den Arbeitsspeicher Ihres Rechners zu laden und damit zu vervielfältigen? Sagen Sie bloß, das wäre auch noch in Ihrem Browser-Cache gelandet. Ganz schlimm…


flocke84
8.10.2011 11:49
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Das ist jetzt aber doch etwas polemisch. Dass das Urheberrecht mit elektronischen SVen nicht klarkommt, geht etwas weit. Da ist natürlich viel Murcks gemacht worden (Spezialregelungen für Datenbanken u Software, die im UrhG nichts verloren haben, § 95a UrhG etc.) aber im großen und ganzen funktioniert das schon ganz gut. Auch § 44a UrhG (Cachingschranke) ist ganz brauchbar. Dass man § 72 UrhG kippen sollte statt ihn auf Computerbilder auszudehnen ist das einzige, was ich im aktuellen UrhG wegen des technischen Fortschritts für zu ändern halte. Aber warten wir mal auf den 3. Korb.

Neue Nachrichtentechnik zwingt sicher nicht zu einer grundlegenden Änderung des UrhG. Darüber nachdenken kann man natürlich schon. Daher freut mich der Beitrag!
Ich erhoffe mir insoweit auch viel von der ersten Digital Native-Generation von Juristen.


Roland
9.10.2011 4:03
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Eine Gesellschaft, in der vom “Urheberrecht” geschrieben wird, damit aber in Wirklichkeit den “Handel mit Rechten” meint, die muss logo geistige Verenkungen nach sich ziehen, die der “Bürger” gar nicht mehr versteht.
Dazu kommt erschwerend, daß in der Realität nicht der “Urheber” mit seinem Werk Geld verdient, sondern derjenige, der damit handelt………..Wen wunderts da, daß die “Händler” sich nicht ihre Geschäftsgrundlage nehmen lassen wollen oder krampfhaft nach neuen “Quellen” suchen ? Da gibts irgend einen Rechtsstreit wegen der Farbe “rot” zwischen Banken.
Da hab ich mir auch schon überlegt, mir den Buchstaben “E” schützen zu lassen (heute nicht mehr möglich,wenigstens etwas..)……..und hätte damit ohne jegliche “Leistung” ausgesorgt…………..


Flocke84
10.10.2011 12:31
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In diesem Zusammenhang wollte ich noch als Literaturempfehlung Haedicke, Patente und Piraten, 2011 aussprechen. Eine schöne Bestandaufnahme aktueller Fragen vor allem im Urheber- und Patentrecht, die versucht, auch die beteiligten Interessen klar herauszustellen. Lösungen enthält das stark geschriebene Büchlein nicht unbedingt, aber mE könnte es einen wertvollen Beitrag zu einer sachlichen Debatte leisten. Mich würde insbesondere die Meinung von Herrn Danisch zu dem Buch interessieren. Vielleicht kommen Sie ja mal dazu, einen Blick hineinzuwerfen 🙂