Eine Definition der beiden Geschlechter männlich und weiblich
Ein Standpunktbezug.
Mich hatte gestern jemand auf Twitter auf enorm trollige und intellektlose Art angepöbelt (Standardargumentationsweise: Du machst Dich gerade vor der ganzen Welt lächerlich, wenn Du nicht die Gender-Auffassung teilst, dass alles nur Konstrukt und willkürlich festgelegt ist), und dann eher so rabulistisch gefragt, was denn den Mann zum Mann und die Frau zur Frau mache. Um dann – typisch für Linke – sofort das Thema zu wechseln, als ich es beantwortet habe, und plötzlich von Trans zu reden.
Ich war heute unterwegs. Wie ich so bei trüben Wetter durch die Stadt fahre, ging mir beim Warten an der roten Ampel die Frage durch den Kopf, ob man, wenn man Geisteswissenschaftler im Allgemeinen und Genderisten im Besonderen mitsamt Linken und Marxisten in Fragen Geschlechter für blöde hält, selbst einen Standpunkt einnehmen muss, was Geschlechter eigentlich sind.
Eigentlich nicht. Man muss nicht sagen, was richtig ist, um erkennen zu können, dass etwas falsch ist. Wenn ein Programm abstürzt oder falsche Ergebnisse liefert, weiß ich auch dann, wenn ich selbst das Programm nicht richtig schreiben kann, dass es falsch ist. Ich kann hören, wenn jemand falsch Geige oder Trompete spielt, obwohl ich beides nicht kann und es nicht richtig vorspielen kann. Ich kann sagen, dass -5 eine falsche Lösung für eine Gleichung ist, wenn ich der Gleichung ansehen kann, dass die Lösung positiv sein muss, auch wenn ich die Gleichung selbst nicht lösen kann. Ich kann einen Küchenmixer kaufen und erkennen, dass er kaputt ist, ohne erklären zu müssen, wie ein Mixer richtig funktioniert. Man muss nicht sagen, was richtig ist, um sagen zu können, dass etwas falsch ist.
Andererseits aber habe ich mir in ähnlicher Situation und aus ähnlicher Problemstellung heraus – nämlich um argumentative Raketenwerferpositionen gegen Kritikziele zu beziehen – auch schon meine eigenen Definitionen von Informatik und von Wissenschaft getroffen, was sich als gedanklich nützlich erwiesen hat. Man muss keinen eigenen Standpunkt haben, um Fehler zu kritisieren, aber es kann dabei nützlich sein, eine Kontinuität zu bewahren.
Nun bin ich Laie, was die biologisch-medizinisch-wissenschaftliche Beschaffenheit der Geschlechter angeht, kann daher also keine wirklich fundierte oder bestandversprechende Definition abliefern, aber ich stütze mich dabei auf den hier schon öfters angesprochenen und erst in jüngerer Zeit entdecken oder erforschten Mechanismus, der die Ausprägung männlicher und weiblicher Gehirne steuert, wie u.a. schon hier und hier angesprochen. Nochmal die Kurzzusammenfassung:
Wenn ich den Text richtig verstanden habe, dann sind sie so weit gekommen: Die weibliche Gehirnstruktur ist der Normalzustand. Es gibt aber DNA, die den Umbau zur männlichen Gehirnstruktur auslöst. Diese vermännlichende DNA wird nun aber – im Normalfall – durch DNA-Methylierung deaktiviert, außer Funktion gesetzt. Ist jedoch Testosteron im Spiel, reduziert das die Methylierung, die männliche DNA kann aktiv werden, und das Ergebnis ist eine männliche Hirnstruktur.
Der weibliche Körper blockiert also die vermännlichenden Gene, während der männliche Körper den Blockademechanismus blockiert.
Das würde genau zu der schon vor einiger Zeit veröffentlichten These passen, dass die Geschlechtsunterschiede epigenetisch bedingt sind: Dass wir also alle die komplette »Bibliothek« männlichen und weiblichen Verhaltens genetisch mit uns herumschleppen, die Wirkung dieser Gene aber geschlechtsspezifisch ein- und ausgeschaltet werden. Auch die besagten Artikel schließen genau an dieser These an und bestätigen sie, denn sie sagen, dass sie herausgefunden haben, wie dieses Ein- und Ausschalten von Genen biochemisch funktioniert.
