Der Ärztekrampf
Das müsste man auch mal komplett überarbeiten.
Ich höre seit gestern oder vorgestern im Radio die Aufrufe, dass man doch bitte davon absehen möge, in die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu gehen, wenn man damit auch zum Haus- oder Facharzt gehen könnte.
Witzbolde!
Mal versucht, in Berlin einen Termin beim Facharzt innerhalb desselben Quartals zu bekommen?
Einige der Fachärzte antworten schon gar nicht mehr auf Terminanfragen, und ich kennen einen, der antwortet, aber entweder mit dem Hinweis, dass sie die gesetzlichen Kassen gerade bestreiken oder gar keinen Termin mehr frei haben.
Schon mal auf die Idee gekommen, dass vielen Leuten gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als in die Notaufnahme zu gehen?
Ich war in Berlin vor ein paar Jahren auch schon mal in einer Notaufnahme wegen etwas, womit man eigentlich zum normalen Arzt geht – ich habe aber keinen Termin beim normalen Arzt bekommen.
Gleichzeitig muss ich – obwohl ich Single bin und keine Familie habe – bei der Krankenkasse den Höchstsatz zahlen, also den teuersten Preis für eine Leistung, die ich faktisch nicht bekomme.
Neulich hatte ich ja schon erwähnt, dass in Berlin ein Kinderarzt einfach aufgegeben hat, weil der unter der Belastung zusammenbricht, nachdem er in seinem Stadtteil der einzige Kinderarzt von früher mal sechsen war und die nun alle zu ihm kamen, und der einfach die Praxis bis Januar dicht gemacht hat, damit seine Mitarbeiter nicht ausbrennen.
Gestern oder vorgestern kam der Aufruf, die Arztpraxen länger zu öffnen:
Angesichts der überfüllten Kliniken hat der Deutsche Städtetag an die niedergelassenen Ärzte appelliert, ihre Praxen länger zu öffnen. Mediziner in #SH lehnen das ab. Die Argumente. https://t.co/QoKUlxShUL
— Kieler Nachrichten (@kn_online) December 22, 2022
Der Deutsche Städtetag suggeriert mit seinem Appell an die niedergelassenen Ärzt:innen angesichts der vollen Kliniken, ihre Praxen auch nach 18 Uhr und an Wochenenden & Feiertagen offenzuhalten, dass wir ein Verteilungsproblem hätten. Das stimmt nicht. Wir können ALLE nicht mehr!
— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) December 21, 2022
Lieber @staedtetag, gerne dürfen Sie zwischen den Jahren ehrenamtlich in unseren #Praxen mitarbeiten, diese sind nämlich im Gegensatz zu Ihrer Geschäftsstelle geöffnet.
Oder Sie widmen sich endlich dem Thema der Entbudgetierung (fach)ärztlicher Leistungen! https://t.co/a2STC3ohlv pic.twitter.com/1I34KVcFew— Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) (@SpiFa_eV) December 22, 2022
Es steht einfach nicht genug Arztarbeitszeit für den Bedarf zur Verfügung, weder absolut in Arbeitsleistung, noch als Kassenbudge. Man pumpt das Volk künstlich mit Migranten auf, während man gleichzeitig die zur Verfügung stehende ärztliche Arbeitsleistung durch Feminisierung des Medizinwesen drastisch nach unten gefahren hat.
Oder anders gesagt: Es wäre ja auch das Erste, was unter linker Politik noch funktionierte.
Denn, und das glauben mir viele nicht, wenn ich das erzähle, und reagieren so wie auf „Opa erzählt wieder vom Krieŋ“, in meiner Jugend war das überhaupt kein Problem. Da musste man zwar noch so komische Krankenscheine ausfüllen, weil es die Krankenkassenkarte noch nicht gab, aber konnte einfach so zu jedem Facharzt gehen, bekam sehr schnell einen Termin oder brauchte gar keinen, konnte sich einfach ins Wartezimmer setzen, und die Medikamente bekam man ohne Zuzahlungen – sogar Brillen und Kuren waren drin.
