Eine Täuschung. Aber keine optische.
Eine Beobachtung am Rande der Autobahn. Oder: Über den Verzehr einer Bulette nach amerikanischer Art.
Es kommt gelegentlich vor, daß ich längere Strecken über die Autobahn fahre. Das stundenlange Rasen habe ich mir längst abgewöhnt, ich fahre inzwischen trotz hinreichender Motorisierung langsamer, geruhsamer und mit konstanterer Geschwindigkeit – und mache dafür zum Ausgleich mehr Pausen.
Nun ist es so, daß in Deutschland immer mehr Autobahnraststätten und Autohöfe gastronomisch gesehen auf die beiden Buletten-Ketten McDonalds und Burger King reduziert sind. Jetzt will ich nicht direkt was gegen Fast Food sagen. Aber mit etwas Weitblick muß man sagen, daß die beiden auch innerhalb des Fast Food Universums jedenfalls meines Erachtens qualitativ im unteren Bereich anzusiedeln wären.
Gut, im Lauf der Zeit habe ich mich mit der nur unter Zeitaufwand vermeidbaren Unvermeidlichkeit eines McDonalds-Besuches am Autobahnrand arrangiert. Einen Salat und so einen Fruchtjoghurt (ja, der von Danone, mit dem albernen Hohl-Deckel, der das Ding doppelt so groß erscheinen läßt wie es ist) oder auch mal ein Stück Kuchen von den neuen, eher erträglichen McCafes, das geht schon. Die Hauptsache ist ja, daß man sich von dem stundenlangen Sitzen im Auto dadurch erholen kann, daß man zwischendurch auch mal in einer Gaststätte sitzt.
Nun kam ich aber an einen Autohof, an dem es Burger King gab. Na gut, also halt rein. Aber nichts gesehen, was mich jetzt esstechnisch wirklich interessiert hätte. Aber da hing dieses Plakat an der Wand. Jetzt machen sie in Hawaii. Da gibt es einen Burger mit Ananas namens Beef Hawaii, komplett mit Pommes und was zu trinken. Oh, ich liebe Ananas. Also gut, das Ding bestellt.
Nun ist das so, daß man die Katze im Sack kauft. Genauer gesagt den Burger im Papier. Wenn man das Ding bekommt, sieht man nicht, was man bekommt. Das hat Methode. Ansehnlich ist es nämlich nicht.
Also gehe ich mit dem Tablett zum Platz und wickele das Ding aus. Ich habe einen knatschigen Klumpen in der Hand, der verblüffend wenig Ähnlichkeit mit der Abbildung auf dem Werbeplakat hat. Ich bin nicht wirklich überrascht, aber auch nicht gerade aufgeheitert. Aber da der wesentliche Unterschied zwischen Bild und Klumpen: Die Ananas fehlt.
Schock-Schwere-Not. Die Ananas fehlt.
Kann ja wohl nicht sein. Ich kaufe das Ding nur allein wegen der lecker aussehenden angebratenen saftigen Ananasscheibe, und dann bekomme ich nur das, was ich als Dreingabe gerade so in Kauf genommen habe. Ich will also aufstehen und mich beschweren, als mich das Schicksal noch schlimmer traf. Mein austrainiertes Hochleistungsriechorgan detektiert eindeutig Ananas-Aroma. Zwar nur in geringster Konzentration, wenige Moleküle in der Luft, aber doch signifikant über der Nachweisschwelle meines Zinkens. Der komische Klumpen in meiner Hand emitiert tatsächlich Moleküle aus dem Bereich der organischen Chemie, die dem entsprechen, was man landläufig als Ananasaroma wahrnimmt. Haben die etwa das Schaumgummi-Brötchen in Flüssig-Aroma getunkt?
Der Klumpen in meiner Hand macht einen toten Eindruck. Also beschließe ich, an dem Ding eine Obduktion vorzunehmen, bevor ich mich zwischen Verzehr und Rückgabe entscheide. Vielleicht findet sich dabei sogar die Todesursache für die Kuh.