Bemerkenswert dabei ist, dass diese Programmierung der Hirnstrukturen bis etwa eine Woche nach der Geburt abgeschlossen ist. Allerdings zeigte sich, dass man Rattenweibchen auch einige Zeit danach noch durch Gabe von Substanzen, die diese Methylierung dämpfen, männliches Kopulationsverhalten auslösen kann.
Das war 2015. Da ich inzwischen nichts Abweichendes gelesen habe, aber viel, was dazu passt, unterstelle ich jetzt mal, dass alle anderen Geschlechtsunterschiede ebenfalls über diesen Mechanismus gesteuert und nicht nur das Gehirn, sondern der Rest des Körpers so gebaut werden. Denn das Gehirn ist ja Teil des Körpers, warum sollte es da zwei verschiedene Mechanismen geben?
Daraus würde ich nun Definitionen ableiten.
Geschlechterdefinitionen
Betrachteter Entwicklungszeitraum
Nachfolgend wird der gesamte Entwicklungszeitraum von der Verschmelzung der Keimzellen bis zum Abschluss des Größenwachstums nach der Pubertät bis in die Adoleszenz zugrunde gelegt.
Geschlechtsmerkmale
Alle funktionalen oder phänotypischen Eigenschaften des Körpers, deren Funktion, Bildung oder Entwicklung über den oben beschriebenen Mechanismus über Testosteron, Testosteronrezeptoren und deren Methylierung (bzw. umgekehrt, die durch Testosteron gedämpfte Methylierung) und die dabei beeinflussten DNA-Bestandteile gesteuert werden.
Primär männlich und weiblich
Ein Individuum ist primär männlich, wenn sich bei dessen Entwicklung alle diese Steuerungsstellen vollständig und effektiv funktional wie im Zustand unter Testosteron ausgewirkt haben.
Ein Individuum ist primär weiblich, wenn sich bei dessen Entwicklung alle diese Steuerungsstellen vollständig und effektiv funktional wie im Zustand der Methylierung ohne Testosteron ausgewirkt haben.
Anscheinend funktioniert das nicht so zuverlässig, dass man immer primär männlich oder weiblich ist, weshalb man auch Fälle betrachten muss, in denen nicht alles weiblich oder männlich schaltet.
Sekundär männlich und weiblich
Ein Individuum ist sekundär männlich, wenn es nicht primär männlich ist, aber so viele Steuerungsstellen effektiv so gewirkt haben, dass das Individuum sowohl in Funktion, wie in äußerer Erscheinung in Bezug auf die im Gehirn angelegte Mustererkennung keine wesentlichen Abweichungen vom primär männlichen Individuum hat.
Analog für sekundär weiblich.
Heißt salopp gesagt: Fehler kommen vor, aber auf kleine Fehler kommt es nicht an.
Zwitter
Alles, was nicht unter die bisherigen Definitionen fällt.
Ich verwende den Begriff Zwitter, weil mir mal einer erklärt hat, dass er das für die einzig korrekte und zutreffende Bezeichnung hält und so genannt werden möchte.
Ein genetischer Zwitter ist ein Individuum, dessen Genotyp (z. B. durch Mutation, Übertragungsfehler, Umweltgifte, Strahlung, Chimären durch Verschmelzung von Zwillingen, was auch immer) keine primäre oder sekundäre Ausprägung zulässt, also die Steuerung durch Methylierung oder deren Dämpfung durch Testosteron nicht vollständig ermöglicht.
Ein qualitativer Zwitter ist ein Individuum, bei dem verschiedene Schaltstellen unterschiedlich geschaltet haben, dass es nicht zur primären oder sekundären Ausprägung kommt, beispielsweise weil sie zu verschiedenen Zeitpunkten der Entwicklung funktionieren und der Testosteronpegel schwankte.