Es gibt zwar – ich komme jetzt nicht auf den Namen – einen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen (oder der Kassenärzte, bin mir nicht ganz sicher), die einem einen Facharzttermin vermitteln sollen, aber das ist auch nicht so der Brüller. Und die haben auch schon falsch reagiert. Mir ist mal vor ein paar Jahren ein Äderchen im Auge geplatzt, was auch ziemlich gejuckt hatte, und die Augenärztin, bei der ich sonst war, war gerade nicht da. Also habe ich da angerufen, und die sagten, gottogott, sofort in die Notaufnahme! Ich also in die Notaufnahme ins Krankenhaus gefahren, dort dann fünf Stunden gewartet, bis mir ein Arzt sagte, dass wenn das nicht häufig passierte und auf Bluthochdruck beruhe, harmlos sei und man einfach gar nichts tun müsse, das gehe von selbst weg.
Ich frage mich, warum man das, was man in der Pandemie teils schon gemacht hatte, nämlich eine Art Online-Vorsprechstunde, zum Standard macht. Statt erst nach einem Termin zu fragen, und dann erst vor Ort sagen zu können, warum man eigentlich da ist, um dann nur eine Überweisung sonstwohin oder irgendeine Salbe verschrieben zu bekommen, bis dahin aber schon drei Arzthelferinnen in Beschlag nahm, wäre es doch sinnvoll, statt irgendwelcher dämlicher Telefoncallcenter so eine Art schnelle Online-Videosprechstunde zu haben, die natürlich sehr viele Ärzte brauccht, um nicht auch überlastet zu sein (aber keine teuren Arztpraxen und keine Arzthelfer), bei denen man erst einmal voranfragt und sagt, was man hat, und die dann einschätzen, ob das was für die Notaufnahme ist, man da schnell einen Arzttermin braucht oder auch einer in zwei Wochen reicht, oder ob man gar keinen braucht und das Rezept digital bekommt. Oder wie bei der geplatzen Ader im Auge gesagt bekommt „Ist unangenehm, geht aber von selbst wieder weg.“
Schön wird das dann wohl auch nicht, weil ich mir auch sicher bin, dass viele Leute als Videopatienten unerträglich oder zu doof wären und sich nicht artikulieren können oder alles erzählen, was sie schon immer erzählen wollten. Als ich als Kind auf Sprachreisen in England war, wo es eine staatliche Medizinversorgung gibt (oder damals gab), und viele alte Leute, die keine Freunde mehr hatten, zum Arzt gingen, einfach um überhaupt noch jemand zum Reden zu haben, erzählte man mir diesen Witz darüber: Eine Frau kommt zum Arzt. „Ach“, sagt der Arzt, „ich habe Sie ja schon lange nicht mehr gesehen!“ „Ja“, sagt die Frau, „ich war krank.“
Sowas würde da wohl auch passieren und man bekäme manche Leute wohl auch nicht mehr aus der Leitung, ohne sich dann auch gleich alle 9 Kinder mal anzusehen, und der Hauskatze ginge es ja auch nicht gut.
Wenn man das aber entsprechend über eine Eingangswebseite aufbereitet, auf der man erst mal kurz hinschreibt, weshalb man überhaupt anruft, etwa mir ist ein Äderchen im Auge geplatzt, oder ich habe mir den Fuß verstaucht, dann kann darüber ja bereits der passende Facharzt ausgewählt werden und gleich ein Augenarzt oder eben Orthopäde dran sein, der die Sache voreinschätzt.
Ich glaube, dass wenn man das ordentlich und effizient macht, man damit mehr Arbeitszeit einspart, als es kostet.
