Google näher an der Bibel als an der Wissenschaft
Ein Leser macht mich auf einen interessanten Artikel zu dem Thema aufmerksam, wie Google einen in die wissenschaftliche Falle locken kann.
Daß nämlich Google „selbstverstärkend” sei. Je mehr man sich für ein Thema beschäftigt, desto mehr paßt sich Google den eigenen Vorzügen an und liefert immer mehr.
Naja, ob sich Google wirklich den eigenen Präferenzen in den Suchergebnissen anpaßt, weiß ich nicht. Richtig ist aber, daß etwas wie Google zu nahezu jeder beliebigen Eingabe etwas findet, weil es heute zu jeder beliebigen These und Ansicht irgendwelche Leute gibt, die es behaupten. Damit entsteht der Effekt, daß egal, was man Google fragt, man nahezu immer eine Bestätigung dafür bekommt. Und damit hängt die Bestätigung davon ab, wie man fragt. Fragt man offen, bekommt man alles. Fragt man gezielt, bekommt man das, wonach man sucht. Obwohl Google nur eine Maschine ist, könnte man also paradoxerweise sagen, daß Google für suggestive Fragen anfällig ist.
Damit ist Google eigentlich nicht mehr wissenschaftlich, sondern näher an der Bibel. Ein guter, sehr, sehr gläubiger und bibelfester, aber doch nicht ganz unkritischer Kumpel sagt mir vor vielen, vielen Jahren mal, daß man mit Bibelauslegungen sehr vorsichtig sein muß, weil in der Bibel soviel Zeugs steht, daß man damit jede beliebige Aussage durch Bibelzitate belegen kann – und ebenso ihr Gegenteil.
Neulich las ich irgendwo (Quelle vergessen), daß irgendwer herausgefunden haben will, daß die Internet-Technik komplett unsere Wahrnehmung der Realität verschiebt, weil die Leute nicht mehr die örtliche Tageszeitung lesen, sondern sich über die ganze Social Networks, RSS-Feeds usw. selektiv die Quellen heraussuchen, die das schreiben, was sie lesen wollen – das dann aber wieder als Bestätigung der eigenen Meinung ansehen (typischer Statistik-Fehler, keine repräsentative Stichprobe zu betrachten). Man informiert sich nicht mehr über den Stand der Dinge und des Wissens, sondern wird „Follower” dort, wo man das bekommt, was man für richtig hält und hören will.
Schönes Beispiel eben: Wer an den Klimawandel glaubt, wird die Suchanfragen stellen und die Quellen abonnieren, die das bestätigen. Und wer ihn für nichtexistent hält, eben die gegenteiligen.
Früher war Medienkonsum eine Einbahnstraße. Es gab kein Feedback und nur wenige Abonnement-Alternativen, weshalb das Konsumierte noch nicht so stark von der eigenen Meinung abhing. Heute hat man quasi Zugriff auf fast alle Medien weltweit und kann leicht und bequem eine Selektion vornehmen. Damit beeinflusst die eigene Sichtweise kontinuierlich die Auswahl und führt dadurch zur Rückkopplung. Und wie man aus der Systemtheorie weiß, destabilisieren sich positiv rückgekoppelte Systeme.
14 Kommentare (RSS-Feed)
@Ursula: Nee, das kannte ich noch nicht. Aber es ist genau das Thema, und sogar noch besser erklärt als dort, wo ich das gelesen hatte. Danke für den Link, paßt exakt.
Und das schlimme ist, dass dieser Effekt umso stärker wird, je eher das gewünschte Thema “Meinungsabhängig” ist – und insbesondere wird es immer schwerer gesicherte Faktenbasis zu finden.
Ist wohl die nächste Herausforderung wie man aus dem Meer an Informationen, die das Web bietet es hinbekommt Meinungsrelavantes auszufiltern, und zwar eben nicht nur das was man ‘lesen’ will, sondern auch das was man lesen sollte.
Wobei – war das früher so anders?
Der eine las Bild, der andere Süddeutsch, der nächste Fokus und ein anderer Spiegel, letztlich ist dort ebenso eine Verzerrung vorhanden.
Jetzt hat man immerhin die Chance sich dessen bewusster zu sein.
Ganz neu ist dieses Phänomen ja nun auch nicht.
Wie das “noch nicht so stark” quantitativ zu bewerten ist,
kann im Augenblich niemand sagen.
Der Schaltplan des “globalen Gehirns” ändert sich,
und ich hoffe, dass die Regulationsmechanismen ausreichen,
um einen Krampfanfall zu verhindern.
Es wäre aber auch nicht der Erste…
—
http://www.answers.com/topic/the-devil-can-quote-scripture-for-his-own-ends
“Fragt man gezielt, bekommt man das, wonach man sucht.”
Dafür wurde Google ja auch gebaut: Antworten auf die Fragen zu finden, die man dem Ding stellt.
Und wenn es suggestive Fragen mit nur einer Antwortmöglichkeit sind, dann gibt es eben auch nur die eine Antwort.
>>Ist wohl die nächste Herausforderung wie man aus dem Meer an Informationen, die das Web bietet es hinbekommt Meinungsrelavantes auszufiltern, und zwar eben nicht nur das was man ‘lesen’ will, sondern auch das was man lesen sollte.
