Ansichten eines Informatikers

Wenn Journalismus zum Polit-Sprachrohr degeneriert

Hadmut
24.7.2012 17:11

Wisst Ihr, wass mir bei den Recherchen für das Buch und jetzt bei dem Meinungsunterschied zwischen Bundestagspräsident Lammert und den anderen Abgeordneten über die Hinterzimmerwahlen von Verfassungsrichterin (wieder einmal) aufgefallen ist? Es gibt fast keinen Journalismus mehr.

Die großen Zeitungen sind zu fast reinen Propaganda-Blättern verkommen. Kritische Analysen kommen kaum noch vor. Es wird fast nur noch berichtet, dass der X dieses und vielleicht dass der Y etwas anderes gesagt hat. Zu der Sache mit den Richterwahlen habe ich keine ernsthaft kritische Berichterstattung, sondern nur Aussagewiederholung gefunden. Da sagt dann irgendein Politiker irgendeinem Blatt etwas, und alle anderen schreiben dann davon ab. Weil der X der Zeitung Z gesagt habe. Oder es heißt dann, der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident P sei auch dagegen. Aber warum er dagegen ist, warum etwas nicht gut sein soll, fragt man schon nicht mehr. Weil sich Journalisten das heute nicht mehr leisten können, denn wenn einer mal kritisch fragt oder kritisch schreibt, sagt man einfach nichts mehr zu ihm.

Und was mir auch schon häufig aufgefallen ist, dass sich diese Selbstdarstellungs-Werbe-Portraits von Personen häufen. Da wird dann auf einer halben oder ganzen Seite abgedruckt, wie Leute sich selbst gerne sehen und darstellen, also im Prinzip nur deren Selbstdarstellung in die dritte Person durchkonjugiert, und völlig kritiklos der Schmonzes durchgereicht. Und sowas nennen die dann Journalismus. Besonders häufig wenn Frauen als Journalistinnen über Frauen in Politik, Wissenschaft oder Industrie schreiben. Da scheint es dann nur noch darum zu gehen, irgendwelche Frauen als möglichst stark und toll hinzustellen.

Und dann wundern sie sich, wenn ihre Umsätze runtergehen…

15 Kommentare (RSS-Feed)

Stephan Berger
24.7.2012 19:49
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Der Meinung über fehlenden Journalismus kann ich mich nur anschließen. Ist in Österreich leider mMn nicht anders.
Dazu fällt mir eine kurze Unterhaltung mit einem Freund/Bekannten ein – er ist Auslandskorrespondent:
Ich äußerte meinen Unmut, die Zeitungen würden in ihren Artikeln nur noch kommentarlos zusammenschreiben, was Politiker von sich geben – also mehr oder weniger inhaltsgleich mit diesem Blog-Eintrag.
Darauf meinte er: Das ist doch Journalismus, sie stellen alle vertretenen Positionen dar. Alles andere wäre einer Zeitung unwürdig(?) und gegen den “Kodex der Journalisten”(?). Für andern Inhalt als offiziell Gesagtes oder “Kommentare” zum politischen Geschehen sind die Kolumnen der Journalisten da.

Von diesem Standpunkt lies er sich auch nicht abbringen. Also seiner Meinung nach MUSS das so sein. Tolle Medienwelt.

Auch wenn zu Felix von Leitner eine gewisse Feindschaft besteht;
zum Thema “Selbstdarstellungs-Werbe-Portraits” empfehle ich Alternativlos Folge 24.


Hadmut
24.7.2012 19:51
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Wieso Feindschaft? Ich kenn den ja nicht mal…


FF
24.7.2012 20:31
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Ach was? ‘S gibt keinen Journalismus mehr? Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen… Au Backe.

Solange ein Herr Marc Beise aka “Leuchtturm des kritischen Journalismus” (LkJ) als “Wirtschaftsredakteur” bei der “Süddeutschen” wirken darf, ist die Welt doch prinzipiell in Ordnung.

Oder?


Hadmut
24.7.2012 20:32
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Wieso? Was hat’s denn mit dem auf sich?


Werner
24.7.2012 22:05
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Man will um Gottes willen nicht anecken. Ein besonderes Kennzeichen des treudeutschen Journalismus ist die “Akkreditierung” von Interviews. So ein Quatsch, werden da unmündige Kinder oder Erwachsene interviewt? “Du musst wissen, worüber du redest, wenn Du etwas sagst, weil es sein kann, dass Dir einer zuhört,” wußte schon Sokrates. Da braucht es keine nachträgliche hochherrschaftliche Druckerlaubnis.
Aus Duckmäusertum entsteht aufregender authentischer Journalismus, jawoll.


