Ansichten eines Informatikers

Handy-Peilsender-Besitz demnächst Bürgerpflicht ?

Hadmut
30.6.2008 11:41

Rennen wir demnächst alle mit einem Zwangs-Peilsender herum?

Ich habe gerade auf Telepolis einen Artikel über das von Schäube geplante zentrale Melderegister und die rhetorische Verwandschaft zu Österreich gelesen. Es ging darin auch um die Überwachung des Aufenthaltsortes durch Handy-Peilung.

Da fallen mir so verschiedene Dinge ein. So habe ich irgendwo gelesen, daß man bei den Olympischen Spielen in Peking großflächig Dektoren einsetzt, die jeden Handy-Träger (also nahezu jeden) ständig tracken und dessen Wegstrecken in Datenbanken schreiben. (Wieviel Aufwand es wohl wäre, dann in Peking in der Stadt ein Muster zu gehen, daß bei graphischer Darstellung chinesische Schriftzeichen mit üblen Beleidigungen ergibt? Wäre das strafbar?)

Im Radio habe ich mal gehört (schon länger her, muß wohl SWR3 gewesen sein), daß in Deutschland irgendeine Uni an einem Verfahren zur genaueren Stauvorhersage arbeitet. Die haben solche Detektoren an der Autobahn und registrieren die Handys, die im Auto mitfahren. Daraus erechnen sie die mittlere Zeit, die man normalerweise von Punkt A zu Punkt B braucht, was nun einfach zu messen ist, weil man die Autos (resp. die Handys) leicht wiedererkennt. Aus Datenschutzgründen wollen sie die Autofahrer nicht einzeln, sondern im größeren Gruppen (so ca. 100) erfassen, was außerdem durch statistische Mittelung das Ergebnis verbessert und Ausreißer glättet. Damit kann man wohl sehr genau erkennen, daß und um wieviel eine Verzögerung eintritt, weil die Leute langsamer fahren müssen. Damit hieße es im Radio nicht mehr “zähflüssiger Verkehr” sondern “Verlängerung der Fahrtzeit auf der Strecke X um Y Minuten”.

Interessant auch, daß Schäuble nun immer mehr Daten sammeln will, bis hin zum Hochzeitstag und -ort (Ätsch, kriegt er von mir nicht). Dabei hat Schäuble doch geschlampt, hat er doch die Farbe der Schuhe und den Haarschnitt vergessen. Andere Länder sind da weiter (siehe hier).

Aber vielleicht drehe ich ja auch mal wieder hohl und sehe Gespenster. Genauer gesagt einen Überwachungsstaat. Es könnte nämlich sein, daß mir mein gestriger Museumsbesuch nicht bekommen ist. Ich war gestern im Stasi-Museum im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Zwiespältig eindrucksvoll. Einerseits erstaunlich, mit welchen perfiden Methoden die da Leute fotographiert und abgehört haben. Unglaublich, wo und wie die überall Kameras und Mikros eingebaut haben, in Taschen, Handschuhe, Jacken, Steckdosen usw. usw., die waren geradezu krankhaft auf Datensammlung. Haben wir so etwas jetzt wieder? Man muß sich mal vorstellen, mit welchen – eigentlich primitiven – Mitteln die da eine flächendeckende Abhörtechnik hinbekommen haben. Ordinäre mechanische Allerweltskameras und diskret zusammengelötete Wanzen. Da muß ich klar sagen, daß die Dinger, die ich mit 14 mal zusammengelötet habe, auch nicht schlechter waren. Da kann man echt Panik bekommen, wenn man weiß, welche Fortschritte die Technologie inzwischen gemacht hat. Auf Phoenix kam die Tage ein Bericht über Telefonieren in der DDR, in dem gesagt wurde, daß ein neueres Standard-Modell des DDR-Telefons schon serienmäßig und ab Werk die Schnittstelle zum Fernabhören des Raums auch bei aufgelegtem Hörer ermöglicht. Scheint zu stimmen, denn im Museum gab es eine Einbau-Wanze, die laut Erläuterungstafel in Telefondosen eingebaut wurde, wenn dort noch alte Telefone ohne die modernere Abhörschnittstelle verwendet wurde. Wäre wohl zu seltsam, wenn man abends nach Hause kommt und das alte Telefon wurde gegen ein neues ausgetauscht. Heute macht man sowas in Software.

