Ansichten eines Informatikers

150fps sind auch nicht die Lösung

Hadmut
6.10.2021 16:00

Weil es nun so viele schreiben: [Nachtrag]

Natürlich bin ich auch schon (und ich glaube, ich hatte es irgendwann auch schon mal erlebt) auf die Idee gekommen, 150 fps aufzunehmen, weil 150 das kleinste gemeinsame Vielfache von 25 und 30 ist (25 = 5*5 , 30 = 2 * 3 * 5, kgV = 2*3*5*5 = 150), weil man dann daraus sauber 25 und 30 fps extrahieren könnte, aber das funktioniert aus zwei Gründen nicht.

Der erste ist, dass es kaum Kameras gibt, die schneller als 60fps aufnehmen können, und viele, die nicht ganz neu sind, schaffen nicht mal die 60fps sondern nur 30. Ich kann jetzt auch nicht alles neu einkaufen. Und selbst die, die es so schnell können, kennen dann 120 und 240 als Vielfache von 60, aber nicht 150. Und schaffen das dann mit ihren Akkus auch nur wenige Minuten lang.

Das nächste Problem ist, dass sowas sehr viel Energie und Speicherplatz frisst, und GoPros und ähnliche dann ein Hitzeproblem. Schon mit 4K/60fps laufen einige Kameras sehr schnell heiß und können nur einige Minuten lang aufnehmen. Oder brauchen Lüfter.

Das nächste Problem: Damit hat man auch die Belichtungszeit auf ein Sechstel oder Fünftel verkürzt. Braucht also mehr Licht, eine viel größere Blende oder eine viel höhere Empfindlichkeitseinstellung mit entsprechendem Qualitätsverlust. Für Videoaufnahmen ist das Licht aber meist so schon knapp.

Und: Es hilft nichts. Denn wenn man Lampen oder laufende Bildschirme mit 150 Hz aufnimmt, hat man ähnliche Probleme wie wenn man die kürzeste Blitzsynchronzeit einstellt: Dann ist kein einziges Bild gut, weil jedes immer irgendwas anschneidet. Überlegt mal. Wenn eine Leuchtstoffröhre oder Lampe mit 50 Hertz flackert, oder sogar mit 100, weil sie jede Halbwelle nutzt, und Ihr nehmt mit 150 Hz auf, was meint ihr wohl, wie die Bilder dann aussehen? Hell, Mittel, Dunkel, Mittel, Hell, Mittel, Dunkel,…

Das Problem hatte ich nämlich mal mit einer Studiokamera, die erst ganz schreckliche Flackerbilder ablieferte. Ich dachte erst, die wäre kaputt, habe dann aber festgestellt, dass die auf 100 fps eingestellt war und mit der Beleuchtung nicht klarkam.

Sorry, Leute, aber so einfach ist es nicht, einfach nur ein kleinstes gemeinsames Vielfaches zu nehmen und dann jedes fünfte oder sechste Bild zu extrahieren. Dann sind nämlich alle Bilder Mist.

Man kann nicht einfach per Rechentrick irgendeine Zahl einstellen. Das ist auch nicht wie beim Fotografieren, wo man sich halt einfach irgendeine Belichtungszeit aussucht, die einem gerade gefällt.

Man braucht dazu dann nicht nur die sechsfache Rechenleistung in der Kamera, weil anders als bei der normalen Fotografie ja dann auch für das komprimieren des Bildes (was zudem rechenaufwändiger ist) nur ein Sechstel der Zeit zur Verfügung steht, selbst diese Rechnung geht nicht auf, weil die Zeit zum Auslesen des Kamerasensors konstant und nicht einfach so zu beschleunigen ist. Es gibt kaum Sensoren, die man überhaupt so schnell auslesen kann. Schaut Euch mal an, was Kameras gerade kosten, die 120 oder 240 fps können. Und wenn man genau hinschaut, geht das dann auch oft auf Kosten der Auflösung oder der Bildtiefe. Aus eben jenen Gründen.

Und es hilft auch nicht, einfach in seinem Schneideprogramm mit der Maus die gewünschte Bildarte einzustellen und den Rest der Software zu überlassen. Man kann eine Bildinformation, die man nicht hat, auch nicht herbeirechnen. Und man kann 25 nicht in 30 und 30 nicht in 25 fps umrechnen, ohne dabei übel Qualität zu verlieren, was praktisch ohnehin darüber läuft, dass man Frames weglässt oder wiederholt. Oder die Abspielgeschwindigkeit ändert. Weshalb Kinofilme im Fernsehen immer kürzer dauern als im Kino, weil man einen Film mit 24fps dann einfach schneller mit 25 fps abspielt. Was man nicht gleich merkt, was aber dazu führen kann, dass sich Musik schräg anhört, wenn die schneller abgespielt wird.

Tut mir leid, Leute, aber da steckt schon mehr dahinter als nur ein bisschen Kleines-1×1-Kopfrechnen. So einfach ist das nicht.

Nachtrag: Das ist übrigens auch das Problem, das die Hersteller von Micro-Four-Thirds-Kameras haben und weshalb die gerade Marktanteile verlieren und Olympus sogar mehr oder weniger aufgegeben und das Kamerageschäft abgegeben hat.

Als Panasonic die damals weit herausragende GH5 auf den Markt brachte, die filmisch wirklich viel konnte und ein Techniksprung war, maulten viele Kunden, dass die zwar für die kleinen MFT-Objektive und deshalb mit dem kleinen MFT-Sensor gebaut sei, aber trotzdem so groß und schwer wie eine Vollformatkamera. Warum man die nicht entsprechend kleiner macht.

Antwort: Geht nicht. Denn auch wenn Objektiv und Sensor kleiner sind, heißt das für die Kamera trotzdem, dass sie 4K mit 30 oder 60fps verarbeiten können muss, also einen deftig starken Rechner braucht und irgendwohin mit der Abwärme muss. Und das konnte man damals nicht kleiner bauen. GoPro 9 und GoPro 10 können das inzwischen kleiner, aber die haben auch schon thermische Probleme.

Und deshalb kommt MFT aus der Mode und deshalb hat vor allem Sony stark aufgeholt und Marktanteile geholt:

Denn wenn man die Kamera für Rechenleistung, Abwärme und Akku sowieso groß und schwer bauen muss, dann kann man auch gleich einen großen Sensor mit besserer Bildqualität und höherer Lichtempfindlichkeit dranschrauben.

Und da reden wir noch von 60fps, nicht von 150.