Ansichten eines Informatikers

Was in Berlin noch funktioniert

Hadmut
15.10.2021 1:54

Man muss eben Prioritäten setzen.

Inzwischen geht ja so wirklich ein Berliner Versagen nach dem anderen durch die Medien rauf und runter:

  • Flughafen funktioniert nicht. Inzwischen gibt es offizielle Ratschläge, dass man sein Gepäck am besten schon einen Tag vor Abflug aufgeben sollte. Wobei mir noch nicht klar ist, ob sie damit meinen, es am Schalter abzugeben, oder es einfach aufzugeben wie alle Hoffnung fahren zu lassen und ohne Gepäck zu reisen.
  • Das Desaster bei den Wahlen, dass nur Berlin zu doof ist, Wahlen abzuhalten, hat sich auch rumgesprochen.
  • Dass nicht nur ich Probleme habe, an einen Personalausweis zu kommen, sondern an Ausweise, Reisepässe, KFZ-Zulassungen, Führerscheine dieses Jahr wohl gar nicht mehr zu kommen ist, ist längst running gag. Als die hier nebenan noch ein Wohnhaus errichtet haben, konnten die neuen Bewohner sich da über Wochen hinweg nicht anmelden. Für die Wahl neulich wurde explizit die Anweisung herauszugeben, auch abgelaufene Personalausweise zu akzeptieren, weil es frische nicht gibt. So wie Mängelwirtschaft in der DDR.
  • Schulen kriegen sie nicht mehr hin. Baulich nicht, Lehrer kriegen sie auch nicht mehr.
  • Die IT kriegen sie schon zwischen den Stadtteilen nicht zusammen, die Netzwerke ihrer Gerichte nicht wieder zusammengeflickt. Auch Monate nach einem Cyberangriff kriegen sie das Zeug nicht zum Laufen. Die Tage kam im Autoradio, ich weiß nicht mehr, um welche Uni es ging, aber ich glaube, es war eine Berliner, ach, es lässt sich ergoogeln, es war die TU Berlin, an der sich die Studenten derzeit nicht normal immatrikulieren können, weil die vor Monaten mal angegriffen wurden:

    Die Wurzel allen Übels liegt im Angriff der Hackerbande “Conti”, die in Russland verortet wird. Die hatte Ende April das “Active Directory” der TU, ein zentrales Verzeichnis, angegriffen, wovon sich die Universität noch immer nicht erholt hat.

    Ende April.

Man fragt sich, ob in Berlin denn überhaupt noch irgendetwas funktioniert.

Aber ja.

Ich hätte es nicht gedacht, aber es gibt noch etwas, was in Berlin funktioniert. Eine Leserin (!) schreibt mir begeistert davon:

Da Sie in Berlin wohnen, wissen Sie sicher, dass man als Unternehmen, welches für einen städtischen Betrieb in Berlin tätig werden will, einen Nachweis zur Einhaltung der Frauenförderverordnung (und welche Maßnahmen dafür ergriffen werden) erbringen muss. Falls nicht, wissen Sie es jetzt. Wir alle, unsere Chefs und die Mitarbeiter, egal ob männlich oder weiblich, lasen beim ersten Mal, als wir damit konfrontiert wurden, staunend und kopfschüttelnd das Formular. Wir waren sowas von perplex. Bei uns zählt das Fachwissen und nicht das Geschlecht. Wie absurd, das anders handhaben zu wollen. Und vor allem wie? Versuchen Sie mal, im Ingenieurbereich für [anonymisiert, so schwerindustrieller technischer Männerkram eben] interessierte Frauen zu finden. Logischerweise dominieren hier die Männer, was den prozentualen Anteil der Belegschaft angeht.

Man muss einfach Prioritäten setzen.