Ansichten eines Informatikers

Über den Einsatz von TikTok

Hadmut
14.3.2022 23:33

Beachtlich. Sehr beachtlich.

Da fragt man sich: Wieso informiert das Weiße Haus TikTok-Stars über den Stand des Ukraine-Krieges?

Normalerweise sind doch Presse und sowas in Ländern nach westlich-demokratischem Zuschnitt unabhängig.

Die Sekundär-Alternativfrage: Wenn es schlecht ist, warum machen die es dort dann mit? Wenn es gut ist, warum machen wir es hier dann nicht?

After the call, several influencers said they felt more empowered to debunk misinformation and communicate effectively about the crisis. TikTok has been overrun with false and misleading news since the war broke out, and, on Thursday, the company said it finally would begin labeling state-controlled media on its platform.

Und

Biden has increasingly sought online creators to sell major policy initiatives. The administration worked with dozens of top TikTok stars last year to encourage vaccination. He also hosted a briefing for influencers to educate them about his infrastructure plan. To emphasize the child-care components of his “Build Back Better” initiative, he sat for interviews with two parenting influencers on Facebook Live and YouTube.

Die Regierung spannt Social-Media-Leute als PR-Leute ein?

Ich finde das überaus erstaunlich und beachtlich, denn TikTok hat ja als Platform für Teenie-Grimassen-Videos angefangen, und nun:

The White House has been closely watching TikTok’s rise as a dominant news source, leading to its decision to approach a select group of the platform’s most influential names. […]

Teddy Goff, a founder of Precision Strategies, a consulting firm, said that the White House’s strategy of embracing the next generation of media voices was crucial. “There’s a massive cultural and generational shift happening in media, and you have to have blinders on not to see it,” he said. “The reach of a piece in a traditional news outlet is a fraction of what a big TikToker gets.” […]

Von der Grimassenplattform zu einer der führenden Nachrichten- und Informationsseiten. Geführt von einer chinesischen Firma, die sperrt, was sie für unwahr hält. Das ist gerade in so Themen wie Ukraine-Krieg sehr kritisch.

Sehr erstaunlich aber, dass sich die USA da von den Chinesen haben den Schneid abkaufen lassen. Den bisher waren das ja eher Twitter und Facebook.

Es bedeutet aber noch etwas anderes. Nämlich das, was ich schon oft beschrieben habe: Schrift, geschriebene Sprache, die ist erledigt. Da kommt eine Generation an, die nur noch über Video und vielleicht noch über Podcast erreichbar ist. Was wiederum an das erinnert, was ich hier zu den verfassungsrechtlichen Unterschieden zwischen Presse und Rundfunk geschrieben habe: Die besondere Gefährlichkeit von Video und Audio im Gegensatz zu Text und Bild, weil die Wahrnehmungsgeschwindigkeit vorgegeben ist und kein oder wenig Raum für eigene Gedanken bleibt.

Es heißt auch, dass Information nicht mehr überliefert werden kann, denn während wir heute noch Inschriften von vor 2000 oder 4000 Jahren lesen können, auch manchen Papyrus, werden Tik-Tok-Videos ganz sicher nicht so lange gespeichert, und selbst wenn, dann nicht mehr lesbar sein.

Vor allem haben wir derzeit keine brauchbaren Suchsysteme. Texte kann man so speichern, dass man nach Stichworten suchen kann. Aber Videos?

Nun wird sowas kommen. Man merkt ja schon, dass manche Untertitel automatisch erzeugt sind, weil die Texte mitunter unsinnig sind, weil das System eine undeutliche oder mehrdeutige Aussprache falsch verstanden hat und dann etwas schreibt, was ähnlich klingt, aber keinen Sinn ergibt. Man wird also schon irgendwann in Videos so suchen können, wie heute in Texten per Google. Von der grundsätzlichen Fähigkeit her.

Aber es geht nicht ohne viel Energie. Was, wenn wir die Energie nicht mehr haben?

Was, wenn das so überkocht wie Bitcoins?

Es häufen sich die Hinweise aus den USA, dass viele Jugendliche selbst im Abiturientenalter und selbst an halbwegs ordentlichen Schulen nicht ordentlich lesen können. Weil sie nur noch Videos sehen.

Wer aber nur noch hört und nicht mehr liest, dem fehlt das Normative, das Einheitliche der Sprache. Dann wird nur noch genuschelt und vokalverschoben.

Tiktok.