Noch ein Puzzlestück zu Geheimdiensten und zum Abhören
Es gibt einen CIA-Bericht.
Heise beschreibt, dass die CIA einen Bericht veröffentlichen musste, aus dem das (Mindest-)Ausmaß ihrer Abhöraktivitäten gegenüber Bürgern hervorgeht:
Jenseits elementarer demokratischer Aufsicht sammelt die CIA riesige Menge an Daten über Personen aus anderen Staaten, aber auch von US-Bürgern. Dies geht aus einem Bericht des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB) der US-Regierung vom Frühjahr 2021 hervor, den der US-Auslandsgeheimdienst jetzt auf Druck von Senatoren hin mit vielen Schwärzungen veröffentlicht hat. Darin wird ein Programm zur Massenüberwachung beschrieben, das sich auf das Sammeln und überwiegend automatisierte Auswerten von Finanzdaten konzentriert. Daneben hat das PCLOB noch eine weitere einschlägige “Aktivität” der CIA untersucht, die weiter völlig geheim bleibt.
Das nun zum Teil publik gemacht Big-Data-Programm stützt sich auf die seit Jahren umstrittene Anordnung 12333, die der frühere US-Präsident Ronald Reagan ursprünglich 1981 erlassen hatte. Sie lässt unter anderem zu, dass Unternehmen und andere Einrichtungen überwacht werden, solange diese eine “irgendwie geartete Beziehung zu ausländischen Organisationen oder Mitarbeitern haben”. Dies kann im Fall einer US-Firma schon gelten, wenn dort ein Ausländer angestellt ist.
Auch die von Edward Snwoden 2013 enthüllten Überwachungsprogramme der NSA basierten zunächst mehrheitlich auf dem lange geheim gehaltenen Dekret.
Und von genau dieser Order 12333 von Ronald Reagan hatte ich kürzlich schon geschrieben, hier, hier und hier.
Inzwischen hat das Weiße Haus hier mit der ergänzenden Präsidentenanordnung 28 (PPD-28) Schranken etwa auch für den Schutz von Personen außerhalb der USA bei der Auslandsüberwachung aufgestellt. Andere Überwachungsinitiativen der NSA und des FBI unterliegen dem Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) und dem Patriot Act. Diese Anti-Terror-Gesetze sehen – im Gegensatz zum Erlass 12333 – zumindest eine juristische Kontrolle durch ein Geheimgericht sowie den US-Kongress vor.
Das ist das, was ich auch schon beschrieben habe: Nach US-amerikanischem Recht haben nur Bürger der USA und Menschen auf dem Boden der USA Rechte. Alle anderen sind ihnen schutzlos ausgeliefert.
In einer Zusammenfassung seiner Tätigkeiten zum Erlass 12333 erläuterte das PCLOB schon voriges Jahr, dass es zwei “Tiefenanalysen” zu einschlägigen CIA-Aktivitäten sowie eine weitere zum umstrittenen NSA-Analysewerkzeug XKeyscore durchführte. Zu diesen beiden anderen Berichten gibt es bislang noch keine Freigaben oder Leaks. Die Prüfer monieren darin allgemein, dass das Dekret und Richtlinien des US-Justizministeriums dazu aus einer Zeit stamme, in der fernmündliche Kommunikation in der Regel über Festnetztelefone geführt, und schriftliche Nachrichten per Fax, Telegramm oder Telex übermittelt worden seien.
Inzwischen sei die Nutzung von “E-Mail, Sofortnachrichten, Videochats und sozialen Medien” weit verbreitet, schreibt das PCLOB. “Wenn Nachrichtendienste Richtlinien anwenden, die die Entwicklung der Technologie nicht berücksichtigen”, könne es sein, dass die enthaltenen Maßnahmen “für den Schutz der Privatsphäre und der bürgerlichen Freiheiten nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den praktischen Realitäten der Informationserfassung im digitalen Zeitalter stehen”.
Völlig unkontrolliert und praktisch grenzenlos.
Die enthaltenen rudimentären rechtsstaatlichen Sicherungen bezögen sich zudem im Kern auf US-Bürger, räumen die Kontrolleure ein. Personen aus anderen Staaten würden aber etwa durch “bestimmte Regeln” geschützt, wenn sie sich in den USA aufhielten. Auch die Ansage, sich auf “legitime nachrichtendienstliche Ziele zu konzentrieren”, gelte für alle Personen. Ferner gälten die Datenschutzvorgaben aus der PPD-28 generell zumindest für die Fernmelde- und elektronische Aufklärung.
Wie gesagt: Wer nicht US-Bürger oder auf dem Boden der USA ist, ist rechtloses Freiwild.
Die US-Organisation Electronic Frontier Foundation (EFF) sprach von einem “verfassungswidrigen Angriff auf unsere bürgerlichen Freiheiten”. Die bisher veröffentlichten Details zeichneten ein “beunruhigendes Bild” potenziell weitreichender Datenschutzverstöße. Laut der American Civil Liberties Union (ACLU) werfen die Berichte “ernste Fragen über die Art der Informationen auf, die die CIA in großen Mengen aufsaugt” und damit auch US-Amerikaner ausspioniere.
Und unsere Presse schläft – oder besser gesagt: schweigt – tief und fest. Erinnerung: Gerade geschrieben, dass Georg Mascolo und die Süddeutsche jetzt erst, mit 30 Jahren Verspätung, überhaupt erst mitkriegen, dass wir abgehört werden, weil man Abhörsoftware auf den Handys von Journalisten installiert hat.
Und dann kommt unsere Journaille daher mit „soll keiner sagen, er hätte nichts gewusst“:
"Soll niemand sagen, er habe nicht gewusst, was hier auf dem Spiel steht." https://t.co/QzfpeJ47YK
— Dirk von Gehlen (@dvg) February 11, 2022
Ein Leser hatte schon angefragt, ob die Süddeutsche Edward Snowden komplett verschlafen habe.
Ja. Verschlafen. Oder verlogen.