Dann nämlich könnte es auch für Ärzte mit Praxis sinnvoll und effektiver sein, besser drei Stunden pro Woche solche Onlinedienste anzubieten als die Praxis in diesen drei Stunden offen zu haben. Man müsste es probieren. Vor allem aber müsste man dazu nicht in der Praxis sein. Und dann nämlich hatte man auch eine gewisse Verwendung für die große Zahl von ausgebildeten Ärztinnen, die dann irgendwann keinen Bock mehr auf Praxis haben (wenn sie überhaupt je hatten), und wegen Kindern zuhause bleiben müssen oder wollen. Ich war mal in Berlin in einer Zahnarztpraxis bei einer prima Zahnärztin, die dann plötzlich verschwunden war, man sagte mir, die ist in Mutterschaft. Als sie auch nach Jahren noch nicht wieder in der Praxis war, sagten die dort, dass die so schnell auch nicht wieder komme, die habe ihren Sinn fürs Muttern entdeckt und eine ganze Baureihe aufgelegt, die ist in Dauerproduktion. Warum aber sollen solche Ärztinnen nicht etwas verdienen können, indem sie von Zuhause immer dann, wenn sie gerade mal Zeit haben (ich weiß, Mütter haben nie Zeit, aber manchmal haben sie doch und vor allem wollen viele ja im Beruf bleiben) sich am Rechner einen einen Anrufer aus der Warteschlange für Zahnprobleme geben lässt (Zähne sind vielleicht jetzt nicht das beste Beispiel, aber mir ging es hier mehr um die Situation der Ärztin, das gilt ja für alles andere genauso), und dann eine Vorbewertung abgibt, ob der einen dringenden Termin bekommen muss, ins Krankenhaus muss, oder man ihm erst mal irgendwas verschreibt, oder das auch noch zwei Wochen Zeit hat.
Denn wenn ich so an meine eigenen Arzttermine denke, hätte ich mindestens die Hälfte davon auch online abhandeln können. Am Anfang des Corona-Lockdowns, also gerade alles im Oberkrisenmodus war, und die Praxen gebeten hatten, alles, was geht, telefonisch zu machen und nur dann zu kommen, wenn sie einm das sagen, hatte ich tatsächlich mal einen verletzten und entzündeten Zeh und habe meiner damaligen Hausärztin per E-Mail ein Foto geschickt, um mir dort dann durch den 5mm geöffneten Türschlitz ein Rezept abzuholen. So schlecht ist die Idee eigentlich nicht, dachte ich damals. Und Smartwatches, EKG-Geräte und so weiter gibt es längst im Supermarkt. Eigentlich wäre es doch praktikabel, so die allerwichtigsten Geräte (ein schickes Pulsoximeter habe ich mal für 10 Euro beim Discounter gekauft) in Set als Köfferchen zuhause zu haben, die dann irgendwas messen und aufnehmen können und das gleich online übermitteln (und meinetwegen per KI priorisieren lassen).
Ich ärgere mich zum Beispiel darüber, dass ich einmal im Quartal allein deshalb zum Arzt muss, um mir ein Rezept ausstellen zu lassen, um ein Medikament zu holen, das es nur auf Rezept gibt. Hier in Zypern ist das dagegen nicht nur in der Apotheke frei verkäuflich, es kostet auch insgesamt weniger als in Deutschland schon die Zuzahlung.
Freilich, durch die Rezeptpflicht wird gewährleistet, dass der Arzt immer wieder mal nachmisst, ob die Dosis noch stimmt oder verändert werden muss. Macht er aber auch nur alle ein bis zwei Jahre mal, dazwischen hole ich einfach nur jedes Quartal mal den Zettel ab. Warum eliminiert man solchen Blödsinn nicht einfach?
Und warum schreiben mir immer wieder mal Ärzte unter meinen Lesern, dass der Beruf an sich gut wäre, aber der immer weiter ausufernde Papierkram sie umbringt, wir uns hier bürokratisch zu Tode schikanieren?