Hanz Moser
24.7.2012 23:01
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Naja, bei dem was ich mit Journalisten schon erlebt habe, würde ich auch auf eine Akkreditierung bestehen. Da wird gekürzt und zusammen geschustert, nicht selten nicht einmal vom eigentlichen Interviewer oder zuständigen Redakteur, und am Ende steht irgendwas da, was nur noch entfernt Äahnlichkeit mit dem hat, was gesagt wurde.
Freie haben auch oft das Problem, das deren Artikel kaputtgekürzt werden. Da wird beim Zusammenziehen der Sätze eine Negation übersehen oder der Kontext komplett zerstört.

Ich glaube das Problem mit der Akkreditierung der Interviews besteht von zwei Seiten.

Die abnehmende Qualität des Journalismus, vor allem des Qualitätsjournalismus, fällt mir auch schon seit einiger Zeit auf. Eigentlich seit der Begriff Qualitätsjournalismus Usus wurde…

Letzten Endes ist nach dem, was ich auch schon von Journalisten gehört habe, das Problem, dass die interessanten Informationen Handelsware sind, die an Günstlinge verteilt wird. Vor allem in Brüssel erfährt man wohl als normaler Journalist gar nichts, man muss Beziehungen haben. Und natürlich kann man schlecht jemanden, der einem einen Gefallen getan hat, hinterher in die Pfanne hauen. Sonst spricht keiner mehr mit einem.

Und möglich ist das alles auch nur, weil sich nur ein winziger Teil der Konsumenten für echten Journalismus interessiert. Dem Großteil fällt es nicht auf, dass nur noch Müll in den Zeitungen steht. Die Leute wissen nichts und denken nichts. Wenn die ÖR Sender sich echauffieren, dass das Meldegesetz durch die Hintertür durchgedrückt wurde, fragt sich einfach keiner, wozu die bitte im Dutzendpack billiger Journalisten im Hauptstadtstudio haben und ob da keiner schaut, was im Parlament geschieht. (Oder Pressemeldungen der Opposition liest.)
Solchen Leuten kann man auch Werbetexte als redaktionellen Inhalten verkaufen.


Hadmut
24.7.2012 23:09
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Naja, ich merk das ja auch sehr deutlich, wenn man irgendwo bei einer Universität, Behörde oder bei einem Politiker anfragt, bekommt man, selbst unter einem presserechtlichen Auskunftsanspruch, in der Regel keine oder keine inhaltliche Antwort.

Der Informationsanspruch der Öffentlichkeit wird immer öfter untergraben. Und wie Du richtig sagst, wird alles zur Handelsware reduziert. Der Politiker kauft sich mit Informationen wohlwollende Artikel und umgekehrt. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, aber zum Schaden der Öffentlichkeit, also quasi Korruption mit Information statt Geld.


Stefan W.
25.7.2012 3:19
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Das Absegnen eines Artikels ist aber dann verständlich, wenn der Journalist die Antworten und Aussagen zusammenkürzt. Dann sagt der Politiker, er sei sinnentstellend zitiert, und fordert evtl. eine Gegendarstellung.


incognitooc
25.7.2012 7:27
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[++]
Fachkräftemangel eben.
😀


Thomas
25.7.2012 7:36
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nein dummheit was wir alle oder die meisten das unterstützen und den schund lesen.


FF
25.7.2012 9:41
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@Hadmut

Sollte ein Scherz sein. Herr Beise ist einer der Gründe, warum ich mein SZ-Abo zuerst nur noch unter Schmerzen aufrechterhalten und schlußendlich kündigen mußte.

Ein “neoliberaler” Großtöner vom feinsten – der idealtypische Null-Journalist und Sermon-der-Mächtigen-Nachplapperer.

PS.: Bei Langeweile – auf Youtube mal Beises Versuch besichtigen, ein Buch des Kabarettisten Schramm (in dessen Gegenwart, auf einer Buchmesse) vorzustellen. Köstlich.


lothar
25.7.2012 10:14
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Herrmann
25.7.2012 12:01
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Mal was anderes.
http://ef-magazin.de/


Herrmann
25.7.2012 12:57
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anonym
25.7.2012 20:06
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“Darauf meinte er: Das ist doch Journalismus, sie stellen alle vertretenen Positionen dar. Alles andere wäre einer Zeitung unwürdig(?) und gegen den “Kodex der Journalisten”(?). Für andern Inhalt als offiziell Gesagtes oder “Kommentare” zum politischen Geschehen sind die Kolumnen der Journalisten da.”

Ähnlich ist es in der Wikipedia. Dort darf man auch offensichtliche Sachen nicht in einen Artikel schreiben, wenn nicht jemand, der relevant ist, sie schonmal gesagt hat. Das ist dann nämlich “Theoriefindung”, und die ist unerwünscht.