Deep Fake gefährlich in Online-Meetings
Jetzt wird es wirklich gefährlich.
Gut, dass man in den seit Corona so häufig betriebenen online-Besprechungen per Zoom, Teams und wie sie alle heißen, gerne mal den Hintergrund austauscht, weil die Bude nicht aufgeräumt oder einfach nicht schön ist, ist ja nun bekannt. Und üblich. Viele der Client-Apps können so mehr oder weniger gut oder schlecht den Hintergrund austauschen, sieht oft gruselig aus.
Ich habe mir selbst gleich zu Anfang auf dem Tisch, der eigentlich mein Wohnzimmeresstisch ist, mit einem Greenscreen, ein paar Lampen und einem Mischpult eine ordentliche Green-Screen-Lösung gebaut, und das auch konsequent benutzt, weil ich schlicht nicht will, dass andere mir in die Bude gucken oder ich schräg dastehe, weil irgendwo Bücher hinter mir im Regal stehen, über die ich gerade blogge oder die mir irgendwer zugeschickt hat. Ich habe da lieber kontrollierte Sachverhalte und einen Aufbau, der es verhindert, in die Wohnung zu gucken. Gibt ja auch schon endlos Beispiele, wo Leute in Videokonferenzen gedankenlos aufs Klo gehen oder der Gatte in Unterhosen hinten vorbeiläuft. Irgendeiner bekam in Amerika Ärger, weil man im Hintergrund eine nackte, hübsche Blonde in Strapsen sah, die aber eben nicht seine Frau war. Irgendeinen haben sie aufgenommen, wie er in Gedanken versunken war und sich einen runterholte. Und so weiter und so fort. Geradezu lustig und harmlos war, dass auf irgendeinem Fernsehsender der Wetterfrosch das Wetter verkündete und auf einmal sein kleines Töchterchen ins Bild lief und maulte, und ihm nichts anderes übrig blieb, als mit der kleinen auf dem Arm weiterzumachen, weil er halt aus dem HomeOffice sendete. In diesem Fall tobten die Zuschauer vor Jubel und Begeisterung. Videokonferenzen in die Wohnungen sind von übel und gefährlich.
Nun gibt es – vor allem in den USA – auch eine Diskussion darüber, wie fein man sich da eigentlich macht. Gerade dort schminken sich Frauen für Fernsehen und auch für Büro teilweise sehr stark und donnern sich auf, fragen sich dann aber schon, ob das auch für das eigene Wohnzimmer üblich ist. Der Trend geht dann schon zur ausgleierten Jogginghose. Wobei ich auch schon mit Anzug und Krawatte an meinem Esstisch saß, um Stellungnahmen abzugeben, und mir da auch sehr komisch vorkam, aber immerhin die Hausschlappen dazu anbehielt.
Ich habe neulich jemandem, der mich zu seiner Wohnungssuche nach Tipps befragte, geraten, was ich nie zuvor jemandem riet oder selbst bedachte: Darauf zu achten, dass man in der Wohnung für Online-Konferenzen, Bewerbungsgespräche und all den Kram eine videotaugliche Ecke hat. Ton, Licht, Hintergrund, Strom und so.
Wobei ich allerdings auch den Eindruck habe, dass die Videokonferenzerei wieder stark nachgelassen hat, weil es den Leuten zum Hals raus hängt. Das war mal ein Jahr lang ganz gut und hatte seine Vorteile, man hat es mal geübt und gelernt, aber so richtig toll, dass man es zum Standard macht, ist es nun auch nicht.
Es hat seine Vorteile, unbestritten, aber nicht nur und überwiegt nicht alles andere.
Wobei ich es durchaus auch erlebt habe, dass Leute dann gar nicht mehr herkömmlich telefonieren, sondern nur noch videokonferenzen, das anderen aber auch nicht angenehm ist. Nicht nur, weil es in manchen Ländern nicht als selbstverständlich aufgefasst wird, sich selbst und den Hintergrund hinter einem zu zeigen, sondern auch weil es die Leute so stört, dass andere auch ohne Telefonat (z. B. bei Microsoft Teams) sofort sehen können, wann sie überhaupt online sind, sich also gegenseitig die Arbeitszeiten überwachen.
Andererseits muss ich sagen, dass ich die letzte Silvesterfeier coronabedingt mit Freunden und auch Vereinssitzungen online abgehalten habe, was lustig war, und ich manche Leute seit Jahren endlich mal wieder gesehen habe, die hunderte Kilometer weg oder sogar im Ausland wohnen.
