Der öffentlich-entsetzliche Hundfunk
Das kannte ich so auch noch nicht.
Fast hätte ich gesagt, es sei ein tägliches Schauspiel, aber es gibt ja nichts zu sehen, nur zu hören, also ein Hörspiel.
Ich müsste mal mein Aufnahmegerät von Berlin mitbringen, um es aufzunehmen, aber ich fürchte, das wird nichts, weil man es zwar Subjektiv warnimmt, es aber objektiv gegen das normale Meeres- und Wetterrauschen nicht so hervorsticht.
Und es passiert ausnahmslos jeden Abend. Und lange dachte ich, immer exakt einmal pro Tag, nicht mehr und nicht weniger, aber inzwischen habe ich es auch erlebt, dass sie es – wohl unbeabsichtigt – zweimal machten.
Als ich die erste Nacht hier war, dachte ich erst, ach Herrje, was ist denn jetzt los, weil ich im ersten Augenblick dachte, da heule eine Luftschutzsirene in der Entfernung, und habe schon überlegt, ob das jetzt eine Erdbeben- oder Tsunami-Warnung sein solle, es irgendwo brennt oder irgendwer angreift.
Hunde.
Es sind Hunde.
Keine Ahnung, welche und wo, ich sehe sie nicht, ich höre sie nur. Anscheinend werden hier in der Umgebung einige Hunde im Freien gehalten, Außenzwinger, Hundehütte oder sowas. Und jeden Abend, nur nicht immer zur selben Zeit, aber immer nach Einbruch völliger Dunkelheit, im Winter also früher, im Sommer eben später, fängt einer an zu heulen, und alle machen mit, alle stimmen mit ein, und jeder fügt was dazu, hat seinen Kommentar. Das geht dann so gefühlte 30 bis 60 Sekunden, vielleicht auch mal etwas länger, ein grausiges Geheul, und dann ist schlagartig wieder Ruhe. Dann kommt nichts mehr, dann ist kein einziger mehr zu hören. Wenn es vorbei ist, dann ist es auch wirklich vorbei. Da kommt keiner und jault nach. Aus ist aus. Bis zum nächsten Abend.
Es ist, also würden die sich jeden Abend alle gegenseitig eine Gute Nacht wünschen, technisch gesehen per Broadcast.
So wie damals die Abschlussszene in der Serie „Die Waltons“ – Gute Nacht John-Boy. Gute Nacht Mary-Ellen. Gute Nacht Grand-Ma.