Ansichten eines Informatikers

Apropos Hakenkreuz und Enigma

Hadmut
1.4.2012 16:06

Ach, wo ich es doch gerade von der Enigma, der Geschichtsfälschung und dem Hakenkreuz hatte, da fällt mir noch ne Anekdote zu Beth ein. Ich hab schon so lange keine mehr erzählt.

Wir hatten am EISS eine echte Enigma. Ein Heiligtum. Hat immer wieder großen Spaß gemacht, die in den Vorlesungen mal live vorzuführen.

(Gag am Rande: Als ich die mal die Krypto-Vorlesung hielt und an dem Tag historische Chiffren und die Enigma erklären wollte, hab ich die natürlich mitgenommen. Weil ich sie aber auf keinen Fall fallen lassen oder anstoßen wollte, und das Ding auch nicht ganz leicht ist, hatte ich sie auf einem Laborrollwagen, und zudem in ihrem geschlossenen Holzkasten. Ein Kumpel von einem ganz anderen Professor kam und mit Kryptographie überhaupt nichts am Hut hatte, kam mir zufällig entgegen, sah den sichtbar alten Holzkasten, den ich da auf dem Laborwagen vor mir herschob und der so gar nicht zu dem Zeug paßte, mit dem wir Informatiker uns sonst so umgeben, und fragte so ganz verblüfft „Was ist das denn?”

„Rate mal”, entgegnete ich. Kennt Ihr das, wenn man auf so eine Frage mit „Hund, Katze, Maus” antwortet? So im Spaß hat er auch geantwortet, aber mit „Schiffeversenken?”. Und hat sich nicht mehr eingekriegt, als ich ihm erklärt habe, wie unglaublich richtig er damit lag.)

Beth hat es sich damals natürlich nicht nehmen lassen, auch die Enigma vorzuführen, aber natürlich ganz in seinem Stil wieder mit pfundweise Schmalz und fetter Angeberei, wen er alles kennt, wo er überall war, welche tollen Freunde er hat. Besonders, als mal noch irgendwelche Gäste mit dabei waren. Mußte er ja auch, denn wie die Enigma gebrochen wurde, hatte er nicht verstanden, also mußte er ja was anderes erzählen.

Beth – wie fast immer bei Besuch im dunklen Anzug – hatte also die Enigma da auf besagtem Laborwagen neben dem Overhead-Projektor stehen und fing wie üblich an darüber herzuleiern, von welchen tollen Leuten er höchstpersönlich in welchen tollen Museen eingeladen worden war. Natürlich hatte er auch Bilder gemacht und einige davon an die Wand projiziert. Und natürlich hatte er auch ein Bild von der Enigma gemacht, die dort im Museum ausgestellt war (weiß nicht mehr, ich glaube es war das NSA Crypto Museum in Washington DC). Eigentlich war es ein lausiges Bild, so ein Amateurknipsbild eben. Die Enigma stand dort einfach in einer hundsgewöhnlichen museumsüblichen Glasvitrine rum, die er in der Totalen fotografiert hatte, und das noch etwas unscharf. Von der Enigma war nicht viel zu sehen, außer einem dunkel Fleck mit ein paar hellen Flecken. Und wie das Bild da an der Wand war, erzählte Beth irgendwas davon, wie das dort alles drapiert und aufgebaut war, und beschrieb mit weitläufigen Gesten, wie dort Bilder an der Wand hängen und was sie da so aufgebaut haben.

Bis dahin völlig unverfänglich. Völlig harmlos, nichts anrüchiges.

Ein Kollege machte damals in Beths Auftrag Bilder von ihm, wie er da stand und erzählte. Auch gut.

Als wir die Bilder aber dann sahen, gab’s das große Entsetzen. (Ein Effekt, den ich als Fotograf übrigens kenne, daß man auf dem Bild hinterher etwas sieht, was einem beim Fotografieren überhaupt nicht ins Bewußtsein gelangt ist.)

