Zur Aussprache des Vornamens von Cem Özdemir
Mal was sprachliches. [Nachtrag]
Ich hatte doch gerade beschrieben, dass die Baerbock-Verteidiger gerade so eine Kampapgne fahren, dass Deutsche Baerbock nicht wegen ihres Englisch kritisieren könnten, weil Deutsche sich ja selbst nicht integrieren würden und bis heute türkische Namen nicht aussprechen könnten. Was mir unverständlich ist, weil ich zwar weder türkisch noch arabisch spreche, aber zumindest weiß, dass es die Namen – wie beschrieben – dieses Kulturraumes in jeweils unzähligen Variationen gibt. Ich habe sogar manchmal den Eindruck, dass die nur sehr wenige Grundnamen haben, und auch deshalb so stark variieren, so viele Leute eine Variante von Mohammed als Vornamen haben.
Wobei mir auch erst im Nachhinein eingefallen ist, dass ich beim Beispiel Sliman, Salman, Süleyman eigentlich Salomon vergessen habe. Schon einige Male wurde ich durch Leser darauf hingewiesen, dass der Begriff „Antisemitismus“ eigentlich völlig falsch sei, jedenfalls in Bezug auf Araber, weil der Begriff sich nicht auf einen Volksstamm, sondern die Sprachgruppe der semitischen Sprachen beziehe, zu der arabisch und hebräisch gleichsam gehörten. Auch Araber seien Semiten und könnten deshalb nicht Antisemiten sein, weshalb das einzig zutreffende Wort „Judenhass“ sei, die depperten Geisteswissenschaftler, namentlich die Soziologen, dieses Wort aber nicht benutzten wollten, und unbedingt etwas brauchten, was sich wissenschaftlich anhört und in deren marxististisches „Anti…ismus“-Schwafelschema passt. Ein Israeli hatte mir aber mal erklärt, dass sie in der Schule arabisch lernten, um Araber beim Schmieden von Terrorplänen besser verstehen zu können, das aber so schwer nicht sei, weil arabisch und hebräisch eng verwandt seien, was er mir am Beispiel Shalom – Salam – Salem erklärte. Ich interpretiere mal frei, dass Hevenu Shalom Alehem wie Salem Aleikum klingt, weil die Sprachen verwandt sind und von Alehem zu Aleikum nur geringfügig Vokale und der Gutturallaut verschoben sind und beides soviel wie „mit Dir“ oder „auf Dir“ bedeutet. Sinngemäß wie in „Peace be upon him“, von 2. und 3. Person mal abgesehen, denn Salem, Salam, Shalom heißen meines Wissens „Friede“. Es ist also naheliegend, dass die Variantenstreuung der Vornamen in diesem Kulturraum eng mit der Streuung innerhalb der semitischen Sprachen zusammenhängt. Schon deshalb erscheint es mir unglaubwürdig, wenn jemand daherkommt und behauptet, es gäbe genau eine richtige Aussprache für einen Vornamen, und die Deutschen würden sie nicht beherrschen.
Was natürlich von den Fragen ablenkt, a) warum und b) woher Deutsche die korrekte Aussprache türkischer Vornamen beherrschen sollten, wenn sie nicht zufällig jemanden dieses Namens persönlich kennen. Wobei mir schon mindestens drei bis neun Dutzend Menschen mit Vornamen des Variantengroßraumes Mohammed begegnet sind, und jeder seinen Namen irgendwie anders aussprach. Und c), warum sie sich daran in gleicher Weise messen lassen müssten wie eine lebenslauflose Außenministerin, die von 41 Lebensjahren nicht mehr vorzuweisen hat, als die – übrigens auch nicht durch vollständiges Vorzeigen eines Zeugnisses belegte – Behauptung, ein Jahr in London studiert zu haben, und sich dabei nicht erwartungsgemäß anhört, zumal sie ja zu Schulzeiten auch ein Jahr in den USA gewesen sein will.
Bleibt als Quelle der Kenntnis der Aussprache von Vornamen das Fernsehen.
Derweil poltert gerade eine Kampagne durch die Social Media, wonach Deutsche es zu unterlassen hätten, Baerbocks Englisch zu kritisieren, weil sie ja selbst die türkischen Vornamen nicht richtig aussprechen könnten. Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht, aber das Argument, dass die Deutschen sich nicht richtig ins Türkische integrieren würden, wurde schon vor Baerbock-Englisch erhoben und nur für diesen Zusammenhang frisch aufgewärmt. Nicht immer, aber oft muss dabei der arme Cem Özdemir als Opfer falscher Namensaussprache herhalten, weil, so geht das Gerücht in den Social Media, der ignorant-trampelhafte integrationsunwillige Deutsche diesen als „Dschemm“ mit hartem D, also wie das englische „Jim“, nur mit anderem Vokal, und nicht geschmeidig „Schem“ ohne einleitenden Explosivlaut ausspräche.
