LEHR – NICTS DRINE !
Wenn ich was über’s Fliegen und den Flughafen zu erzählen habe, dann wird’s meistens finster. Heut hab ich mal was Nettes…
Ich gebe zu, ich bin bisweilen wankelmütig. Mal tendiere ich bei irgendwelchen Sachen, die ich mir kaufe, zu preisgünstigen No-Name-Produkten, dann wieder zu Markenprodukten. Ich hatte nämlich auch schon ganz hervorragende Billig-Sachen und hundsmiserable teure Sachen. Nehme ich auf Reisen eher eine billige Hose, bei der es mich nicht juckt, wenn sie von der Wäscheleine geklaut wird oder ich sie wegwerfen muß (z. B. um sie im Rahmen des Gepäckvolumens/-gewichts zugunsten von Einkäufen zu opfern) ? Ich habe gute Erfahrung damit, für Ausflüge in Gegenden, in denen man auch mal überfallen werden kann, ein paar alte, schäbige Hosen dabei zu haben, und nicht immer wie ein geleckter Tourist aus dem Outdoor-Katalog herumzulaufen. Man könnte sich auch ein Schild umhängen “Ich hab Geld, teures Zeugs und bin nicht von hier, also raub mich aus oder hau mich wenigstens bei den Preisen übers Ohr!”. Andererseits ist bei Outdoor-Reisen eine gute Hose, die hält, besser als fünf Pseudo-Outdoor-Hosen aus Billigmaterial und mit schlechten Nähten vom Discounter, die keine Belastung aushalten und sofort Scheuerfäden ziehen. Die Abwägung ist schwierig. Meistens mische ich etwas, ein oder zwei gute, teure Hosen und noch etwas Billigzeugs dazu.
Anders ist das bei Koffern und Taschen. Da hat man normalerweise nur einen, kann also nicht mischen. Und wenn einem am Flughafen oder unterwegs in der Wüste der Koffer platzt oder die Tasche reißt, sieht man ganz alt aus. Ich hatte mal in einem Sportgeschäft eine augenscheinlich recht gute und trotzdem preisgünstige Reisetasche gekauft, die ich nicht mal bis nach Hause gebracht habe, bevor sie kaputt ging. Mit der Falte am Hosenbein an eine Schnalle gekommen, schon war sie ab. Tasche zurückgebracht und was G’scheits gekauft, was das zweieinhalbfache gekostet hat, aber eine harte dreiwöchige Tour durch die australische Wüste ohne sichtbare Schäden überstanden hat (nur auf dem Rückflug ist ein Firmenlogo abgegangen).
Deshalb nehme ich bei Koffern seit einigen Jahren Samsonite, mit denen ich so mittelprächtig zufrieden bin, und bei Taschen Eagle Creek, die sich (bis auf oben erwähntes Firmenschildchen, das vom Transportband im Flughafen abgerissen wurde) bisher als quasi unkaputtbar erwiesen haben.
Nur mit Samsonite war ich nicht so voll zufrieden. Irgendwie habe ich da immer noch die vielleicht 30 Jahre alte Fernsehwerbung im Kopf, in der irgendwelche Leute in einem Samsonite-Koffer den Berg runterrutschen oder Schaufelbagger mit einem Samsonite-Koffer Fußball spielen. Erstaunlich, wie solche Werbung die Meinung (und eben auch Erwartungshaltung) gegenüber einer Marke auf Dauer prägt. Die großen, flachen Samsonite-Kunststoffschalen-Koffer, die ich früher hatte, geben unter Belastung nach und gehen an den Seiten auf, trotz zusätzlicher Schnallen an den Seiten. Dann hab ich mir einen quadratischen Samsonite gekauft, der zwar im Prinzip sehr gut ist, aber erstens schwer ist und zweitens ein Problem hat: Die Rollen sind nicht an der Schmal- sondern an der Breitseite. Das hat den Vorteil, daß man den Koffer bequem über längere Strecken ziehen kann, ohne daß es zu dem dämlichen Aufschaukeln kommt, bei dem einem ständig der Koffer umfällt. Dafür kommt man mit dem Ding eigentlich nicht rollend durch die Gänge in Zügen, und dann wird es verdammt mühsam, das Ding längs voraus zu tragen.
Schließlich habe ich den für mich perfekten Koffer gefunden, von Samsonites günstigerer Marke “American Tourister”. Ein rechteckiger, hochkant fahrender, großer, aber nicht zu großer Trolley, sogar mit zwei Kleiderbügeln für Business-Klamotten, ausreichend für 1-2 Wochen Reise einschließlich Konferenzbesuch, Arbeitseinsatz usw. Also genau der perfekte Koffer für mich. Bis er kaputt ging. Ich kam von einer Reise zurück, die er unbeschadet überstanden hat, schaffte es bis zu Hause vor die Wohnungstür, blieb mit einer Rolle am Treppengeländer hängen, der Griff rutscht mit aus der Hand und der Koffer kippt auf den Boden, also von etwa 45 Grad in die Horizontale. Dabei fiel er auf den Griff zum Ziehen, der zerbrach und obendrein knickte das Gestänge ab. Nur vom halben Umfallen. Auskunft von Samsonite: Es gibt keine Ersatzteile, Reparieren is nich. Ab in den Müll mit dem kaum genutzten Koffer. Zeit also, die Marke zu wechseln.
Nur welche? Das mit den Marken ist so eine Sache. Man Vater hatte mal einen sündhaft teuren Aktenkoffer von DelSey, der sich selbst zerstört hat. Der hatte solche Kofferschlösser, die herausspringen, und die Federn waren stärker als das Material auf Dauer. Die Schlößer brachen schon nach kurzer Zeit, und damals gabs die lange Gewährleistung noch nicht.