Und da, tatsächlich, unter einer Scheibe einer Tomate, die auch nicht glücklich gestorben ist, findet sich ein kleines Scheibchen Ananas. Sogar angebraten. Und es sieht sogar so ähnlich aus wie auf dem Plakat, auch angebraten. Und riecht für sich betrachtet sogar gut. Aber es ist lächerlich klein. Das Ding hat kaum den halben Durchmesser der Bulette, sieht aus wie der Klarsichtteil im Inneren einer CD. Auf dem Foto hängt das Ding aber saftig noch über Brötchen und den Fleischklops hinaus.
Ich bin erstaunt. Bisher dachte ich immer, daß Fleisch teurer als Ananas wäre, und man eher die Bulette kleiner machen würde. Würde ja auch gut in das Loch in der Mitte einer Ananas-Scheibe passen. Aber daß man die Bulette so groß macht und die Ananas so klein – spricht eindeutig dagegen, daß die Bulette von edler Substanz wäre.
Wie ich gerade so überlege, ob es sich lohnt, deshalb aufzustehen, kommt gerade der Ober-Buletten-Chef mit dem Headset direkt an mir vorbeigelaufen. Prima, ich brauche gar nicht aufzustehen um blöde Fragen zu stellen. Ja, wie wir es denn hätten. Warum die Ananas so mickrig sei.
Spontan fühle ich mich an die Werbung irgendeiner amerikanischen Buletten-Kette erinnert, die so vor 15-20 Jahren mal Furore machte: So ein kleines, altes Hutzelweibchen mit Scheiß-Hut auf kam in einen Buletten-Diner und bestellt einen Burger. Bekommt auch einen von fast Pizza-Größe, an dem man kein Fleisch sieht. Sie fragt mit einer fürchterlichen und bösartigen Reibeisenstimme “Where’s the beef?” Und bekommt gezeigt, daß in dem Riesen-Ding mit Schallplattendurchmesser irgendwo unter dem Salat ein münzgroßes Bulettenscheibchen liegt. Deshalb soll man da hingehen, wo ordentlich Fleisch drin ist. Und so komme ich mir gerade vor. “Where’s the pineapple?”
Nun, so werde ich aufgeklärt, das läge ausschließlich an meiner mangelnden Wahrnehmung und mangelnden Sachkunde. Schließlich müsse man die Ananas ja braten, was aufgrund deren hohen Wassergehaltes mit einem unvermeidlichen Schrumpfungsprozess einherginge. Aber, so wende ich ein, ich wolle ja nicht mehr und nicht weniger als das, was auf dem Bild da angeboten würde. Doch nein, so werde ich beschieden, um eine Ananas-Scheibe in der von mir gewünschten Größe zu erhalten, müßte man sie roh einlegen, was wir doch alle nicht wollten. (Wieso eigentlich nicht? In Australien wird grundsätzlich rohes Gemüse wie rote Bete, Ananas usw. in den Burger gepackt. Schmeckt richtig lecker. Und selbst bei Burger King sind Salat und Tomate ja auch roh.)
Ich bestand aber darauf, auf das Bild der Werbung zurückzukommen. Die Ananas dort sei eindeutig gut gebraten und trotzdem im Durchmesser größer als Bulette und Brötchen. Wie die denn das fertig brächten und warum sie hier nicht.
Ich wurde vom Burger King Manager darüber belehrt, daß es sich dabei um eine “optische Täuschung” handele. In der Realität sei meine Ananas-Scheibe so groß wie die auf dem Foto. (Computer: Simulation anhalten und Fehler beheben!)
Ich entgegnete ihm, daß ich ihm nur zu 50% zustimmen könnte. Auf sein verdutztes Gesicht fügte ich hinzu, daß es sich fraglos um eine Täuschung handele, daran könne es keinen ernstlichen Zweifel geben, aber nicht um eine optische. Er hat aber nicht verstanden, was ich ihm damit sagen wollte.
Ich habe das Ding dann samt Beilagen vertilgt, aber Glücksgefühle haben sich dabei und danach nicht eingestellt. Erinnert mich daran, daß ich irgendwann mal etwas über den feinen Unterschied zwischen einem Gefühl der Sättigung und dem Gefühl, nichts mehr essen zu wollen, schreibe.
2 Kommentare (RSS-Feed)
… oder für alle, die es verpasst haben:
http://de.youtube.com/watch?v=XkwQ6EjLdMQ
… an dieser Stelle kann ich Kabel 1 in zwei Stunden empfehlen:
http://www.kabeleins.de/tv_programm/index_popup.php?action=onDetail&id=15402504