Ansichten eines Informatikers

Ein überraschender Zusammenhang zwischen Bildbearbeitungssoftware und der Ukraine

Hadmut
17.3.2022 19:59

Und bin in der Angelegenheit ja grundsätzlich unglücklich, aber manchmal findet man einen uerwarteten Silberstreif.

Was die Fotografie angeht, leide ich sehr unter Software.

Und damit meine ich jetzt nicht die Software zur völligen Bildbearbeitung und Erzeugung wie Photoshop oder Gimp, sondern eine der Allgemeinheit gar nicht so bekannte Kategorie von Bild… , ich weiß gar nicht, wie man die im Deutschen richtig und präzise nennt, eigentlich weiß ich es nicht mal auf Englisch, jene Kategorie von Programmen, die Fotos aus der Kamera, inbesondere auch RAW-Aufnahmen (also nicht JPEG, sondern so, wie sie aus dem Sensor kommen)

  • anzeigt
  • organisiert, sortiert, kategorisiert, verwaltet,
  • von RAW in JPEG, TIF u.ä. wandelt,
  • den ganzen Postproduction-Kram macht wie Belichtung, Weißabgleich, Schärfen, Konstrast/Gamma, Entflecken, Horizont geradestellen
  • Objektivkorrektur, Verzeichnung, Vignette und sowas
  • Meta-Daten wie EXIF und so weiter verwaltet,
  • virtuelle Kopien erzeugt,
  • neuerdings auch HDR-Aufnahmen aus Belichtungsreihen erstellt und sie konvertiert,
  • eigentlich auch Panorama-Aufnahmen verarbeiten kann.
  • Ganz wichtig: Non-destructive. Das heißt, das Ur-Bild wird nie verändert oder nur das bearbeitete Bild gespeichert, sondern es bleibt beim Urbild und der zusätzlichen Speicherung bzw. Protokollierung aller Bearbeitungsschritte. Man kann also nichts kaputt machen, sondern alles immer nachvollziehen oder rückgängig machen.

Also sowas ähnliches wie eine Bildbearbeitung, aber doch was anders, Das, was man früher in der Dunkelkammer gemacht hat.

Der Platzhirsch in dieser Kategorie ist Adobe Lightroom. Hatte ich auch mal, aber wieder gekündigt. Grundsätzlich erzeugt Lightroom schon sehr gute Ergebnisse und wird gut gepflegt, was Kamera- und Objektivprofile angeht, aber mir gehen an Adobe Lightroom gleich ganz viele Eigenschaften fürchterlich auf den Wecker:

  • Das Abo-Modell, bei dem man die Software nur nutzen kann, solange man sie monatlich bzw. jährlich bezahlt und danach nicht mehr, also quasi die Bilder und ihre Bearbeitungen in eine Art Geiselhaft genommen werden, geht mir fürchterlich auf den Zeiger.
  • Zu teuer.
  • Adobe fällt immer wieder durch katastraphale Softwarequalität auf, Sicherheitslöcher, Murks, endlos. Stichwort: Adobe Flash Player. Eine endlose Reihe schwerster Sicherheitslöcher. t
  • Absurde Bildverwaltung, die alles auf undurchsichtige und vor allem schwer zu verwaltende und fehleranfällige Weise in Datenbanken packt. Verschiebt man die Bilder, ist irgendwie alles futsch.
  • Cloud-Krampf und ständige Überwachung durch Adobe. Man kann überhaupt nichts mehr machen, ohne dass Adobe das mitbekommt, und wann das Programm was wie in die Cloud hochschiebt, war mir damals nicht ersichtlich.
  • Gibt es nur für Mac und Windows.
  • Der Arbeitsablauf geht mir gegen den Strich und ist auf Windows-Mausschubser ausgelegt.
  • Manchmal ätzend langsam.
  • Indirekte Kosten, weil Lightroom sich (in den Versionen, die ich damals hatte, vielleicht ist das inzwischen anders) weigerte, die Bilder vom Fileserver zu lesen. Einen Mac mit mehr Plattenplatz für viele Bilder auszustatten ist aber sautauer (oder auf offiziellen Wegen unmöglich).

Nun hatte ich, der Erinnerung nach vor über 10 Jahren, zufällig ein Programm gefunden, das meinen Vorstellungen genau entsprach: Bibble. Unbekannte kleine Entwicklerbude, hat alles richtig gemacht:

  • Auch als Linux-Version. Kann ich auch unterwegs, auf Reisen benutzen, weil ich nur Linux-Rechner dabei habe.
  • Enorm schnell.
  • Prima Workflow.
  • Konfigurierbare Ausgabekanäle, etwa für Druck, Web und so weiter.
  • Kann Bilder zwar mit, aber eben auch ohne Datenbank verwalten, indem es alle Berbeitsschritte in einer zweiten Daten neben dem Bild speichert, und man die völlig beliebig verschieben, kopieren, auf Server legen kann, wie man will, auch auf DVD brennen oder sowas, das Programm das immer lesen kann, wenn die zweite Datei dabei ist.

Eigentlich prima, und sogar preisgünstig. Von der Philosphie, vom Arbeitsablauf, einfach super. Eigentlich genau, was ich haben wollte. Nur leider nicht unbedingt stabil, stürzte dann und wann mal ab. Nicht ganz vollständig, manche Funktion fehlte. (Es konnte manches nicht, was Lightroom konnte, dafür umgekehrt einiges, was Lightroom nicht konnte.)

