Programmieren Frauen wie blinde Hühner?
Ich bin über etwas seltsames gestolpert.
Auf den Webseiten eines Instituts für Didaktik in der Informatik an der TU München habe ich in den Materialen eine Seminararbeit von der Uni Innsbruck gefunden. Gut, kann man sagen, was ist schon eine Seminararbeit? Ein Geschreibsel von Studenten, die noch nicht wissen wo oben und unten ist, das in seiner Relevanz und Beachtlichkeit noch unter Null liegt. Eine Blindübung wie Fliegen im Simulator oder Operieren an Leichen. Immerhin liegt das Ding an einem Institut in München und im Dateipfad kommt „BestOf” vor. Und in der Arbeit findet sich folgender Abschnitt:
Ein Beispiel für unterschiedliche männliche und weibliche Zugangsweisen zum Computer, ist die unterschiedliche Art zu programmieren. Im Bereich der Programmierung kann grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Methoden unterschieden werden. Die “universelle” Methode [Ts98: 77] wird als strukturiertes Programmieren bezeichnet. Zunächst entwirft man einen Gesamtplan, in dem man genau spezifiziert, was das Programm leisten soll. Anschließend zerlegt man die Arbeit in Unterprogramme und Unterprozeduren. Dann erarbeitet man die Einzelteile, benennt sie nach ihrer Funktion und schließt sie ab. Eine alternative Methode dazu ist der “weiche” Programmierstil: Man spielt mit den Elementen des Programms, man probiert aus, schaut sich das Ergebnis an, unterzieht es einer kritischen Prüfung und probiert etwas anderes aus. Dieser Programmierstil ist assoziativ und kann als “Bastelei” bezeichnet werden. „Bastler lösen Probleme dadurch, dass sie in eine Art dialogische Beziehung zu ihren Arbeitsmaterialien eintreten“ [Ts98: 79]. Der weitgehend interaktive “weiche” Ansatz wird Frauen zugeschrieben. Der Entstehungsgrund läßt sich in den unterschiedlichen Beziehungsmuster, welche den Jungen und Mädchen vermittelt werden, finden. Die anerzogenen weiblichen Fähigkeiten – Verhandlungsgeschick, Kompromissbereitschaft, Geben und Nehmen – sind mit dem weichen Ansatz verbundenen sind, während der „harte“ Programmierstil das erwünschte männliche Verhalten von Entschlossenheit und Willensstärke repräsentiert. Der regelbasierte, “harte” Programmierstil gilt teilweise bis heute als die vorrangig richtige Methode.
Programmieren als Ausprägung von Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft im Umgang mit dem Computer, als würde man mit einem Gegner etwas aushandeln? (Der Text ist übrigens von einer Frau geschrieben.)
Wie haltet Ihr davon?
27 Kommentare (RSS-Feed)
Wenn ich mir das so anschaue, wie ich programmiere und wie die Kolleginnen das machen, dann würde ich es eher umgekehrt sehen. Ich bin da viel mehr Bastler als die.
In dem Link fehlt wieder das “http://”.
Ich habe also einen weiblichen Programmierstil? Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Lebe ich im falschen Körper?
Das Basteln – auch Hacken oder Frickeln genannt – ist ideal, um etwas neues kennen zu lernen, z.B. eine neue Programmiersprache, neue Hardware oder ein neues Software-Framework. Aber ist das typisch weiblich?
Sind die typischen Hacker, Frickler, Bastler, also die klassischen Computer-Nerds nicht doch eher männlich?
Wenn man dann weiß, was man mit den so erlernten neuen Kenntnissen anfangen kann und was man damit verwirklichen will, ist es sinnvoll, die bisherige Bastelei über den Haufen zu werfen und nach der “universelllen Methode” einen “strukturierten Gesamtplan” zu entwerfen. Dass genau das oft genug nicht geschieht, zeigt sich ja auch in einigen Deiner Blog-Artikel.
Fehlt es also in der Software-Entwicklung an “echten” Männern? Oder um es mit Olli Kahns Worten zu sagen: “Wir brauchen Eier!”
Wenn es in der Arbeit einen tatsächlichen Beweis für die geschlechtsspezifische Programmiergewohnheiten gibt, dann mag das ja stimmen.
Allein, mir fehlt der Glaube!
Ich würde solche Behauptungen eher in das Reich von “Warum Frauem beim Einparken Lügen und Männer die Socken immer verkehrt herum tragen” einordnen.