Ich liebäugle gelegentlich mit Rimowa. In den Koffergeschäften sagen sie immer, das wären mit Abstand die besten. Klar, was sollen sie auch zu Koffern sagen, die 5 bis 10 mal so viel wie andere Koffer kosten. 500 Euro für nen Trolley bedürfen einer Begründung. Nun gibt’s da in erster Linie von denen die berühmten Alu-Koffer. Die sehen zwar ruck-zuck verkratzt und verschrabbelt aus, seltsamerweise dadurch aber immer besser und professioneller. Leider laufen immer mehr Leute mit so einem Ding herum und die sehen alle gleich aus. Es besteht die große Gefahr, daß der Koffer schon um des Koffers selbst willen geklaut wird. Und ich hab mir sagen lassen, daß die Schwachstelle die fehlende Elastizität des Aluminiums wäre. Zwar einerseits unkaputtbar, aber andererseits anfällig für’s Verbiegen. Seit der Koffer erst mal verzogen, sei es mit dem Spaß vorbei. Mmmh. Sie haben noch andere Serien mit sehr dünnen Kunststoffschalen und umlaufendem Reißverschluß. Sehr leicht, nicht so wirklich vertrauenserweckend. Aber angeblich super-stabil. Rimove hat mal diese Kofferschalenteile separat an Koffergeschäfte verteilt und draufgeschrieben, daß man doch bitte nach Lust und Laune darauf herumtrampeln möge (mit aufgedruckten Fußabdrücken) um sich persönlich von der Unkaputtbarkeit zu überzeugen. Dumm nur: In allen Koffergeschäften, in denen ich so ein Ding gesehen habe, war es schon kaputt. Naja, sagte man mir, ich möge berücksichtigen, daß die Dinger schon Jahre alt seien und es wirklich lange gedauert habe, bis sie kaputt gegangen seien. Seltsam auch, daß die Plastik-Dinger nicht so wirklich viel billiger als die aus Alu sind, aber eben leichter. Und auch wieder die gleichen Farben, mit denen alle rumrennen, die so einen haben.
Vorhin komme ich am Flughafen am Lufthansa-Shop vorbei. Der, in dem ich kürzlich schon den ominösen Taschenentleerer aus Leder entdeckt habe.
Und da steht da ein Koffer von Rimowa, die Kunststoffschalen-Variante in der Lufthansa-Version, Sonder-Edition, knallfarben, so einer der mich unter 1000 anderen Koffern anschreit “Hier bin ich”, genau nach meinem Geschmack, und auch noch gegenüber den normalen Modellen preisreduziert. Den muß ich haben. Nun war das Problem, daß das Ding im Online-Shop nicht oder nicht mehr zu haben war. Sie sagten, das wäre nur eine Sondervariante in ganz geringer Auflage gewesen. Gestern erst hätten sie die bekommen, und heute wären von den kleinen schon alle weg und von den großen nur noch zwei da. Letzte Chance, einen zu kriegen. Also hab ich zugegriffen, manchmal muß man die Gelegenheit beim Schopfe greifen. Und auf die letzte Sekunde noch eingecheckt, denn das normale Gepäck hatte ich schon längst am Schalter abgegeben und es war kurz vor Schluß. Den Koffer hab ich dann noch nachgeliefert und sie haben ihn gerade noch angenommen.
Dann wurde es mir doch etwas mulmig. Denn im Flugzeug und den Transportfahrzeugen werden die Koffer hoch gestapelt und müssen viel Gewicht und Druck aushalten. Der Koffer besteht nun aus sehr dünnen und flexiblen Schalen und es war überhaupt nichts drin, weshalb der Koffer schon bei geringster Kraft nachgibt. Würde er das überstehen, wenn schwere Koffer draufkommen? Wie würde ich einen Transportschaden reklamieren? Ein Koffer, der erst 3 Minuten alt ist und keinen Inhalt hatte?
Als ich dann hier am Baden Airport ankam und am Gepäckband wartete, mußte ich dann lachen, als der Koffer kam: Extra in eine Tüte verpackt, sorgfältig gefaltet und verschlossen, auf jeder Seite ein großer Aufkleber, auf dem einen steht handschriftlich “!LEHR!!”, auf dem anderen “NICTS DRINE!”.
Sind die nicht lieb? Ich könnt die knuddeln! 🙂
Nachtrag: Was ich zu erwähnen vergaß: Der Koffer hat eine “Backdoor”. Das Zahlenschloß hat zusätzlich ein Schlüsselloch für TSA-Schlüssel, damit amerikanische Behörden möglichst einfach (gut: zerstörungsfrei. schlecht: unbemerkt) den Koffer öffnen können. *Großer Seufzer*
2 Kommentare (RSS-Feed)
Die Rimowa-Koffer aus dem matten Kunststoff-Material sind relativ dünn und weich, gelten als Mittelding zwischen Flexiblem Textil- und Hartschalenkoffer. Angeblich sind sie “nahezu” unzerbrechlich, aber das Ding gibt leer schon bei leichtestem Druck nach und soll hinterher angeblich seine Form wieder annehmen.
Hört sich bei einem relativ teuren Koffer paradox an.
Jedenfalls ist das Ding als solches instabil und kann nicht viel Gewicht halten. Dafür ist es halt sehr leicht.
Physikalisch betrachtet: Wieso sollte ein leerer Koffer weniger Druck aushalten als ein gefüllter?
Weil die Hemden und Hosen von innen dagegen drücken?
Ich kann mir nur bei einem randvollen Koffer vorstellen, daß die transportierten Sachen zur Stabilität beitragen – auf immer volle Koffer kann sich aber doch kein Transporteur verlassen; also ob halbleer oder leer – das sollte doch nicht’s ausmachen.