Ich will mal zwei herausgegreifen:
Deutsche: „Haha, Baerbocks deutscher Akzent“
Auch Deutsche: „Tschem Ötzdemia“
— Paul Starzmann (@paul_starzmann) December 16, 2021
Viele Deutsche können noch immer keine türkischen Namen aussprechen, spotten aber über den Akzent unserer neuen Außenministerin. Ein trauriges Beispiel. https://t.co/B2s4WCF5Lq
— Tagesspiegel (@Tagesspiegel) December 18, 2021
Glücklicherweise ist der Artikel hinter Paywall, so dass ich ihn nicht ertragen musste, aber im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass der erste, Paul Starzmann, sich in seinem Profil mit
Journalist @tagesspiegel. German politics, colonial legacy, Afrika Mashariki. Views are my own.
beschreibt, also auch Tagesspiegel und linksbekloppt.
Cem, Schemm, Dschemm, Tschem?
Bleibt also die Aufgabe, verbindlich zu klären, wie denn der Name nun ausgesprochen wird.
Also habe ich bei der Pressestelle seines neuen Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (wo ich thematisch betrachtet ja auch eher den intragrün und außenministeriell so kategorisierten Schweinemelker erwartet hätte) mit Bezug auf eben jene grüne Baerbock-Verteidigungskampagne angefragt, wie es sich denn nun genau verhalte mit der Aussprache, und wie der Minister sie wünsche und selbst für richtig halte. Auch nach dem gewünschten Geschlechtspronomen zu fragen habe ich mich nicht getraut.
Und recht flott, gleich schon heute morgen, bekam ich erquickend Antwort von höchster Stelle:
Sehr geehrter Herr Danisch
gerne unterstützen wir Sie bei Ihrer Recherche: In den sozialen Medien finden sich eine Reihe von Posts, in denen Bundesminister Cem Özdemir seinen Namen ausspricht, beispielsweise zu Beginn dieser Aufnahme auf Twitter: https://twitter.com/cem_oezdemir/status/1334530808384790528
Nach dem Internationalen Phonetischen Alphabet ergibt sich folgende Darstellung der Aussprache: [ˌʤɛm ˈœzdɛmir]
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Beste Grüße
Ach, gar.
[ˌʤɛm ˈœzdɛmir]
Demnach macht der Vorname mit einem stark betonten koronalen alveolaren pulmonalen plosiven Konsonanten auf. Hatte ich mir doch gleich gedacht.
Zwar kam die Pressestelle auch meinem Wunsch nach Video oder Audio nach und verwies auf
Nicht diejenigen sollten ein Problem haben, die von #Rassismus betroffen sind, sondern diejenigen, die sich rassistisch Verhalten. #MeineStimmeGegenHass pic.twitter.com/pPrteWDpUu
— Cem Özdemir (@cem_oezdemir) December 3, 2020
wo er sich eingangs vorstelle. Das aber hilft nicht ernstlich weiter, weil man zwar deutlich den plosiven Konsonanten hört, er aber „Mein Name ist Cem Özdemir“ sagt, und dabei „ist Cem“ so dicht aneinander spricht, dass man den Plosivlaut nicht eindeutig dem Ende von „ist“ oder dem Anfang von „Cem“ zuordnen kann. Unglückliche Wortwahl, um die Aussprache darzustellen, aber das war ja an der Stelle gar nicht die Absicht.
Trotzdem hört es sich für mich eher – nicht sicher – so an, als würde das proletarisch-deutsche „Dschem“ der Sache doch recht nahe kommen, während beim Nachnamen doch noch Übungsbedarf und Anlass zum Feinschliff bestehe. So kann wohl als gesichert gelten, dass der Nachname nicht wie „Ötz..“ sondern wie „Öss…“ gesprochen wird (und Ötzi als Kosename daher verfehlt wäre, während Össi sich zu sehr nach Neufünfländer anhören würde), während ich mich der Frage nach der Zulässigkeit, einen auf „..ir“ endenden Namen wie „…ia“ auszusprechen entziehe, weil ich das nicht für eine falsche, sondern nur eine regionale oder nachlässige Aussprache halte (mia san mia…), und ich mir Özdemirs Aufnahme nun zehnmal angehört habe, und er das r durchaus nicht arabisch rollt, sondern man das wirklich als „..ia“ verstehen kann. Man muss Namen nicht präziser sprechen als deren Inhaber es selbst tut, und vor allem nicht anders, als er selbst gewählt hat.