Der “weiche” Programmierstil erinnert mich an das, was von Hardcore-Lisp-Anhängern immer propagiert wird. Man lebt in der Read-Eval-Print-Loop, schreibt ständig Code um, kompiliert Funktionen neu und schaut, wie sich das System nun verhält. Wenn ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht ist, wird das Image gespeichert und bei Bedarf wieder geladen. Software wird so eher entdeckt als gezielt entwickelt.
Was bb sagt …
Diese verschiedenen Vorgehensweisen sind mir bekannt (wenn auch eher durch Selbstbeobachtung als durch Vorlesungen) und haben gewisse Vor- und Nachteile. Die Bastlermethode ist eher explorativ und bietet sich vor allem an um bestehenden Code, Controls oder Frameworks, die nur mager dokumentiert sind, kennen zu lernen und zu prüfen was überhaupt möglich ist. So kann man sehr schnell kleine (Teil-)Programme schreiben, das Ergebnis ist aber natürlich auch fehleranfälliger und man neigt dazu Spaghetticode zu produzieren, von daher kann das natürlich kein planvolles Vorgehen ersetzen sondern höchstens stellenweise ergänzen. Und produktiven Code sollte man so lieber nicht erzeugen 😉
Die Zuordnung von “männlich” und “weiblich” halte ich allerdings für typische feministische Verallgemeinerungen, die nicht nur komplett unsinnig, sondern auch zutiefst sexistisch sind.
Ich denke die Unterscheidung in die beiden Stile ist so schon korrekt, nur die Zuordnung zu männlich/weiblich halte ich für willkürlich und (wie sowohl obige Kommentare als auch meine eigene Erfahrung andeuten) realitätsfern.
Die Mehrheit der Kommentare hängt sich an dem Begriff “Basteln” auf.
In meinen Augen hat dieser Ansatz gerade bei kleineren Problemen/Projekten durchaus seine Vorteile und sollte daher auch nicht verurteilt werden, was in Hadmuts Beitrag in meinen Augen auch nicht geschieht.
Mir gefällt jedoch die Beschreibung dieses Vorgangs nicht sonderlich. Baue ich beim “Basteln” eine dialogische Beziehung zu dem Rechner auf? Verhandle ich? Gehe ich Kompromisse ein?
Ich finde es schon weit hergeholt Programmierstile geschlechterspezifischen Merkmalen unterzuordnen. Und basierend darauf wird natürlich sofort unterschwellig suggeriert (“gilt teilweise bis heute als die vorrangig richtige Methode”) dass selbst bei der Programmierung eine gewisse Diskriminierung des weiblichen Geschlechts stattfindet.
Immer wieder toll, was man mit konsequentem Gendering alles herbeifaseln kann. Ich stimme einigen Vorpostern zu, dass es oftmals sehr effektiv sein kann, zur Lösung eines echten Problems auch gerne mal ein bissl herumzubasteln, bevor man dann versucht, auf Basis der gewonnenen (manchmal überraschenden) Erfahrungen eine halbwegs saubere Architektur aufzustellen. Dazu muss ich mich aber nicht wöchentlich geschlechtsumwandeln lassen.
Zum Thema “harter Programmierstil” hat übrigens Kris Köhntopp einen IMHO sehr weisen Artikel geschrieben, der ich mich nur vollinhaltlich anschließen kann.
Jedes Programmieren beginnt mit Probieren. Einzelne Funktionen werden probiert, Demos und Beispiele werden aufgebohrt. Das ist auch ok. Dann aber, denn erst das zweite Programm wird etwas(Spruch eines Programmierers), macht man ein Konzept, top down und füllt es langsam aus, bottom top. Wird der Kram nicht saubergezogen, dann bleibt es Bastelwerk.
Obiger Programmierer(erst zweites Programm wird was) sitzt mit Elektriker im Amerika im Restaurant, richtiges Restaurant, haben die dort auch. Er fragt, wie soll ich denn hier auswählen? “Mach es doch so, wie Du programmierst.” Elektiker hält sich die Augen zu und tippt auf die Speisekarte.
Carsten
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Uropa / Euro
http://es.toonpool.com/user/64/files/merkel_euro_843985.jpg
Die Zuordnung zu den Geschlechtern ist kompletter Müll. In den ersten Semestern an einer Uni mag das noch hinkommen, wenn der männliche Teil viel größere Vorkenntnisse mitbringt und dementsprechend schon strukturiert arbeiten kann und der weibliche Teil es wirklich erst mit dem Studium lernt. Ansonsten würde ich aber die Unterscheidung in Erkundungs-\Erprobungsphase und ernsthafte Entwicklung unterschreiben.
Ohne es wirklich zu merken wird mit der Zuschreibung des experimentellen, eher dialogartigen Programmierens auch wieder eine negative Zuschreibung an die Frauen abgegeben. So wie bei dämlich herrlich und Mädchen (vgl. Made).