Aber: Ich neige dazu, irgendein Foto oder synthetisches Video als Hintergrund zu wählen. Keinen echten. Man sagt mir zwar, dass ich mit der frontalen Ausleuchtung von vorne (geht in der Sitzecke nicht anders, zu wenig Platz) und dem fotografierten oder synthetisierten Hintergrund säße ich da wie der Nachrichtensprecher in der Nachrichtensendung – aber es gibt Schlimmeres. Ich habe ja auch schon Schulungen und Vorträge gehalten, und da passt das eigentlich ganz gut.
Man kann im Prinzip jeden anderen Menschen annehmen, sogar Tiere. Man kann, was sie als Beispiel nennen, ungeschminkt und Gammelklamotten teilnehmen und so aussehen, als wäre man geschminkt und im Kostüm. Man kann wie Einstein aussehen. Oder wie ein Kätzchen. In Echtzeit.
Über kurz oder lang wird das zu albernen Spielchen führen, in denen jeder aussieht wie ein anderer Teilnehmer. Oder wie der Chef. Oder der Nikolaus.
Es kann aber eben auch zu üblen Effekten führen. Gerade in hysterischen MeToo-Zeiten, in denen man für jedes falsche Wort hingerichtet und geschasst werden kann und das dann oft gar nicht weiß, wofür eigentlich und sich auch nicht verteidigen kann. Es wäre dann leicht, in irgendeiner Firmenkonferenz als der ungeliebte Kollege aufzutreten und rumzupöbeln oder Frauen so anzublubbern, dass man dafür gekündigt wird.
Aber nicht nur das.
Es gab schon seit einigen Zeiten Betrugssysteme, in denen Emails mit gefälschten Absendern in Firmen geschickt wurden, wo dann – vermeintlich – der Chef die Sekretärin anweist, die beigefügte Rechnung umgehend zu bezahlen. Das könnte dann in Videokonferenzen ebenso ausgenutzt werden, wenn man doch vom Chef persönlich aufgefordert wurde, etwas zu bezahlen.
Und es ist auch schon vorgekommen, dass Journalisten oder andere Leute sich gegenüber Politikern als irgendwer anderes ausgaben und die drauf reingefallen sind. Meist am Telefon mit einem Stimmimitator.
Wenn da jetzt aber noch ein Deep-Fake-Gesicht in Echtzeit dazukommt, dann wird das höllengefährlich. Wenn man glaubt, mit dem Parteikollegen zu sprechen.
Es wird wohl auch zu einem erheblichen Anstieg der Online-Pornografie führen, wenn man nicht mehr sein eigenes Gesicht zeigen muss, sondern wie irgendein Popstar aussieht.
Problematisch wird das dann auch bei Bewerbungsgesprächen, wenn derjenige im Original ganz anders aussieht. Vielleicht weit weniger attraktiv. Es gab ja auch schon diese Aktionen, bei denen sich Leute mit deutschem und türkischem Namen beworben haben um zu zeigen, dass sie mit deutschem Namen eher an den Job kommen. Das dann vielleicht auch mit dem Gesicht.
In England hat ja einer schon eine Weihnachtsansprache der Queen gefälscht, allerdings noch so, dass man am Inhalt erkennen konnte und musste, dass das nicht echt ist.
In Zeiten, in denen ein Armin Laschet aber die Wahl auch deshalb verlor, weil man ihn hat lachen sehen oder er den Fehler machte, sich vor einem Müllhaufen aufnehmen zu lassen, ist das hochproblematisch.
Auch bei Trump wurde ja einiges gefälscht. Anhänger der Konkurrenzpartei hatten bei seinen Wahlveranstaltungen Sitzplatzkarten reserviert, sind dann nicht hingegangen und haben die Plätze leer gelassen und dann das Video verbreitet, dass Trump vor leeren Rängen rede, weil nicht mal seine eigenen Anhänger ihm noch zuhörten. Stellt Euch mal vor, womit man die Social Media geflutet hätte, wenn solche Deep-Fake-Tools mit einfacher Bedienung schon im US-Wahlkampf verfügbar gewesen wären.
Umgekehrt könnte es natürlich auch sein, dass ein kompromittierendes Video echt ist, der Gezeigte es aber mit der Behauptung abstreitet, es sei ein Deep Fake. Man könnte sogar hingehen, und von einem (echten) kompromittierenden Video nochmal Deep Fake-Versionen in Umlauf zu setzen und zu sagen, dass das doch Fake sei.
Ganz schwieriges Thema.