Frei nach den vorher beschriebenen Techniken der Rabulistik bezeichne ich das jetzt einfach mal als alten Hut 😀
Die Floskel, dass es es genug Informationen gibt und man die richtigen finden müsse dreschen Wirtschaftsinformatiker seit Jahren platt.
Meiner Ansicht nach handelt es sich dabei aber nur um eine Verlagerung des Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblems. Bevor man via Internet auf alle möglichen Informationen zugreifen konnte und sich fragen musste, welcher Quelle man glaubt, gab es einfach weniger Quellen und man musste entscheiden, ob man der Quelle glaubt, wenn man denn eine gefunden hat.
Die “zu entwickelnde Medienkompetenz” (Bullshit Lingo) besteht heute eben darin zu erkennen, dass es zu vielem einen Informationsüberfluss gibt und Scheuklappen und Präjudiz nicht mehr nur das Problem der Journaille sind, sondern genau so des Lesers.
Ich wollte in erster Linie auf die technischen Punkte hinaus.
Insbesondere sehe ich keinen Grund, dass in naher Zukunft nicht aus technischer Sicht die wesentlichen verschiedenen Argumente zu einer (entsprechenden) Suchanfrage geliefert werden
Das ist denke ich eben genau nicht der alte Hut, dass _man_ ausfiltern müsse, und auch nicht die “medienkompetenzkompetenzkompetenz”, sondern nur meine persönliche Meinung, dass dies ein Punkt ist, der für die technische Seite viel wesentlicher wird.
Mein Beispiel wäre die momentane sogenannte Kriese, selbst mit einer ansich ausreichenden Medienkompetenz (die ich mir unterstelle) schaffte ich es nicht, mir ein angemessenes Bild zu eben den momentanen “Finanzproblemen” zu machen (in vertretbarer Zeit).
Allerdings kann ich mir durchaus vorstellen, dass edv systeme demnächst fähig sind, genug Vorarbeit zu leisten, um mir wenigstens “klare” Fakten als Grundlage liefern zu können.
Hadmut, da kann ich dir nicht zustimmen:
1.
Mit dem Medienkonsum ist es doch auch ohne Internet das Gleiche: Ich hab meine drei Zeitungen abonniert, ich bekomme meist das zu hören, was ich mir sowieso erwarte.
2.
->Damit entsteht der Effekt, daß egal, was man Google fragt, man nahezu immer eine Bestätigung dafür bekommt.
Das stimmt nicht. Stelle ich bei Google eine Frage, bekomme ich nicht von Google die Antwort. Die Suchmaschine listet mir nur die Seiten auf, die diese Themen behandeln und ob ich dem Inhalt der Seiten glaube, hängt immer noch von mir selbst ab und hat mit Google gar nichts zu tun.
3.
Das Internet ermöglicht es im Gegenteil erst (wie du selbst schreibst), mehr Informationen einzuholen: Ich kann jetzt Al Jazeera ansehen, dazu CNN, meine Tageszeitung großteils online lesen und noch die ganzen Blogs durchgehen.
4.
Ich suche mir auch mit RSS die Sachen aus, die mich interessieren. Warum sollte ich etwas für mich Uninteressantes lesen? Das bedeutet ja noch gar nicht, dass ich dem Inhalt sofort zustimme und diese Rückkopplung stattfindet.
5.
Beispiel Klimawandel: Natürlich wird jemand, der an den Klimawandel glaubt, auch bestätigende Quellen finden – genauso wird er widerlegende Quellen finden, weil es ja beide Seiten zu finden gibt. Was ist daran so besonders? Ach ja, wenn die Suche schon mit dem Wort “Klimawandel-Lüge” begonnen wird, muss man sich nicht wundern, wenn nur mehr verfälschender Schrott herauskommt.
@Asd: Eben. Du hast Zeitungen abonniert. Aber Du suchst Dir nicht jeden Morgen am Kiosk die Zeitungen heraus, die das schreiben, was Du ohnehin schon glaubst.
Wenn man ein paar Zeitungen jahrelang mehr oder weniger regelmäßig liest, weiß man schon, welche Meinungen darin vertreten werden. Ob ich die Zeitungen abonniere oder am Kiosk jeden Tag frisch kaufe, macht für mich keinen Unterschied – ich würde sowieso die gleichen nehmen.
Aber ich habe eigentlich mit den fünf Punkten ausführlich genug beschrieben, warum ich deiner Sichtweise nicht zustimme; schade, dass du nicht näher drauf eingehst, das ist für mich “unbefriedigend”.
@Asd: „unbefriedigend” ?
Ich bin nicht hier, um jeden kostenlos zu befriedigen, der anonym um die Ecke kommt. Und auch nicht, um auf Zuruf durch den Reifen zu springen.
Es ist unbefriedigend, wenn ich dir meinen Standpunkt beschreibe und du mir mit “Eben.” antwortest, obwohl ich einer ganz anderen Meinung bin.
hmm, Blostruirte wär doch mal ein netter Job, könnte man doch glatt dem Arbeitsamt vorschlagen das als berufsförderne Maßname anzubieten
Nicht ganz das gleiche aber ein verwandtes Thema heute in xkcd:
Bei TED Talks gab es einen ähnlichen Beitrag:
http://www.ted.com/talks/eli_pariser_beware_online_filter_bubbles.html
War es das?