Wer oder was ist die „Zivilgesellschaft“?
Was meint dieser Begriff?
Immer wieder lese ich in politischen Kontexten den Begriff der „Zivilgesellschaft“, die meist so als zusätzliche Staatsgewalt und Moral- bis Gesetzgeber auftreten soll. Aber nie steht dabei, wer oder was das eigentlich sein soll.
Googeln führt zwar zu Ergebnissen, aber die passen nicht.
Das Bundeswirtschaftsministerium definiert:
Zivilgesellschaft
Ein ursprünglich unter anderem vom italienischen Theoretiker Antonio Gramsci (1891–1937) entwickelter Begriff. Er verstand darunter die Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen, die auf den “Alltagsverstand und die öffentliche Meinung” Einfluss haben.
Heute umschreibt der Begriff einen Bereich innerhalb der Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Sektor angesiedelt ist. Die Zivilgesellschaft umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürger eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die nicht profitorientiert und nicht abhängig von parteipolitischen Interessen sind.
Verschiedene Politikwissenschaftler beschreiben die Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und den Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen.
Das kann aber nicht stimmen.
Denn soviel wurde bisher immer klar: Wer immer von einer Zivilgesellschaft spricht, unterstellt dabei stets, dass Leute wie ich nicht dazugehören, ich wurde da noch nie als Zivilgesellschaft anerkannt. Andererseits betrachtet man SPD, Grüne und ihr Umfeld und die Geldempfänger der parteigesteuterten Ministerin stets und ausnahmslos als die „Zivilgesellschaft“.
Und seltsamerweise unterstellt man auch immer, dass sich die Zivilgesellschaft in einer Art Kampf gegen die Bevölkerung befinde – was ja eigentlich gar nicht sein kann, weil da ja Personalunion bestehen kann.
Nimmt man den ersten Satz, dann bezieht sich das ausschließlich auf „nichtstaatliche Organisationen“, die berüchtigten NGOs, nicht aber auf das, was einer alleine macht.
Dass NGOs höchst unseriös, Geldwaschanlagen, parteigesteuert und oft hoch kriminell sind, ist bekannt.
Nimmt man den zweiten Satz, werden Vereine, Verbände, Initiativen und „soziale Bewegungen“ als Beispiele genannt, was aber auch darauf hinausläuft, dass es Organisationen sein müssen, von denen man dann relativ willkürlich einfach die auswählt, die man hören will. Keinesfalls die Gesamtheit der Bürger.
Schon Wikipedia versteht darunter etwas zumindest nicht Deckungsgleiches:
Der Ausdruck Zivilgesellschaft (lateinisch societas civilis, französisch société civile, englisch civil society, italienisch società civile) wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet.[1] Auch sind die Geschichte des Begriffs und die Geschichte des Phänomens Zivilgesellschaft unterschiedlich verlaufen. Daraus resultiert eine gewisse Verwirrung, zumal der Begriff in den letzten Jahrhunderten einen Bedeutungswandel erfahren hat. Heute kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich einerseits eine Bedeutung des Begriffs Zivilgesellschaft, andererseits die Eingrenzung eines gesellschaftlichen Phänomens unter diesem Begriff als Übersetzung des englischen Ausdrucks civil society weltweit durchgesetzt hat und alternative Verwendungen und Beschreibungen obsolet erscheinen lässt.[2] […]
Der Begriff Zivilgesellschaft (englisch civil society) hat sich als Bezeichnung für die Arena kollektiven Handelns im öffentlichen Raum neben denen des Marktes und des Staates gegenüber anderen Begrifflichkeiten (bspw. gemeinnütziger Sektor, Dritter Sektor) durchgesetzt. Die hierzu gehörenden Akteure werden als zivilgesellschaftliche Organisationen (ZGO) bezeichnet englisch civil society organisations – CSO, nach wie vor aber auch als NGO oder NPO.
Zum unmittelbaren persönlichen Bereich (M) gehört in diesem Sinn der einzelne Mensch in seiner unverwechselbaren Singularität und Würde, gehören aber auch die Familie, in die er hineingeboren oder hineingewachsen ist und sein enges Umfeld. […]
Zur Arena Zivilgesellschaft gehören organisierte Bewegungen, Organisationen und Einrichtungen sowie unorganisierte oder spontane kollektive Aktionen, die ebenso im öffentlichen Raum agieren. Diese Akteure können von anderen oder von der Gesellschaft insgesamt Zustimmung oder auch scharfe Ablehnung erfahren. Die zur Zivilgesellschaft gehörenden Akteure sind sehr unterschiedlich – in Größe ebenso wie in Funktion und Ziel, haben aber gemeinsame Merkmale, die sie von staatlichen und gewinnorientierten Organisationen unterscheiden. Sie
- handeln selbstermächtigt und selbstorganisiert,
- sind auf Freiwilligkeit gegründet,
- verfolgen subjektiv Ziele des allgemeinen Wohls,
- nehmen keine staatlichen im Sinne von hoheitlichen Aufgaben wahr,
- verzichten auf die Teilnahme an der Organisation von politischer Macht,
- sind nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet,
- schütten Überschüsse aus ihrer Tätigkeit nicht an Mitglieder, Gesellschafter oder Dritte aus.
