Der Prüfwert
Es ist zum Verzweifeln.
Seit einiger Zeit gibt es ja in Deutschland neue Pflichtangaben auf dem Kassenbon.
Ich finde die ganzen Kassenzettel ja schon lnage so schrecklich, weil so entsetzlich unübersichtlich. Man sucht immer ewig nach der Inforomation, mal steht das Datum oben, mal steht es unten, und immer irgendwo in anderen Informationen versteckt, dazu noch alles in einer schwer lesbaren Schriftart fester Zeichenbreite. Dazu noch jede Menge Werbeblödsinn und Gebimsel. Kostet mich bei der Steuererklärung immer viel Zeit und Nerven, den ganzen Mist durchzugehen und zu gucken, ob was steuerrelevantes mit drauf steht. Manchmal – früher bei Mediamarkt ganz schlimm – kann man dem Zettel nicht mal mehr ansehen, was man da überhaupt gekauft hat.
Es kommt keiner auf die Idee, das Format der Zettel mal zu vereinheitlichen. Oder den ganzen Werbe- und Gutscheinmüll unten zum Abreißen dranzumachen, damit man einen einheitlichen und gut lesbaren Beleg übrig hat.
Ein zentraler Grund dafür ist, dass man vor langer, langer Zeit, so in der Frühzeit der Computertechnik – Epson – mal einen Standard gesetzt hat, weil man die Drucker anbot, und damit diese Drucker der Kategorie ESC/P oder ESC/POS (ESC/P = Epson Standard Code for Printers , POS = Point of Sale, also Kassendrucker) in die Welt gesetzt hat.
Inzwischen bekommt man solche Kassenbondrucker billig aus China hinterhergeworfen, und manche haben auch Erweiterungen für Proportionalzeichensätze, QR-Codes, Graphiken und sowas, aber der gemeinsame Nenner ist immer noch ESC/P, und wer Kassensoftware schreibt, schreibt sie so, dass sie ESC/P ausgibt, damit man einfach jeden China-Drucker damit sofort verwenden kann. Deshalb sehen fast alle Kassenzettel so gruselig aus.
Aldi zum Beispiel gibt sich auch große Mühe, das alles möglichst schwer lesbar zu halten, indem sie alles in Großbuchstaben schreiben, obwohl der Drucker auch Kleinbuchstaben kann. Bei der Kartenlastschrift geht es nämlich auch mit Kleinbuchstaben.
Das Problem sind nicht nur die Drucker.
Das Problem sind auch die Leute, die die Software und die Daten zusammenmurksen.
Und das Problem ist, dass die Politik nicht in der Lage ist, mal zu sagen, wie ein Kassenbon kundenfreundlich auszusehen hat. Ich bin ja fast umgefallen, als ich mal in einer Apotheke in Dresden einen Kassenbon bekam, der einfach super war. Zwar die übliche Breite, aber mit dem Tintenstrahler auf normales Papier gedruckt. Top lesbar, schöne Proportionalschrift, sauber strukturiert, alles sofort im Blick. Es geht – wenn mal will, und wenn man kann.
Ich finde es dann ja noch eine Unverschämtheit, dass LIDL von mir noch will, dass ich deren App benutze. Weil ich dann die Rechnung auf dem Handy sehen könnte. (Wird aber gerade nicht mehr angepriesen.) Dann wird es ja noch schwerer lesbar. Ich weiß nicht, was die Leute sich dabei denken.
Anstatt dass es besser wird, wird es immer schlimmer. Seit einiger Zeit wird auf die Bons ja noch eine Transaktionsnummer mit aufgedruckt, mit Signatur und QR-Code.
Seit dem 1.1.2020 gibt es eine Kassensicherungsverordnung in Verbindung mit einer Bonpflicht. Soll gegen Steuerverkürzung helfen, weil die Belege nachprüfbar sein sollen. Ist an sich auch nicht abwegig, denn das habe ich hier in Berlin schon so oft beobachtet, dass in den vielen Imbissen die Kassenschublade einfach offen bleibt und das Wechselgeld gegeben, die Sache aber nicht in die Kasse getippt wird.
§ 2 Protokollierung von digitalen Grundaufzeichnungen
Für jede Aufzeichnung eines Geschäftsvorfalls oder anderen Vorgangs im Sinne des § 146a Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung muss von einem elektronischen Aufzeichnungssystem unmittelbar eine neue Transaktion gestartet werden. Die Transaktion hat zu enthalten:
1. den Zeitpunkt des Vorgangbeginns,
2. eine eindeutige und fortlaufende Transaktionsnummer,
3. die Art des Vorgangs,
4. die Daten des Vorgangs,
5. die Zahlungsart,
6. den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung oder des Vorgangsabbruchs,
7. einen Prüfwert sowie
8. die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.Die Zeitpunkte nach Satz 2 Nummer 1 und 6, die Transaktionsnummer nach Satz 2 Nummer 2 und der Prüfwert nach Satz 2 Nummer 7 werden manipulationssicher durch das Sicherheitsmodul festgelegt. Die Transaktionsnummer muss so zu beschaffen sein, dass Lücken in Transaktionsaufzeichnungen erkennbar sind.
