Ansichten eines Informatikers

Aufgeweicht und fremd

Hadmut
10.5.2021 18:24

Etwas Mitgefühl wäre jetzt angebracht.

Oh, Schmerz!

Der von der unerwarteten Sorte, mit dem ich heute mittag noch nicht gerechnet hätte.

Ich bin aufgeweicht.

Das liegt nun – indirekt – daran, dass ich neulich was im Internet bestellt habe. Bei Mediamarkt, um genau zu sein. Sie hatten ein Set aus zwei Dingen zusammen im Angebot günstiger als anderswo das eine nur allein.

Aber, ach.

Die preisen gerne an, aber erst mit der Bestellung fällt ihnen ein, dass sie ja gerade nicht liefern können. Nicht, weil sie es nicht hätten, das schon. Aber weder in ihrem Versand, noch in irgendeiner Berliner Filiale zum abholen hätten sie beides zusammen vorrätig. Grunz!

Also hieß es schon vor Wochen, ab dann und dann könnte ich es im Mediamarkt im Hauptbahnhof abholen. Grunz!

Zwischendurch bekam ich eine Meldung, dass wenn ich das eine nicht schleunigst abhole, sie vom Kauf zurückträten, weil die Abholfrist des einen abläuft, bevor das andere da ist. Da ich aber vorrangig das andere wollte und nicht erst mal das Dazugeschnenk schon mal bezahlen wollte, bevor das andere da ist, habe ich mit denen vereinbart, dass ich beides zusammen abhole.

Aber, ach.

Termin nicht haltber, nicht lieferbar. (Ursache nicht angegeben, könnte aber an der Suez-Verstopfung gelegen haben.)

Heute mittag die Mail: Ist abholbar.

Normalerweise hätte ich ja geflucht, wenn ich etwas am Hauptbahnhof abholen sollte, oder mich schlicht in die S-Bahn dorthin gesetzt. Nun merke ich aber doch sehr deutlich, dass mir diese Lockdown-Stubenhockerei auf die Gesundheit schlägt, die die einzigen Muskeln, die ich noch ernstlich bewege, sind das Hirn, die Kaumuskulatur und die Finger zum Bloggen. Das geht schon deutlich auf Kreislauf, Muskulatur und Bewegungsapparat. Aus dem Grund habe ich mich erwartungswidrig gefreut, denn heute war einfach herrliches Wetter in Berlin, perfektes Kurze-Hosen-Wetter. Einfach grandios. Da dachte ich mir Besser geht’s nicht. Lässt jetzt Blog Blog und Rechner Rechner sein und machst einen wunderbaren Frühlingsspaziergang zum Hauptbahnhof und zurück, einmal quer durchs Regierungsviertel am Bundestag und an der Spree vorbei. War auch alles gut. Alles da, Wetter gut, Spree gut, Parkbank gut, Döner gut, Eis gut, Alles gut. Fast alles.

Meine Smartwatch meinte, ich hätte hin und zurück ziemlich genau 10 km in Form von ziemlich genau 12.000 Schritten bewältigt, aber ich traue der nicht allzusehr, weil das impertinente Ding mir auch einen vorzüüglichen Schlaf bescheinigt, weil es die Zeiten, in denen ich die Uhr abgelegt habe und unter der Dusche stehe, als Schlaf verbucht. Empfohlen sind ja 8.000 pro Tag, aber das geht nicht. Dann stünde ich da irgendwo beim Kanzleramt und käme nicht mehr nach Hause.

Noch vor Corona wäre das keiner Erwähnung, geschweige denn eines Blogartikels wert gewesen, aber nun sieht die Sache anders aus. Noch vor etwas mehr als einem Jahr wäre ich die Strecke gegangen, ohne das irgendwie zur Kenntnis zu nehmen oder zu verspüren. In Sharja bin ich mal beim Stadtpilgern in dreieinhalb Tagen 120 Kilometer gegangen (laut Garmin GPS) und habe davon einfach gar nichts gespürt. Aber heute hat mich das nicht nur merklich angestrengt und nach hinten hin erschöpft, mir tat auch die Schulter weh, weil ich seit eineinhalb Jahren keine Umhängetasche mehr über nennenswerte Zeit getragen habe.

Und wisst Ihr, was mir am meisten weh tut?

Glaubt Ihr nicht.

Die Fußsohlen.

Die Füße sind die Belastung des Gehens nicht mehr gewohnt, die Fußsohlen sind zu weich geworden. Ich glaube, davon habe ich schon mal irgendwo gehört – von Raumfahrern, die längere Zeit auf der ISS waren. Hatte das nicht Alexander Gerst irgendwo im Fernsehen erzählt?

Und wisst Ihr, was mir noch aufgefallen ist?

Ich habe es nicht gezählt, sondern nur so ein Eindruck, nachdem es mir anfangs aufgefallen war und ich mal drauf geachtet habe. Nur noch etwa ein Fünftel oder ein Sechstel der Menschen, die mir unterwegs begegnet, entgegengeommen, an mir vorbeigelaufen und so weiter sind, wer draußen rumlief, waren nach Aussehen und Sprache deutsch.

Unter denen, bei denen ich etwas gekauft habe, ob nun Mediamarkt, Döner oder Eis, war kein Bio-Deutscher mehr (oder wie auch immer der tagesaktuelle politisch korrekte Diminutiv lautet).

Zwar alle nett und freundlich, keinerlei Anlass zur Beschwerde. Aber ich komme mir inzwischen einfach vor wie in einem fremden Land. Einem sehr fremden. In Australien oder Neuseeland verstehe ich praktisch alle Leute und auch, was die zueinander sagen. Nicht in Berlin.