- sind zu einem wesentlichen Teil auf Geschenke von Empathie, Zeit, materiellen Ressourcen und andere angewiesen.
Zur Zivilgesellschaft gehören in Deutschland rund 800.000 organisierte Bewegungen, Organisationen und Einrichtungen sowie zahlreiche unorganisierte oder spontane kollektive Aktionen. Die Heterogenität der Zivilgesellschaft ist ebenso groß wie die der anderen Arenen. Zivilgesellschaftliche Akteure lassen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten unterschiedlichen Subsektoren zuordnen.
Es ist also im Wesentlichen ein Ansatz, um die Demokratie auszuhebeln, indem man politischen Einfluss nicht mehr der Gesamtheit der Bevölkerung, dem Souverän gibt, sondern ihn auf die Organisationsformen beschränkt, die man unterwandern und übernehmen kann, und die nicht gewählt sind.
Ich würde den Begriff deshalb der Staatskriminalität zuordnen.
Die Frage ist: Woraus ergibt sich überhaupt, dass die Zivilgesellschaft in einer Demokratie überhaupt eine Rolle spielen kann und darf, dass selbsternannte Organisationen mehr Einfluss haben sollten als der normale Wähler.
Begriffsverschiebung
Ich habe einen Verdacht.
Wenn ich mir diese Definitionen, auch andere, vor allem die ausführliche auf Wikipedia ansehe, dann habe ich den Verdacht, dass man da gezielt oder aus Unwissenheit, aber willentlich, vermutlich aber vor allem aus marxistischer Staatsfeindlichkeit, eine Begriffsumdefinition vorgenommen hat.
Anscheinend nämlich war das ursprünglich ein juristischer Kategoriebegriff, denn als Rechtsformen werden dort Verein, Stiftung, Gemeinnützige Kapitalgesellschaft, Genossenschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgezählt.
Das deutet darauf hin, dass der Begriff ursprünglich wohl der Abgrenzung von den gewerblichen Gesellschaftsformen wie etwa GmbH, AG und so weiter, diente, und einfach die Möglichkeiten beschrieb, im nicht-staatlichen und nicht-gewerblichen Bereich juristische Personen, Zusammenschlüsse zu bilden, um einen gemeinsamen Zweck zu erreichen.
Einen Zusammenhang mit Demokratie oder einem besonderen Gewicht im demokratischen Disput lag darin keinesfalls. Sondern einfach die Freiheit, dass jedermann, der Lust hat, einen Tauchsportverein, einen Gesangsverein, einen Schachclub zu gründen oder Geld zu sammeln, um Schulen oder Waisen mit irgendwas zu beschenken.
Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz:
Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
Man kann also einen Verein oder eine Gesellschaft gründen, deren Ziel es ist, möglichst große Kaugummiblasen zu blasen. (Komisch, früher waren Kaugummiblasen mal schwer in Mode, aber ich kann mich gerade nicht erinnern, in diesem Jahrtausend schon mal jemand eine Kaugummiblase blasen gesehen zu haben.)
Das heißt aber nicht, dass jemand, der im Tauchsportverein, Schachclub, der Gesellschaft für Kaugummiblasen oder der Genossenschaft zum Einkauf großer Mengen Klopapier wäre, im demokratischen Sinne oder im Sinne einer öffentlichen Meinungsbildung mehr Rechte, mehr zu sagen hätte als einer, der alleine und da überall nicht mit drin ist. Es ist ein Recht, das man wahrnehmen kann, aber nichts, was einen irgendwie wichtiger macht oder über andere erhebt.
Seit einiger Zeit aber taucht die „Zivilgesellschaft“ im Singular als ominöse Identität auf, von der man nie erfährt, wer das nun ist und wer nicht, und warum und warum nicht, faktisch aber dann immer rot-grüne Parteigänger und deren Dunstkreis dahinterstehen und sich die Rabulistik verbirgt, warum Rot-Grüne über die Geschicke und Wege der Gesellschaft zu entscheiden hätten und andere nicht.
Ich halte das alles für einen enormen Rabulistik-Fake.
Vor allem dann, wenn sich das auf die Gesetzgebung auswirkt. Denn die ist dann nicht mehr demokratisch.