§ 6 Anforderungen an den Beleg
Ein Beleg muss mindestens enthalten:1. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
2. das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangbeginns im Sinne des § 2 Satz 2 Nummer 1 sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung im Sinne des § 2 Satz 2 Nummer 6,
3. die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
4. die Transaktionsnummer im Sinne des § 2 Satz 2 Nummer 2,
5. das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt und
6. die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.Die Angaben nach Satz 1 müssen
1. für jedermann ohne maschinelle Unterstützung lesbar oder
2. aus einem QR-Code auslesbar sein.Der QR-Code nach Satz 2 Nummer 2 hat der digitalen Schnittstelle der Finanzverwaltung (DSFinV), die für die jeweils zugehörige Art des Aufzeichnungssystems vorgeschrieben ist, zu entsprechen. Die digitale Schnittstelle wird auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern in der jeweils geltenden Fassung veröffentlicht. Ein Beleg kann in Papierform oder mit Zustimmung des Belegempfängers elektronisch in einem standardisierten Datenformat ausgegeben werden.
„Die Daten des Vorgangs“. Das ist schön gesagt. Da weiß man sofort, was verlangt wird.
Nun drucken die jetzt alle ihren Prüfwert und die Transaktionsnummer auf den Beleg.
Prüfwert anscheinend eine Signatur oder Hashsumme oder sowas.
Manche drucken sie nur als Zeichenstring (anscheinend Base64-encoded, muss ich mir mal näher anschauen) auf den Kassenbeleg. Manche als QR-Code. Und manche beides. Wie § 6 Satz zwei es verlangt.
Nun habe ich also Belege, auf denen der Prüfwert nur in Form einer vierzeiligen dicht beschreibenen Zeichenkette besteht. Voll bepackt. Mitunter nicht vollständig lesbar, weil das Thermopapier und die Thermodrucker auch nicht immer fehlerfrei funktionieren und der Drucker mal eine Macke hat oder der Zettel im Geldbeutel oder der Einkaufstasche zerknittert ist. Und dann kann man O und 0 (Oh und Null) oder 1 und l (Eins und kleines L) nicht auseinanderhalten und so weiter.
Da stehe ich dann da und frage mich: Hat in den über zwei Jahren auch nur ein einziges Mal irgendwer diese drei- oder vierzeilige Prüfsumme von einem Kassenzettel abgeschrieben, um sie zu prüfen?
Und wer soll das überhaupt prüfen?
Die meisten Kunden, die im Supermarkt Privatkram einkaufen, können das steuerlich nicht absetzen und werden niemals Gewährleistungsansprüche auf Milch und Marmelade geltend machen, die meisten nehmen den Kassenbon ja nicht einmal mit. Wer soll das überhaupt nachprüfen? Ich wüsste gar nicht, wie ich das überhaupt nachprüfen könnte und sollte. Warum überhaupt. Oder wie dieser Kassenbon zu jemandem gelangen sollte, der das dann nachprüft.
Denn ich schaue zwar bei der Steuererklärung nochmal alles Kassenbons durch, um nichts zu übersehen und alle Zahlungen zu erfassen, aber was ich im Supermarkt kaufe ist, wenn es nicht gerade mal Büromaterial im Sonderangebot oder sowas ist, auch nicht absetzbar. Weder bin ich zur Aufbewahrung, noch zur Vorlage dieser Belege verpflichtet. Ich hebe sie nur auf, damit ich weiß, dass mir bei der Steuererklärung nichts durchrutscht, dass ich zu jeder Kontobewegung geprüft habe, ob steuerlich absetzbar oder nicht. Aber wenn ich die Zahlung nicht geltend mache, muss ich den Beleg weder aufbewahren noch irgendwem vorlegen.
Wie also sollten, von der technischen Machbarkeit des Lesens, wenn kein QR-Code drauf ist, mal abgesehen, diese Belege überhaupt jemals zu einer Überprüfung kommen?
Wer prüft sie?
Wie prüft er sie?
Und wie käme er an die Belege?
Nun könnte man freilich argumentieren, dass es ja egal sei, wenn ich die Belege nicht einreiche. Wenn ich es aber tue, dann könnte das Finanzamt prüfen, ob die auch in die Kasse gebucht sind. Was aber wiederum Blödsinn ist, weil damit ja nur geprüft ist, dass dieser Beleg registriert wurde, aber nicht alle. Man könnte also belege dann einbuchen, wenn einer Druckerpatronen kauft, weil die von der Steuer abgesetzt werden könnten, und nicht, wenn einer eine Tüte Milch und drei Brötchen kauft.
Aber selbst wenn es geprüft würde:
Was wäre denn überhaupt, wenn die Prüfsumme nicht stimmt?
Oder der Text und der QR-Code nicht lesbar sind.
Und nu?
Wer denkt sich so einen Mist aus?
Und mal anders gefragt: Thermopapier gilt als umweltschädlich. (LIDL verwendet ja inzwischen so ein blaugraues Papier, das schlechter lesbar ist, aber dafür länger den Text zeigen kann und angeblich umweltfreundlicher ist.)
Hat mal jemand ausgerechnet, wieviele Meter Thermopapier dafür jeden Tag zusätzlich ausgedruckt werden und nutzlos im Müll landen?