Zentrales Problem: Die Bildergebnisse waren zwar in Ordnung, aber nicht so gut wie bei Lightroom. So automatische Belichtung oder angepasste Gamma/Gradationskurven, Flecken rausmachen, all so ein Kram, sah bei Lightroom häufig so ein bisschen besser aus. Weil die da einfach mehr Arbeitszeit reingesteckt haben, dass zu schleifen und zu feilen. Dann clippt das eben nicht nach weiß weg, sondern verläuft sauber und sowas.

Dann wurde die Software aufgekauft, und zwar von Corel, und in AfterShot und AfterShot Pro umbenannt. Ein paar mehr oder weniger kosmetische Änderungen an der GUI, aber ansonsten dasselbe Programm.

Oh, dachte ich damals, das ist fein. Corel war ja mit Corel Draw mal der Platzhirsch bei den Zeichenprogrammen, dann gibt das ordentlich Wumms bei der Entwicklungsleistung und einen Qualitätsschub. Die wollen sich mit Adobe anlegen.

Denkste.

Das wird seither nur noch lustlos und sehr wenig weiterentwickelt. Mitunter gemurkst. So hat man mal einen HDR-Teil draufgpackt, der nahezu unbenutzbar schlecht ist. Anscheinend hatte man den aus dem Photoshop-Konkurrenten Paintshop rauskopiert und sich keine Mühe gegeben, das irgendwie einzupassen oder vernüftig zum Laufen zu bringen. Als hätte man einfach das Windows-Programm in einer Win32-Emulation unter Linux laufen lassen. Richtig schlecht.

Sie bringen zwar noch ab und an Profile für neue Kameras. Aber: Die Ergebnisse sehen nicht so richtig gut aus. Als ob man die Entwicklung der Software aufgegeben hat und seit Jahren nur noch Notpflege betreibt.

Nun würde man inzwischen fragen, warum ich nicht einfach die Linux-Software verwende. Es gibt ja da RawTherapee, Darktable, Shotwell, Digikam,…

Die waren bis vor ein paar Jahren einfach nicht gut, und man kann auch nicht ständig andere Software verwenden, sondern muss mal bei einer bleiben. Jede hat ihre Stärken, aber jede hat auch ihre Schwächen und Probleme. Ich habe mir vorgenommen, sie alle nochmal neu zu betrachten, wenn Ubuntu 22.04 raus ist. Aber irgendwie wirken sie, als ob man die Arbeitsleistung, und das Know How, das man bräuchte, um ein Programm gut zu schreiben, auf vier verteilt hat und deshalb jeder nur ein Viertel abbekommen hat. Man merkt auch, dass eines der Programme in der Oberfläche wie Lightroom wirkt, ein anderes wie Bibble/Aftershot.

Skylum Luminar

Mehr so aus Neugierde und weil es nicht so teuer war, habe ich mir mal Skylum Luminar beschafft, aber noch nicht viel damit gemacht. Soll angeblich mit Lightroom mithalten können oder sogar besser sein.

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, weil es ein völlig anderer Ansatz ist. Die machen mehr mit KI und vorgegebenen Profilen. Im Vordergrund steht nicht mehr, dass man selbst das Bild erarbeitet und eben weiß, was dafür zu tun ist, sondern man „kauft“ sich Kataloge mit Beispielbildern und Profilen dazu, und klickt dann „mach, dass mein Bild auch so aussieht“ ein. Man bearbeitet es nicht mehr, sondern wählt aus, wie es dann aussehen soll. Stil und so. Das Ding kann dann per KI erkennen, was im Bild Himmel ist, und im Foto den Himmel austauschen. Vorher hellblau neutral, hinterher Drama-Himmel wie Hitchcock.

Generation iPhone. Generation Anklicken.

Was das noch mit Photographie zu tun hat, wäre zu diskutieren. Eigentlich singt die KI das Bild zusammen, und man gibt nur so einen Themenvorschlag vor. Ich hatte das ja neulich zu den KI-Basierten Bildvergrößerern beschrieben: Sieht aus, als könnten die Bilder schärfen und beliebig groß machen. Aber tatsächlich singen die sich nur aus ihrer Datenbank Phantasiebilder zusammen, die, wenn man sie runterskalierte, dann aussähen wie das Ausgangsbild.

Letztlich macht man hier dann auch nichts anderes mehr, als nur noch ein paar Bildelemente zu bringen und den Rest aus der Datenbank erjodeln zu lassen.

Ausgerechnet Skylum überraschte mich vor einigen Tagen:

Sie schrieben, dass sie ein ukrainisches Unternehmen seien (wusste ich noch nicht) und gerade im Keller hockten. Über die Mailingliste, über die sie normalerweise über neue Programmversionen und so weiter informieren, kamen plötzlich Berichte und Spenden-/Hilfsbitten für die Ukraine. Finde ich akzeptabel, wenn sie selbst ein ukrainisches Unternehmen und betroffen sind.

Vorhin kam etwas Neues:

Sie haben einen neuen Katalog solcher Vorlagen erstellt, wie man sie normalerweise zur – eher preisgünstigen – Software dazukauft, gibt es angeblich nur 24 Stunden. (Vermutlich auch nicht ganz frisch, kommt mir teils bekannt vor, habe ich wohl schon mal zum Testen gekauft.) Alle Einnahmen gehen an humantinäre Organisationen.

Also habe ich gerade ein Paket bestellt.

Den Zusammenhang finde ich so kurios, dass ich ihn im Blog erwähne.