In diesem Museum hatte man hinter der Enigma in ihrer Vitrine die Wand geschichtlich passend drapiert. Und nachdem in den USA Hakenkreuzflaggen ja nicht verboten sind, hatte man da eine ganz große rote Hakenkreuzflagge an der Wand drapiert, damit auch die Laien unter den Besuchern gleich sehen, wo die Enigma geschichtlich hingehört. Und diese Flagge, die hinter der Vitrine hing, hatte Beth mit seiner Totalansicht schön groß auf dem Bild, sich aber nichts dabei gedacht. Der Kollege, der das Foto gemacht hatte, hatte Beth nun aus einem Blickwinkel fotografiert, in dem dieses projizierte Foto genau hinter ihm war. Und weil das erste Foto leicht unscharf war, sah man das nachher überhaupt nicht, daß das hintere nur eine Projektion war. Es sah aus, als stünde Beth vor einer großen Nazi-Flagge. Und die Enigma war nicht zu sehen.

Dazu kam, daß er gerade gestikuliert hatte und dazu die Arme hochgehalten hatte, um irgendwas zu beschreiben, wie groß da irgendeine Vitrine war oder irgendsowas. Völlig harmlos. Das Foto war aber so geraten, daß Beth ausgerechnet in diesem Augenblick die Arme schräg nach oben hielt, aber nur der rechte Arm im Bild war. Dazu hatte er noch einen eng sitzenden schwarzen Anzug an.

Obwohl er das überhaupt nicht wollte, und es eine völlig andere Situation war, und es eigentlich nur um Kryptographie und die Vitrinen in diesem Museum ging, entstand durch eine Verkettung blöder Zufälle das perfekte Nazi-Foto von Beth, das man besser nicht hätte inszenieren können. Beth im engen schwarzen Anzug mit passendem grinsenden Gesichtsausdruck und zum Nazi-Gruß gereckten Arm vor einer großen Nazi-Flagge.

Als Beth das Bild sah, hat ihn fast der Schlag getroffen und er hat richtig massive Angst bekommen. Wir haben das Bild dann vernichtet.

Aber so leicht kann es gehen.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Thomas
1.4.2012 17:25
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In der Bild haben Sie mal ein Bild von Milosevic während des Jugoslawienkrieges so geschnitten das es aussah als hebe er die Hand zum Hitlergruss
Das hier war glaub ich die Vorlage:
http://www.viceland.com/blogs/at/files/2010/10/slobodan.jpg

Und das war kein fototechnisches Versehen 😉


anonym
1.4.2012 17:37
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“Wir hatten am EISS eine echte Enigma. Ein Heiligtum. Hat immer wieder großen Spaß gemacht, die in den Vorlesungen mal live vorzuführen.”

Habt. Die Maschinen wurden neulich anlässlich irgendeiner Veranstaltung ausgestellt.


Hadmut
1.4.2012 18:14
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@anonym: Die Enigma gibt’s noch. Aber das EISS nicht mehr.

Das EISS wurde vor Jahren schon komplett beendet, ich war der letzte der EISS-Mitarbeiter. Es wurde nur nicht formal aufgelöst, weil man es nicht auflösen konnte, weil es keine Rechtsform hatte, sondern nur eine Organisationsabteilung und ein Buchungskonto war.

Nachdem es das EISS nicht mehr gab und keiner mehr da war, und das EISS eigentlich nur noch ein toter Name, haben sich erst Beth und dann Müller-Quade als dessen Direktoren ausgegeben bzw. selbst ernannt, weil das bei Profs ganz wichtig ist, Direktor von irgendwas zu sein. Dadurch entstand der Eindruck, daß es das EISS noch gäbe, was aber nicht der Fall ist. 1998 sind die letzten beiden EISS-Mitarbeiter gegangen. Ich habe dabei das Licht ausgemacht.


yasar
2.4.2012 8:24
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Und jetzt stell Dir mal vor, das Foto wäre in die falschen Hände gekommen (oder einer seiner (Ex-)Mitarbeiter hätte Rachegelüste gehabt :-)).

Ich glaube, daß deswegen viele sehr viele Leute sich selbst schon vorher zensieren, weil sie eben Angst davor haben,Ärger zu bekommen.