Um auf die hier universell genannte Weise zu programmieren braucht man nämlich ein übergreifendes Verständnis dessen was man tun will. Man muss ein Problem in Teilprobleme dekomponieren und strukturieren können. Das geht nur mit inhaltlicher Durchdringung und idR geht diese mit genau der Vorgehensweise einher. Auch bei Frauen.
Die Analogie mit einem Gegner etwas auszuhandeln finde ich aber für die Erkundungsphase durchaus treffend 😀
Dassdie beiden Programmiermethoden den Denkweise top down und bottom up entsprechen ,wurde in den Kommentaren ja schon erwähnt. In der Praxis wechselt man eigentlich zwischen den beiden Modi hin und her, man plant das Große und probiert unten, was überhaupt funktioniert – und passt dann ggf den Plan an.
Sowas anzuschneiden war Teil meines Studiums (Informatik TU Darmstadt) und kam da völlig ohne wahrscheinlich blödsinnigen Geschlechterbezug aus. Der Behauptung in der Arbeit fehlt ja auch jegliche Belegung.
Ist die Frau zufälligerweise angehende Soziologin, oder warum setzt sie das anerzogene einfach voraus? Halte ich für nicht haltbar, zumal das strukturierte in männlichen Programmiertechniken soziobiologisch erklärbar ist, weil Männer von der Gehirnchemie her strukturierter und Frauen intuitiver sind. Beobachtung richtig, Schlussfolgerung falsch würde ich zu der Seminararbeit sagen. Was ich echt schlimm finde ist das so ein Zeug unter Best Of läuft.
@Flusskiesel Weiß du was ich über Menschen denke, die wissenschaaftliche Beobachtungen verwerfen, nur weil sie jemand massentauglich in einem Buch veröffentlicht hat? Kannst ja bei Dawkins nachlesen, steht im wesentlichen das selbe, und das ist ein ernsthafter und sehr angesehener Wissenschaftler. Menschen wie dir scheint es ja um ansehen zu gehen, nicht darum ob was richtig oder falsch ist.
Ich denke auch eher, dass explorativer vs. strukturierter Programmierstil in erster Linie an Erfahrung und Fähigkeit und nicht am Geschlecht liegen.
Aber ich schließe mich an: strukturiertes Programmieren ist besser als exploratives/ unstrukturiertes (wenn man ein fixiertes Ziel erreichen will)
bb:
“Das Basteln – auch Hacken oder Frickeln genannt – ist ideal, um etwas neues kennen zu lernen, z.B. eine neue Programmiersprache, neue Hardware oder ein neues Software-Framework.”
Dem bereits von bb erwähnten stimme ich vollständig zu.
Der “Entstehungsgrund” des weichen Programmierstils liegt aus meiner Sicht auf der Hand, und hat nicht das Geringste mit Geschlechterdifferenzierung zu tun.
Wenn ich mich mit etwas nicht sonderlich gut auskenne oder eben mich damit nicht sonderlich sicher fühle, dann nutze ich den “weichen” Stil. Ansonsten bevorzuge ich den “harten” Stil, weil damit einfach schneller und “sauberer” zu einem guten Ergebnis kommen kann.
“(Der Text ist übrigens von einer Frau geschrieben.)”
Sieht man doch am letzten Satz 😀
Es heisst Der Computer/Der Rechner
Es heisst Die Programmiersprache
Es heisst Das Problem.
Die mythischen Zeiten, in denen solche Zuordnungen eine religiöse Bedeutung hatten, sind doch lange vorbei. Welche praktische Bedeuting hat die Einteilung von Entwicklungsstrategien in männlich/weiblich?
Man kann auch nach den vier Elementen einteilen, nach den Gegensatzpaaren kalt/heiss und feucht/trocken. Die medizinische Wissenschaft hat jahrhundertelang nach diesem Erklärungsschema gearbeitet und Ärzte ausgebildet. Aber was soll das?
@Alex Ich habe von Anfang sowohl explorativ als auch strukturiert programmiert. Mache ich heute noch. Heißt das ich bin… ja… was…. erfahren und gleichzeitig nicht, dann wieder doch und später nicht mehr?
@Stefan Dein letzter Absatz klingt logisch. Wenn du ihn gegenteilig schreibst ist er aber genauso logisch. Denn die Studenten, ohne ausreichende Ahnung und Erfahrung, arbeiten strukturiert, nach Lehrbuch. Während die Erfahrenen ausprobieren und auf Dinge kommen, die nicht im Lehrbuch stehen. Also wenn es so rum und andersrum genauso funktioniert kann deine Logik nicht stimmen und der Grund muss woanders liegen.
