Ansichten eines Informatikers

Sauberkeit

Hadmut
4.10.2021 13:54

Schon gewusst?

Die WELT hat gerade einen Artikel über kolonya, die türkische Variante des Kölnisch Wassers, und eine Bemerkung, die zu den Ganzkörperwaschungen nach dem Sex passt, die ich neulich erwähnte:

Im Islam ist die rituelle Waschung ohnehin Voraussetzung für Gebete, da trifft es sich gut, dass kleinere Unreinheiten mit kolonya weggewaschen werden können. Größere Unreinheiten, die zum Beispiel durch Sex entstehen, können jedoch nur mit einer großen Waschung des ganzen Körpers ausgeglichen werden. Deshalb gibt es so viele öffentliche Bäder in der islamischen Welt.

Ja. Ich finde das ja auch beeindruckend, dass es in oder vor Moscheen so viele Wasserhähne gibt, weil die sich da alle vorher waschen, bevor sie reingehen, und auch die Schuhe draußen lassen. Der große Stolz der Moschee ist ja auch immer der große Teppich, der muss natürlich auch sauber bleiben. Ich war mal in Abu Dhabi in der ganz großen Moschee, die auch Nichtmuslime besichtigen dürfen, und auch da in den Wasch-/Toiletteneinrichtungen, weil eben auch deren „Waschstraße“ den nichtmuslimischen Besuchern offensteht, weil man ja erstens auch mal auf die Toilette muss und zweitens sie gar niemanden davon abhalten wollen, sich zu waschen, und die dann im Untergeschoss und eine eigene Sehenswürdigkeit sind. Da fehlt fehlt dann nicht mehr viel zum Wellnesstempel, und ich hatte schon den Verdacht, dass so mancher nicht zum Gebet, sondern zum Gebrauch der Wascheinrichtungen in die Moschee geht.

In deutschen, christlichen Kirchen habe ich Elemente der Reinlichkeit noch nie beobachten können, die schlappen da immer alle rein, so wie sie sind, und fingern alle in derselben Weihwasserpfütze rum. Irgendwo gab es mal eine Untersuchung, wonach diese Weihwasserbecken hoch keimbelastet sind. Wenn die was wären, hätten die keine Weihwasserbecken, sondern kontaktlose Weihwasserspender. So ein Ding wie sie beim LIDL für Desinfektionsmittel am Eingang stehen haben. Ein automatischer Spritzer muss reichen.

Ich war ja neulich in New York und dabei auch in einem schwarzen Gottesdienst, ich glaube, es war in Harlem, wo sie hauptsächlich singen und eine Show draus machen (und dafür dem Besucher recht eindeutig den Klingelbeutel vorhalten, also eher so ein Konzert mit Eintrittspreis draus machen), und die haben in ihrer Kirche dort auch eine Toilettenanlage wie ein Konferenzzentrum oder ein Kino. Da ist dann auch hinterher entsprechend viel los.

Nun muss man da fair sein. Der Islam ist hauptsächlich in heißen, staubigen Ländern entstanden, in denen man eigentlich immer verschwitzt und staubig ist, und die Leute barfus oder in offenen Sandalen rumlaufen und den ganzen Sand und Staub unweigerlich reinschleppen, während die hiesigen Kirchen in Zeiten entworfen und gebaut wurden, als es solche Toilettenanlagen und fließendes Wasser noch gar nicht gab, und wo es viel zu kalt sein kann, um sich zu entblößen. Kirchen sind ja hier traditionell ungeheizt, zugig, kalt. Und es fällt eben leichter, sich bei +40, +30 oder +20 Grad zu waschen als bei 0 oder -10 Grad Celsius. Die Anforderungen und Gegebenheiten unterscheiden sich eben.

Allerdings haben wir hier in unserem Kulturkreis auch nicht diese Unterscheidung in rein und unrein. Also kein halal und haram, kein koscher. Bei uns geht das nach Gesinnung, wir unterscheiden nach politisch korrekt und Nazi, aber politische Korrektheit ist hier nach empirischer Erfahrung nicht oder eher negativ mit Sauberkeit korreliert, die Sauberkeit an sich hat hier keinen durchgehenden religiösen oder nennenswert gesellschaftlichen Stellenwert, von der schwäbischen Kehrwoche mal abgesehen.

Beachtlich aber dann auch dieser Satz:

Diese Reinlichkeit hat auch Auswirkungen auf das tägliche Leben: Nach einer Studie von 2015 waschen sich nach dem Gang auf die Toilette 94 Prozent der Türken die Hände, aber nur 78 Prozent der Deutschen.

(Dialektiker würden nun den Versuch unternehmen, zu argumentieren, dass sich halt nicht alle gleich oft auf die Finger pinkeln, aber das überzeugt hier nicht.)

Was mich daran erinnert, dass mir in meiner Münchner Zeit der (deutsche!) Heizungsableser mal sagte, dass er lieber bei Türken als bei Deutschen abliest. Da sei es nämlich viel sauberer.

Da haben wir noch Luft nach oben. Und besonders viel in Berlin.