PS: Ich habe schon in vielen chinesischen Lokalen swastikas in der Dekoration gesehen, ohne deswegen auf die Idee zu kommen, daß das verkappte Nazis wären.


Hadmut
2.4.2012 8:35
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Das Symbol ist in Asien keineswegs selten, hat aber eine gänzlich andere (teils auch einfach gar keine) Bedeutung und mit Nazis nichts zu tun.


anonym
2.4.2012 9:18
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wie kam man denn überhaupt auf den Namen E.I.S.S?

Was ist daran europäisch?

Was ist denn das Besondere an dem E.I.S.S. gewesen, war es die erste Forschungseinrichtung in Sachen Kryptographie und Sicherheit?

Es gibt ein paar Reports und Jahresberichte, die aus heutiger Sicht ganz amüsant zu lesen sind, aber sonst findet man ja nicht so viel über das E.I.S.S.


Hadmut
2.4.2012 9:43
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@anonym: So wie man auch auf den Namen KIT kam: Nachahmung, Großmannssucht, Sprachliche Grobschlächtigkeit.

Beth wollte halt viel größer erscheinen als er war. Und solche Namen helfen beim Beantragen von Fördergeldern oder werden zur Voraussetzung gemacht. Das muß ja auch in den Förderlisten schön aussehen. Und was hermachen, wenn man „Direktor” desselben ist.

Europäisch war daran allerdings, daß das EISS damals wirklich Spitze war, weil es zu dem Thema damals in Europa noch nichts gab. Am EISS wurden die ersten Firewalls entwickelt, noch bevor es die Bezeichnung überhaupt gab, wir hatten sowas wie ssh und pgp, nur vorher, mit die ersten Webbrowser und -server usw. Wir waren schon Spitze.

Daß man nicht viel findet liegt an Beths Inkompetenz und Paranoia. Er hat viele Veröffentlichungen blockiert und verboten, weil er der Meinung war, daß alles so veröffentlicht werden muß, als hätte er es erfunden, was aber die Mitarbeiter wiederum nicht immer mitmachten. Außerdem hat Beth alles, was nicht Formelhaufen war, blockiert, weil das nicht seiner Auffassung von „Wissenschaft” entsprach. Und dann war er noch der Meinung, daß man eigentlich gar nicht publizieren, sondern nur handverlesen vertraulich weitergeben darf, weil die ganze Welt nur daraus aus sei, sich an seiner Genialität zu bedienen.

siehe dazu die Sache mit San Francisco in

https://www.forschungsmafia.de/blog/2009/04/15/open-access-im-wissenschaftspublikationszirkus/

Oder das mit der Sprachkompression in

https://www.forschungsmafia.de/blog/2010/11/26/wenn-die-deutsche-realitat-die-wissenschaftssatire-uberholt/

Oder die entsprechenden Kapitel über Forschung für den Müll in Adele und die Fledermaus

Das EISS hätte super dastehen können und wäre wirklich weltspitzentauglich gewesen, wenn es nicht von einem Idioten wie Beth drangsaliert worden wäre. Aber so läuft die Uni Karlsruhe eben und lobt sich selbst dafür.


yasar
2.4.2012 14:01
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Daß das Hakenkreuz in Ostasien eine ganz andere Bedetung hat und daher der Kontext in einem chinesischen Lokal ein ganz anderer ist, ist mir schon bekannt, darum habe ich ja auch das Wort swastika statt hakenkreuz benutzt. Deswegen sage ich ja auch, daß es mir nie in den Sinn gekommen wäre das mit Nazis zu verbinden. Was ich aber bezweifle ist, daß das manche Staatsanwälte auch so sehen und einfach nur deswegen, weil das Symbol verboten ist, da Ermittlungen aufnehmen würden. Und dieses Gebahren führt manchmal zu solchen Formen der Selbstzensur in Form von vorauseilendem Gehorsam.


yasar
2.4.2012 14:02
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Anmerkung: Der letzte Satz war auf den Blogartikel zum Thema Enigma gemünzt.