Studium lohnt sich nicht mehr für jeden
Die Politik versucht, immer mehr Leute zum Studium zu bringen. Das führt zu Inflationseffekten. Wenn man den Akademiker zum Preis des Berufsausgebildeten bekommt, ist die lange Studiendauer ein Verlustgeschäft.
Die Frage ist: Nimmt die Politik das nur in Kauf oder ist es ein gewollter Effekt? Eine bewusste Überflutung der Angebotsseite auf dem Markt um die Preise zu drücken?
11 Kommentare (RSS-Feed)
Ich kenne jedenfalls mehr Leute, die etwas anderes als das machen, was sie studiert haben, als Leute, die das machen, was sie studiert haben.
Also ich finde die Aussage am Ende des Artikels goldrichtig: Man sollte das Studium nicht als “besser” oder “wertvoller” ansehen, als die berufliche Ausbildung. Ich habe als Physik-Student selbst den akademischen Weg gewählt, aber ich habe einen riesen Respekt vor so manchem Handwerk, weil ich dazu einfach absolut unfähig wäre. Der kleiner werdende Gehaltsunterschied ist denke ich nur dann ein “Problem”, wenn man handwerkliche und geistige Leistung als nicht gleichwertig betrachtet, wozu ich eigentlich keinen Grund sehe.
Ich habe großen Respekt vor Handwerk und Ausbildung. Das ändert aber nichts daran, dass sich zusätzlich investierte Jahre der Ausbildung rentieren müssen.
Aus eigenem Umfeld kann ich von hervorragenden promovierten Naturwissenschaftelrn mit Jahren des PostDocs berichten, die danach (bei voller Verantwortung im neuen Job) zum Lohn eines 19 jährigen Laboranten arbeiten. Weil mal wieder nichts anderes geht. Da sind 15 Jahre der Ausbildung finanziell gesehen in den Sand gesetzt. Und nur weil Wahrheit schön und Schönheit wahr ist, kann ich deswegen trotzdem nicht dir durch Jahre prekärer Beschäftigung aufgehäuften Rückstände abzahlen.
Ebenso wie der vielbeschworene Fachkräftemangel schlicht gelogen ist, ist die Akademikerschwemme gewollt, von Industrie und Politik.
@zuelp: „zusätzlich investierte Jahre der Ausbildung müssen [sich] rentieren“
Nö, müssen sie nicht. Die Kehrseite der Berufsfreiheit ist nämlich die Verantwortung dafür, was mit mir durch meine Wahl passiert. Wenn ich 20 Semester moderne Kunstgeschichte studieren möchte kann ich das machen, aber ich kann nicht erwarten, daß mir danach eine (in Status und Entlohnung) „adäquate“ Anstellung automatisch zufällt.
In die gleiche Kategorie fällt die Sache mit dem Fachkräftemangel: natürlich gibt es den – branchenspezifisch. Elektroingenieure, die die Wald-und-Wiesenvertiefung Energieversorgung o.ä. vertiefen, brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie erstmal viele Bewerbungen schreiben müssen. Hätten sie das Kreuzchen beispielsweise bei „Lichttechnik“ gemacht, hätten sie stattdessen Einladungen von Firmen auf dem Tisch.
Bildung, auch formale, ist eine tolle Sache. Einen Anspruch auf bessere soziale Stellung oder Bezahlung generiert sie indes nicht.
Ich formuliere nochmals, sicherlich überspitzt: der 40jährige Dachdeckermeister, der einen kleinen Betrieb mit einem Gesellen und einem Stift hat, leistet für die Gesellschaft a priori mehr als ein habilitierter Sozialphilosoph gleichen Alters. Daher geht es völlig okay, daß ersterer auch mehr verdient.
@energist
Verdienen tut sicher der Dachdeckermeister mehr. Aber der habilitierte Sozialphilosph als beamteter Professor bekommt vermutlich trotzdem mehr Geld. Leider.
