Ansichten eines Informatikers

Wie macht man gute Urlaubsfotos?

Hadmut
10.7.2022 23:18

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.

Die Tage schickte mir ein Leser – weiß nicht mehr, ob per E-Mail oder Twitter, ich finde es nämlich gerade nicht mehr – einen Link auf irgendeine Pressewebseite mit irgendwelchen banalen Ratschlägen, wie man gute Urlaubsfotos macht.

Was da noch dazugehört, fragte der Leser.

Weiß ich nicht.

Gleich aus mehreren Gründen nicht.

Ich bin mir gerade nicht sicher, ob man überhaupt noch gute Urlaubsfotos machen kann. Weil sich die Wahrnehmung längst in Richtung Video verschoben hat. Ich habe den Verdacht, dass man mit Fotos keine Aufmerksamkeit mehr bekommt, weil – und das könnte auch auf neuronale Veränderungen durch unsere Sehgewohnheiten zurückzuführen sein, aber auch durch die drastisch verbesserte Qualität der Kameras, wenn man nur daran denkt, was selbst die kleinen GoPros heute abliefern – heute das Bewegtbild mit Ton, vulgo das Video, das ist, was Aufmerksamkeit erzeugt. Und das ein schlechtes Video mit irgendeiner ungewöhnlichen Begebenheit besser ist als ein super gutes Foto.

Die Polizei sagt das ja auch. Immer mehr Leute gehen drauf, weil sie irgendwelche waghalsigen Dinge vor der Kamera machen wollten und das nicht überlebt haben, nur das letzte Video von ihnen blieb. Ich habe neulich jemandem, der mich fragte, was für eine Kamera er sich für den Urlaub kaufen soll, allen Ernstes „eine GoPro“ gesagt, was aber zu der Zeit war, als die noch etwas günstiger waren (die GoPro 7 black war für sowas meines Erachtens die beste, danach wurden sie groß, schwer und teuer). Damit kann man auch schöne Fotos machen, wenn einem die Standard-Perspektive reicht, und wasserdicht sind sie auch. Vergiss die Fotokunst, seh’ gut aus und hampel irgendwas vor dem Video rum.

Ansonsten: Den Kram für Instagram und TikTok, wenn man noch will, dass irgendwer außer einem selbst das noch anschaut. Zieh Dich aus. Wackel mit dem Arsch. Und dann sind Kameras und Geräte erforderlich, bei denen man nicht erst lange am heimischen PC nachbearbeitet, sondern gleich ordentliche Bilder macht und auf dem Handy sonstwohin hochladen kann.

Und nein, Urlaubsfotos werden nicht gut. Weil Urlaubsfotos den Urlaub dokumentieren sollen und damit nur persönlichen Wert haben. Das sind die Bilder, die man früher in die Fotoalben pappte und dann die nächsten 15 Jahre Leute, die die gar nicht sehen wollte, zwang, sie anzusehen.

Macht keine Urlaubsfotos.

Macht normale Fotos. Auch im Urlaub.

Meiner Erfahrung nach werden Urlaubsfotos nichts, wenn man nur im Urlaub fotografiert. Man muss die Kamera wirklich voll beherrschen und nicht vor Ort rätseln „ach, wie ging das nochmal“. Man muss das Auge schulen. Den Blick haben.

Meiner Erfahrung nach entstehen viele gute Urlaubsfotos sehr schnell, weil der richtige Augenblick nicht wartet. Viele meiner besten Fotos sind in weniger als einer Sekunde entstanden. Das braucht Übung.

Deshalb habe ich auch ein paar meiner besten Urlaubsfotos versaut oder nicht so gut gemacht, wie sie hätten sein können, weil man an diesen Spiegelreflexkameras so schrecklich viel verstellen kann und ich vergessen habe, irgendwas wieder zurückzustellen.

Ihr müsst die Kamera beherrschen.

Ihr müsst die Kamera zur Hand, nein, in der Hand haben.

Ihr müsst die Kamera geprüft haben, schaut, ob alles richtig eingestellt ist, die Akkus geladen, die Frontlinse geputzt, die Speicherkarte noch genug Platz hat. Vorbereitung ist wichtig. Habt Blasebalg, Pinsel, optisches Papier und einen Mikrofaserlappen dabei. Für manches ein Stativ.

Gute Urlaubsfotos kann man nicht üben.

Man macht sie, indem man vorher tausend schlechte übt. Üben, üben, üben.

Man braucht Frechheit. Enorme Frechheit. Macht Bilder, die sonst keiner machen würde. Seid impertiment. Seid geschmacklos. Sucht Situationen, die Euch fremd sind. Geht unter die Leute. Ich habe einige gute Fotos gemacht. Bei fast keinem davon hätte ich eine oder zwei Minuten vorher gewusst, dass ich es machen werde. Gefragt ist die Fähigkeit, in einer Situation sofort zubeißen zu können. Das setzt voraus, dass man – ich weiß, das gibt wieder Ärger, aber so ist es – eine gute Kamera hat, dass man sie im Schlaf beherrscht, dass sie richtig eingestellt ist, und dass man sie schussbereit in der Hand hat.

Oft habe ich von Fotos viele Variationen gemacht. Nicht selten war das erste das beste. Weil das schnelle intuitive Bild im Moment des Augenblicks passt oder nicht, und dann die Situtation nicht mehr herzustellen ist.

Macht keine Beweisfotos. Keine, die belegen, dass man da war. Oder mal zeigen, wie es dort aussieht. Das heißt, doch, die kann und soll man machen. Aber nur als Notizfotos, nicht zum zeigen. Macht nicht einfach hinhalten und draufdrücken. Überlegt Euch, was ihr zeigen wollt. Was ist der Bildinhalt? Worum geht es? Macht keine Bilder ohne Inhalt. Solche Allerweltsansichten. Suchbilder. Was will uns der Fotograf denn da zeigen? Geht ran. Zeigt das, was Ihr zeigen wollt, nochmal mindestens eineinhalb mal so groß, wie Ihr es zeigen wollt. Baut ein Bild auf.

Und es hilft trotzdem nichts.

Denn die richtig guten Fotos sind oft die, die sich den Regeln widersetzen.

Es gibt keine Regeln für gute Fotos, weil gute Fotos die Regeln brechen.

Aber wer fragt, wie man gute Urlaubsfotos macht, hat eigentlich schon verloren. Das ist so ein bisschen wie die Frage, wie man ein guter Sonntagsfahrer wird. Wenn man solche Tipps braucht, dann werden es keine guten Urlaubsfotos. Wer gute Fotos machen will, der muss das vorher schon können, egal ob mit oder ohne Urlaub. Und wenn man es vorher kann, dann kann man es auch im Urlaub.

Außerdem finde ich Urlaubsfotos ganz entsetzlich.

Blick aus dem Flugzeug. Ich vor dem Felsen. Ich vor der Kirche. Ich im Hotel, Ich im Restaurant. Gähn.

Gute Urlaubsfotos gibt es (fast) nicht. Weil gute Fotos zwar im Urlaub gemacht sein können, aber nicht so aussehen, als seien sie im Urlaub gemacht. Und weil sie normalerweise auch nicht die Urlauber (höchstens ironisch oder die Schöne im Stringtanga auf der Luftmatratze), sondern das vor Ort zeigen. Und die haben dort nicht Urlaub.