Ein quantitativer Zweitter ist ein Individuum, bei dem gleiche Schaltstellen unterschiedlich, also nicht einheitlich geschaltet haben, etwa über den Körper verteilt unterschiedlich.
Eine Transsexuelle Person wäre in dieser Taxonomie ein Spezialfall des qualitativen Zwitters, nämlich der, bei dem die Ausbildung des Gehirns und des restlichen Körpers unterschiedlich verlaufen. Eine solche Lage der Grenze ist aber anscheinend wahrscheinlich, weil Hirn und Rest des Körpers zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Entwicklung ausgebildet werden, und Schwankungen im Testosteronpegel sich deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit so auswirken.
Schwächen
Ich bin mir bewusst, dass das noch nicht so völlig fehlerfrei ist, nehme das aber hin, weil die Forschung ja auch noch relativ früh am Anfang der Erkenntnis steht und das alles noch erforscht werden muss.
Gefahr Zirkulärer Definition
Es besteht bei derartiger Definition natürlich die Gefahr einer zirkulären Definition, also dass man damit das Geschlecht damit definiert, dass es die Auswirkungen aller geschlechtsbezogenen genetischen Schaltstellen sind.
„primär“ und „sekundär“
Die Wortwahl ist noch ungünstig, weil man das mit den primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen verwechseln kann.
Ich muss mir dafür noch bessere Begriffe suchen. Mir gingen einige durch den Kopf, aber keiner war ohne Haken, Ösen oder Verwechslungsprobleme.
Noch nicht erforscht
Die Definition wäre derzeit nur von beschränktem Nutzen, weil man ja noch gar nicht weiß, welche Stellen im Körper so gesteuert werden.
Ich bin aber der Auffassung, dass es da um weit mehr als nur um das geht, was wir in der Schule als primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale gelernt haben, also nicht nur Penis, Hoden, Brüste, Hüften. Ich gehe im Gegenteil davon aus, dass der gesamte Körper von Schaltstellen durchzogen ist, die zu Unterschieden fügen, und seien sie nur geringfügig wie die Haut- und Fettstruktur, die Form der Finger, die Gesichtsform und -muskulator, Haarwuchs, und so weiter und so fort. Der Körper und besonders auch das Hirn dürften überzogen sein mit solchen Schaltstellen. Viele sicherlich ohne, ohne noch relevante oder nur mit optischer Funktion für die Mustererkennung, wie etwa die Form der Ohren, der Augenbrauen oder des Mundes, aber vermutlich ist der Körper von oben bis unten voll mit solchen Schaltstellen, denn es dürfte wohl ein evolutionär überragender Vorteil gewesen sein, Männer und Frauen unterschiedlich zu optimieren.
Eigenschaften
Binär
Die Geschlechterordnung ist so binär, so zweigeteilt wie das „Ja“ und „Nein“. Entweder es ist methyliert oder nicht. Entweder es ist genug Testosteron da oder nicht. Dichotomien sind kein Konstrukt, sondern eine Naturkonstante. Und solange man nur das eine Hormon Testosteron hat, bleiben nur die beiden Sättigungswerte übrig. Derselbe Grund, warum man in der Informatik 0 und 1 als die beiden Sättigungswerte (alles oder nichts) verwendet. Klar, man kann auch mehrwertige Logiken bauen (und Flash-Speicherchips wie in Consumer-SSDs usw. speichern sogar mehr als zwei Zustände pro Zelle), und könnte in Viel, Mittel, Wenig einstufen. Kann man machen. Funktioniert aber nicht stabil, weshalb man es in der Informatik nur in Sonderfällen verwendet. Wir haben in der Informatik 0 und 1, weil es die beiden selbststabilisierenden Extreme, die Sättigungswerte sind. Und das wird sich auch in der Natur etabliert haben.