Ich gebe allerdings zu bedenken, dass es in der Geschichte sehr häufig so war, vor allem bei Auswanderern in die USA oder andere englischsprachige Länder, dass Migranten aus eigenem Willen ihren Namen an die Sprache des Ziellandes angepasst hatten, wie György zu George, oder Battenberg zu Mountbatten.
Ich halte mich also an die übermittelte Lautschrift, aus der der fragliche Konsonant hervorgeht, und komme zu dem Schluss, dass der dumme Deutsche mit der Aussprache näher am Ziel ist als die Belehrungen der Social Media.
Man sollte eher umgekehrt mal fragen, warum einerseits so viele als Kind nur eingewanderte Türken so gut deutsch sprechen (Witz aus meiner Studienzeit: Was ist der Unterschied zwischen Türken und Bayern? Die Türken sprechen besser deutsch.), es aber andererseits so viele Türken gibt, die hier entweder seit über 30 Jahren leben und kaum einen Satz auf Deutsch rausbringen, oder sogar hier geboren sind und nur rudimentäres Kanak-Deutsch sprechen. Ich hatte mal einen Arbeitskollegen, der als Kind nach Deutschland kam, weiß nicht mehr, woher, Kosovo oder irgendsowas, der mir erzählte, dass man ihn in Berlin nochmal umschulen musste, weil er an der ersten Schule, an der er war, keine Chance hatte, Deutsch zu lernen, die sprachen da alle nur türkisch, und für Deutsch bezog man mitunter Prügel. Insofern sollte man sich eigentlich davor hüten, aus der türkischen Position heraus Deutsche über die Aussprache eines türkischen Namens bezüglich seiner Konsonanten belehren zu wollen, wenn viele sogar hier geborene Türken an elementarem Satzbau scheitern. Im Deutschen pflegen wir dafür das Sprichwort „Wer im Glashaus sitzt…“
Vor allem aber bin ich der Auffassung, dass es als Argument dafür, Annalena Baerbock vor Kritik an der Diskrepanz zwischen akademischem Auslandsanspruch und tatsächlichen Sprachfähigkeiten zu schützen, völlig untauglich ist.
Ich muss ja auch nicht Xylophon spielen können um zu sagen, dass sich das Trompetenspiel jemandes, der in Trompetenland studiert haben will, wirklich nicht danach anhört. Davon abgesehen: Ich kann auch überhaupt nicht Trompete oder Geige spielen. Und trotzdem hören und auch sagen, ob jemand Trompete oder Geige spielen kann oder nicht.
Vor allem aber darf ich als Steuerzahler, Wähler und Bürger was dazu sagen, von was für Leuten wir international vertreten werden oder die wir mit Steuergeldern bezahlen müssen, insbesondere wenn es sich um eine Quoten-Doppelnullagentin wie Baerbock handelt.
Und an einem Punkt komme ich gar nicht vorbei: Das fehlte noch, dass man erst türkisch lernen muss, um als Deutscher in Deutschland noch seine Meinung über eine Deutsche sagen zu dürfen. Noch sind wir nicht so weit, dass Türkisch hier die Voraussetzung zur Ausübung der Meinungsfreiheit wäre. Noch nicht.
Und so komme ich – wieder mal – zu dem eindeutigen Ergebniss, dass Presse im Allgemeinen und der Tagesspiegel im Besonderen längst nicht nur überflüssig und nutzlos geworden sind, sondern sich auf Publikumsbeschimpfung reduzieren und damit unter Null sind und ab in die Tonne können (und sollen).
Wer kauft sowas noch?
Nachtrag: Während ich den Artikel geschrieben habe, lief noch eine Mail ein:
Lieber Herr Danisch,
nicht als Klugscheißerei, sondern nur weil ich zufällig einiges an Türkisch kann (habe rund 20 Monate in der Türkei arbeitend verbracht):
Cem Özdemir wird ausgesprochen: Dschem Ösdemir.
C = dsch (Ç wäre tsch). z = weiches, stimmhaftes s.
Im Türkischen gibt es die schwebende Betonung, aber der Name Özdemir (“echtes Eisen”) wird auf der ersten Silbe betont.Mit besten Grüßen,
Davon sollte sich Baerbock mal eine Scheibe abschneiden.
Würde Cem Özdemir dann soviel wie „Jim Eisenhart“ bedeuten? Oder hat das vielleicht eine semantische Nachbarschaft zu jiddischen Namen im Stil von „Eisenberg“ oder „Silberstein“?