Dafür hat der Dachdeckermeister auch Pflichten, muss was arbeiten, einen Betrieb führen, einen Rücken ruinieren, Angestellte bezahlen, Buchhaltung treiben, sich vom Finanzamt prüfen lassen, sich mit säumigen Kunden rumschlagen, für Pfusch haften,…
Der Sozialphilosoph muss überhaupt gar nichts, nicht mal was können. Der blubbert in seiner Phantasiewelt vor sich hin, macht was er will, lässt bleiben, was er nicht will, hat keinerlei Qualitätsanforderungen zu genügen, lehnt sich zurück und lässt sich bis zum Lebensende vom Volk aushalten und bezahlen – in völliger Nutzlosigkeit.
Mich erinnern solche „Wissenschaftler” an diese Ultraorthodoxen in Israel (ich glaub, die heißen Haredim oder so ähnlich), die überhaupt nichts arbeiten, nichts beitragen, keine Steuern zahlen, nichts können und nichts lernen, nur vor der Mauer stehen und beten, rumpöbeln und Streit suchen, und dafür vom Volk lebenslang alimentiert werden wollen.
@energist: Nein, es gibt keinen Fachkräftemangel! Mein Mann und ich konnten bisher noch jede freie Stelle im Ingenieurbüro innerhalb weniger Wochen mit “Fachkräften” besetzen – die Weiterbildung unserer Mitarbeiter kostet uns aber auch einiges und hier liegt das eigentliche Problem.
Es gibt Branchen, in denen es weniger geeignete Bewerber als offene Stellen gibt, aber das ist noch lange kein Fachkräftemangel. Die Betriebe, die am lautesten schreien, bilden am wenigsten aus oder sind am wenigsten bereit, den “Feld-, Wald- und Wiesenelektroniker oder -ingenieur” weiterzubilden und zu spezialisieren. Dieser “Fachkräftemangel” ist überwiegend selbst verschuldet. Man wartet darauf, dass die gebratenen Tauben in den Mund fliegen und fordert von der Politik, das Schlaraffenland zu etablieren.
Es ist nicht die Aufgabe der Hochschulen, Spezialkräfte für ein ganz bestimmtes Feld auszubilden. Der “Feld-, Wald- und Wieseningenieur” mit breiter Bildung, der sich in ein oder zwei Schwerpunktfächer vertieft hat (und viel mehr geht in wenigen Semestern auch gar nicht), ist eigentlich völlig ausreichend. Den Rest lernt man über die Jahrzehnte auf der Arbeitsstelle. Spezialkräfte auszubilden ist Aufgabe der Betriebe selbst.
Ich habe mich 1999/2000 – an der Spitze des Schweinezyklus – bewußt gegen eine akademische Ausbildung (Informatikstudium) entschieden.
Diese kluge Entscheidung hat mich vor der größten Zeitverschwendung meines Lebens bewahrt. Als Nebeneffekt tauge ich auch nicht für die Fänge der Piratenparteipopulisten, da ich die entsprechende ideologische Prägung*) ebenfalls nicht erhalten habe.
*) um nicht Gehirnwäsche sagen zu müssen
In dem Artikel fehlt mir eine konkretere Unterscheidung zwischen Zeitvertreib-Studien (Ernährungswissenschaften, Publizistik, Philosophie, usw) und technischen Studien. Rentieren die sich denn auch nicht mehr? (Verfahrenstechnik, tech.Physik und ähnliches)
Die Frage ist doch: Liegt das daran, dass tatsächlich mehr Leute ähnlich viel können? Oder nur daran, dass das Studium kein Indikator mehr ist (falls es das jemals war), wer etwas kann?
Vielleicht ist es jetzt tatsächlich schwieriger, die Guten rauszupicken, so dass auch die im Durchschnitt weniger bekommen. Vielleicht lohnt sich ein Studium aber auch nur für die nicht, die früher gar nicht studiert hätten.