Interessant war auch, daß mir jemand erzählte, daß der Film “Das Leben der Anderen” sehr gut und unbedingt sehenswert wäre (sie waren ganz stolz, daß Teile des Films in ihrem Museumsministerium gedreht worden waren), aber daß er zugunsten der Dramaturgie einige Fehler aufweise. So gebe es in dem Film (hab ich noch nicht gesehen, werd ihn mir aber kaufen) wohl eine Szene, wo ein 6-Mann-Stasi-Trupp zum Verwanzen einer Wohnung anrückte und die Nachbarin, die das durch den Türspion sah, zum Schweigen einschüchterte. So plump sei die Stasi damals nicht vorgegangen, sagte man mir. Das lief anders: Man habe vorher im Haus (Plattenbau…) einen Aushang gemacht, daß am soundsovielten (wie bei uns das Heizungsablesen) die Heizungsrohre gereinigt werden müßten. Die Anwohner werden deshalb aufgefordert, das Haus zu verlassen und alle Wohnungstüren offenstehen zu lassen. Damit das dann plausibel wirkte, hat man dazu tatsächlich einen Trupp Heizungsmonteure rangeholt, die irgendwas auseinander und wieder zusammengeschraubt haben, damit die Begehungsspuren in den Wohnungen eine ordentliche Legende haben. Nur daß dann eben nicht nur die Monteure in der Wohnung waren. Und wenn es nun gar nicht anders ging, haben sie auf eine Sonderentwicklung zurückgegriffen: Die konnten Wohnungen auch durch die Abflußrohre über mehrere Etagen hinweg in verblüffend guter Qualität abhören. Die haben sich sogar Holzkisten gebaut, in denen einer über längere Zeit sitzen konnte und durch Sehschlitze rausfotographieren konnte. Die haben sie dann auf einen kleinen LKW gepackt und – scheinbar verlassen – irgendwo hingestellt, um die Leute heimlich zu fotographieren. In Baumstümpfen, Vogelnestern, Öltonnen und weiß der Kuckuck was nicht alles hatten sie ihre Kameras versteckt.

Auf die Idee muß man erst mal kommen: Damit sie auch bei Nacht was überwachen konnten, haben sie einen Trabbi umgebaut, die äußere Türverkleidung ersetzt (das war dann so eine Trabbi-beige-farben lackierte Kunststoffscheibe, was man nicht sieht, weil der Trabbi sowieso aus Plastik war) und auf voller Fläche Infrarotscheinwerfer eingebaut, die durch die Tür hindurchleuchten konnten. Die haben den Trabbi also ganz normal irgendwo geparkt und sind gegangen. Und damit war dann der Platz vor der Beifahrertür weiträumig und über längere Zeit Infrarot-ausgeleuchtet.

Und wenn man sowas im Museum sieht und dann mitbekommt, daß bei uns Daten gesammelt werden und die Handy-Ortung immer umfangreicher und wichtiger wird, kann es einem schon etwas sonderbar zumute werden. Nachdem ja kürzlich irgendwas davon stand, daß selbst die Grundschüler jetzt schon zu einem satten Anteil mit Handy herumlaufen. Kein Wunder, ein gutes simlock- und vertragsfreies Handy bekommt man inzwischen ab 20 Euro und die Karte dazu hinterhergeworfen.

Und so kommt es, daß wir uns alle vor RFID-Tags in Hosen fürchten, aber wie selbstverständlich mit einem viel stärkeren, aktiven und mit Mikro ausgestatteten Peilsender in der Hosentasche herumlaufen. Der uns mittlerweile auf Schritt und Tritt verfolgen kann – dank bestens ausgebauter weltweiter GSM-Infrastruktur.

Ganz so fern und abgeschafft erschien mir die Abhör- und Überwachungs-Ausstellung dann gar nicht mehr. Das kam mir dann eigentlich nur veraltet vor. Was ist eine diskret zusammengelötete Wanze in der Telefonsteckdose gegen die Onlinedurchsuchung und die Überwachung des Internetverkehrs?

Es wäre kein richtiger Eintrag in meinem Blog, wenn nicht noch eine absurde Note drin wäre:

In diesem Stasi-Museum gibt es Absperrungen, weil man manche Bereiche (Teppiche und manche Räume) nicht betreten soll. So Ständer mit ner querlaufenden Kordel eben, wie man sie kennt. Was ich nicht wußte: Einige dieser Absperrungen waren gerade entfernt worden, weil eine Fotographin für ein Dokumentationswerk Aufnahmen machte. Deshalb konnte man an einem kleinen Nebengang nicht sehen, daß man da eigentlich nicht reinlaufen sollte, und genau da lief ich in meinem Rundgang also hinein (man hat mir das dann hinterher gesagt, daß ich das eigentlich nicht hätte sollen, aber auch nicht hätte erkennen können). Und so kam es dann, daß mir das zweifelhafte Privileg zukam, Erich Mielkes persönliches Klo zu besichtigen. Eine traurige Angelegenheit. Sowas schlägt ganz sicher aufs Gemüt, wenn man da morgens sitzen muß.