Antonio Gramsci
Greifen wir nochmal zurück auf die Definition beim Bundeswirtschaftsministerium. Zitieren wir sie nochmal:
Zivilgesellschaft
Ein ursprünglich unter anderem vom italienischen Theoretiker Antonio Gramsci (1891–1937) entwickelter Begriff. Er verstand darunter die Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen, die auf den “Alltagsverstand und die öffentliche Meinung” Einfluss haben.
Heute umschreibt der Begriff einen Bereich innerhalb der Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Sektor angesiedelt ist. Die Zivilgesellschaft umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürger eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die nicht profitorientiert und nicht abhängig von parteipolitischen Interessen sind.
Verschiedene Politikwissenschaftler beschreiben die Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und den Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen.
Wer zum Kuckuck ist eigentlich Antonio Gramsci? Und wieso sollte man sich nach dem richten?
Antonio Gramsci [anˈtɔːni̯o ˈgramʃi Antonio Gramsci?/i] (* 22. Januar 1891 in Ales auf Sardinien; † 27. April 1937 in Rom) war ein italienischer Schriftsteller, Journalist, Politiker und marxistischer Philosoph. Er gehört zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano), deren Generalsekretär (Vorsitzender) er von 1924 bis 1927 war. Vom 6. April 1924 bis zu seiner Verhaftung durch Faschisten am 8. November 1926 war er Abgeordneter im italienischen Parlament. Während seiner Zeit im Gefängnis verfasste Gramsci Texte mit philosophischen, soziologischen und politischen Überlegungen, die 32 Hefte füllen. Sie sind als Gefängnishefte bekannt geworden und bilden ein bedeutendes Werk marxistischen Denkens; Gramscis Analysen werden bis heute in der Politischen Theorie rezipiert.
Begründer der kommunistischen Partei Italiens.
Staat und bürgerliche Gesellschaft
Gramscis Theorie der Hegemonie ist an seine Vorstellung des kapitalistischen Staates gebunden, der seiner Meinung nach durch Zwang und Konsens regiert wird. Der Staat ist nicht im engeren Sinne als Regierung zu verstehen; Gramsci unterscheidet zwischen der politischen Gesellschaft, in deren Bereich die politischen und rechtlichen Institutionen gehören, und der bürgerlichen Gesellschaft, die gemeinhin auch als privater oder nicht staatlicher Lebensbereich bezeichnet wird und zu der auch die Wirtschaft gehört. Ersteren beschreibt er als den Bereich des Zwanges und Letzteren als den Bereich des Konsenses. Gramsci betont, dass die Trennung rein konzeptionell sei und dass sich die zwei Bereiche in der Realität häufig überschneiden.
Staat = politische Gesellschaft + Zivilgesellschaft; das heißt Hegemonie gepanzert mit Zwang. Laut Gramsci ist die Trennung von Staat und Zivilgesellschaft nicht möglich, da der Staat selbst die Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre, politischer und ziviler Gesellschaft fest- und durchsetzt, garantiert oder verändert.
Gramsci behauptete, dass die Bourgeoisie im modernen Kapitalismus ihre wirtschaftliche Kontrolle aufrechterhalten kann, indem sie bestimmte Forderungen der Gewerkschaften und politischen Parteien aufnimmt. Dadurch fördert die Bourgeoisie eine passive Revolution, indem sie unter ihre wirtschaftlichen Interessen geht und erlaubt, dass sich die Formen ihrer Hegemonie ändern. Gramsci postulierte, dass Bewegungen wie der Reformismus, der Faschismus, der Taylorismus und der Fordismus Beispiele hierfür sind.
In der Tradition von Niccolò Machiavelli argumentierte er, dass die Revolutionäre Partei Der Moderne Fürst sei, der es der Arbeiterklasse erlauben wird, organische Intellektuelle und eine alternative Hegemonie innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft zu bilden.
Folglich stellte sich für Gramsci als politische Hauptaufgabe der Gewinn der „kulturellen Hegemonie“ durch die Partei als „kollektiven Intellektuellen“, die „Übersetzung“ der (marxistischen) Philosophie in Alltagsbewusstsein und ihre Bestätigung als „Philosophie der Praxis“.
Das übliche marxistisch-kommunistische Geschwafel.
Das heißt, dass das ganze Gefasel von der Zivilgesellschaft – was ohnehin falsch übersetzt ist, es müsste bürgerliche Gesellschaft heißen oder einfach die Bürger, denn bei uns heißt das ja auch Bürgerliches Gesetzbuch und nicht Zivilcode, typisches Beispiel für die „false friends“ beim Übersetzen und das übliche linke Nachgeschwafel – eigentlich nur das Unterfangen ist, die Demokratie durch kommunistische Strukturen zu ersetzen, und sich das dann wohl so unbemerkt mit dem juristischen Begriff der Zivilgesellschaften (der sprachlich auch nicht stimmt) vermischt hat.
Bitte achtet mal darauf, wer diesen Begriff wo, wie und wie missbräuchlich einsetzt.