Man kann sich das leicht veranschaulichen: Ein Glas kann ganz voll oder ganz leer sein. Das sind zwei Extreme, die nicht zu steigern und deshalb eindeutig sind. Würde man aber einen dritten Zustand einführen, vielleicht so ungefähr in der Mitte, gehen die berühmten Diskussionen los, ist es halb voll oder halb leer, und dann wäre die Frage, wie ein dritter Zustand neben Methylierung und nicht Methylierung enstehen können sollte. Das ist nicht stabil und hätte sich evolutionär nicht halten können. Es ist sogar wahrscheinlich, dass es sowas irgendwann mal gab, aber nicht überleben konnte, weil es einfach nicht funktioniert. Viel zu fehleranfällig.
Dazu kommt, dass es keine Funktion für ein drittes Geschlecht gibt. Die Fortpflanzung beruht auf der Kombination zweier Keimzellen. Eine dritte Keimzelle kommt darin nicht vor.
Sie ergäbe auch keinen Sinn, weil das Ziel der Durchmischung, der Weitergabe von Genen mit der Kombination von zwei Zellen bereits gut und stabil erreicht werden kann. Zwei treffen sich und los geht’s mit der Fortpflanzung. Es wäre kaum erfolgsversprechend, dabei immer auf ein drittes Geschlecht warten zu müssen (gab mal eine Star Trek Enterprise-Folge, bei der sie auf einen Planeten mit drei Geschlechtern kommen, die wie Männer, Frauen und Sklavenwesen aussehen, deren Anwesenheit zu irgendeinem nicht näher genannten Zweck bei der Begattung erforderlich ist).
Es wäre weder funktional stabil genug, mehr als zwei Geschlechter anzunehmen, sondern viel zu fehleranfällig in Sinne der Codierung in der DNA und der Funktion der Geschlechter, noch würde es überhaupt einem erkennbaren Zweck folgen, der nicht mit zwei robusten Geschlechtern besser zu erfüllen wäre.
Wenn man hypothetisch annimmt, dass es mehrere Geschlechter gäbe, und übergeht, dass es nicht einsichtig wäre, welche Rolle ein drittes Geschlecht bei der Fortpflanzung spielen sollte, könnten mehrere Geschlechter nichts tun, was nicht eine dichotome Geschlechterordnung durch mehrere Fortpflanzungsvorgänge „emulieren“ könnte, etwa durch Promiskuität, dabei aber sehr viel robuster wäre. Das sind zwar Gedankengänge aus der Informatik, wo man die Mächtigkeit von Maschinenmodellen vergleicht, indem man betrachtet, wer was simulieren kann (wenn Modell A das Modell B simulieren kann, kann B nicht mächtiger als A sein), aber die gelten hier auch, weil es ja um eine Art Maschinenmodell geht, wo es auf die Robustheit und Mächtigkeit ankommt. Ein Modell mit mehr als zwei Geschlechtern kann nichts, was nicht auch ein Modell mit zwei Geschlechtern kann, aber das mit zwei Geschlechtern ist das weit robustere. Alles andere wäre nicht konkurrenzfähig.
Man kann also die hypothetische Annahme von mehr als zwei Geschlechtern ohne weiteres damit ausschließen, dass solche Spezies in kürzester Zeit von der weit robusteren und erfolgreicheren Konkurrenz mit weniger, aber mindestens zwei Geschlechtern verdrängt worden wäre, am Ende also immer die mit zwei Geschlechtern gewinnt. Keep it simple. Jede Konkurrenz, jeder Wettbewerb verliefe zugunsten der zweigeschlechtlichen Spezies.
Kein Gender
Der Leser wird bemerkt haben, dass Gender, „soziale Konstrukte“, „Diskurse“ bei mir überhaupt keine Rolle spielen. Ich komme da völlig ohne jeglichen geisteswissenschaftlichen Gehalt, ohne jeden Marxismus und ohne Religion aus. Ich gehe im Gegenteil davon aus, dass die Verschaltung des Gehirns, wozu ich schon viel geschrieben habe, Großraum Amydala und außenherum, sogar weit mehr als bisher angenommen von solchen Schaltstellen durchzogen ist.
Ich halte Gender für eine monströse Fehlinterpretation und willkürliche Erzählung.