Wenn ich programmiere hängt der Programmierstil sehr stark davon ab, was das Endprodukt werden soll. Für ein kurzes Wegwerf-Skript bau ich mir auch nicht erst ein Konzept. Wenn’s etwas komplexeres, dauerhafteres werden soll, mach ich vorher einen groben Plan. Der Rest entsteht dann drum herum.
Die oben genannte Textausschnitt ist voller kruder Behauptungen.
Der Entstehungsgrund läßt sich in den unterschiedlichen Beziehungsmuster, welche den Jungen und Mädchen vermittelt werden, finden. Die anerzogenen weiblichen Fähigkeiten – Verhandlungsgeschick, Kompromissbereitschaft, Geben und Nehmen – sind mit dem weichen Ansatz verbundenen sind, während der „harte“ Programmierstil das erwünschte männliche Verhalten von Entschlossenheit und Willensstärke repräsentiert. Der regelbasierte, “harte” Programmierstil gilt teilweise bis heute als die vorrangig richtige Methode.
Gibt es dafür irgendeinen Beweis? Nennt man freies Assoziieren heute Wissenschaft?
Für mich hört sich das so an, als konstruiere da jemand wieder eine Benachteiligung für Frauen herbei. Die bösen Männer und ihr “harter” (aggresiver) Programmierstil, der allgemein akzeptiert ist, hält Frauen davon ab, sich in der Informatik zu betätigen, weil ihr “weicher” Programmierstil dort nicht aktzeptiert wird. So etwas sexistisches hört man leider viel zu oft.
Ob die Arbeit wissenschaftlich relevant ist oder nicht, ist meiner Meinung nach zweitrangig. Hier wird deutlich, welche Geisteshaltung sich heranbildet.
Die anerzogenen weiblichen Fähigkeiten – Verhandlungsgeschick, Kompromissbereitschaft, Geben und Nehmen – sind mit dem weichen Ansatz verbundenen
Köstlich. Wer das Niebelungenlied kennt – ich denke da v.a. an die Szene der 2 Frauen vor dem Dom, der weiß wie weit es mit Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft bei Frauen her ist.
Die Rollenzuschreibung der sog. Feministinnen ist nicht nur daneben – sie ist auch an Einfalt kaum zu überbieten. Der harte der Männer – ja können die nicht an etwas anderes denken, als an männlich-hartes? Angesichts solcher Äußerungen ist es schwer die Freudsche Idee vom Penisneid zurückzuweisen.
In den 50ern und 60ern waren (angeblich) Programmier-Jobs zum Großteil von Frauen besetzt (und Männer machten die harten Jobs mit Röhren-Schrauben und Käfer-Suchen). Das kann natürlich auch mit den im Umfeld der Programmiertätigkeit auftretenden Arbeitsprofile zu tun haben und umfasste vielleicht auch “Hilfs-/Sekretariats-Jobs” wie Lochkarten-Schreiben, -Sortieren, -Leser-Befüllen.
Aber wenn auch die echte Programmiererei eher eine Frauendomäne war: damals war nix mit dialog-orientiertem Ausprobieren. Programmierung war harter Top-Down-Approach.
Nur sind irgendwann zwischen damals und heute die Programmiererinnen weggeblieben.
Hier heißen zu viele Stefan! Wie lautet da eigentlich der Plural? 🙂
@Michl
Das ist wohl Einstellungssache, aus meiner Sicht macht es den meisten Sinn durch selbstständiges ausprobieren mein Ziel zu erreichen. Ein Lehrbuch ist für mich nur eine “So könntest du es tun”-Vorlage
Sorry für OT: Stephähne
“In Ausbildungen für Frauen sind ausschließlich Frauen einzusetzen, um einen angst- und konfliktfreien Verlauf ohne geschlechtsstereotype Zuschreibungen zu garantieren.” (5.3 Abs. 1 S. 9)
Das ist doch mal gut oder? Geschlechtergetrennte Bildung um “geschlechtsstereotype Zuschreibungen” zu vermeiden. Wer bitteschön kann denn so etwas ernst nehmen?
“Everything should be built top-down, except the first time.” (Alan J. Perlis, Epigrams on Programming, Nr. 15)
Wenn ich mir die EU und sonstige Politik anschaue, ist das ‘Basteln’ wohl nicht frauenspezifisch. Ausserdem basteln viel mehr Maenner als Frauen an Autos, Motorraedern, Modellflugzeugen und -bahnen.
Von daher eigentlich unzutreffend.