Lemon Tree
Vom Zitronenbaum.
Bin mal schnell rausgeflitzt, um das Objektiv auf Transportschäden zu testen und mal zu sehen, sie stark dieser Tilt-Effekt ist. Tilt bedeutet, dass das Objektiv gegenüber der Kamera gekippt werden kann (es wäre besser zu sagen, dass die Kamera, genauer gesagt, die Bildebene gegenüber dem Objektiv gekippt werden kann). Tatsächlich gibt es einen schönen Spielzeugeisenbahn-Effekt, wenn man irgendwo runter fotografiert, aber da hatte ich gerade nichts passendes.
Als mal rüber zum Zitronenbaum.
Ich habe hier nämlich einen Zitronenbaum gegenüber in Nachbars Garten. Ein Riesen-Ding, bei dem man aus einer Blickrichtung gar nicht merkt, wie riesengroß der ist, da muss man schon außenherum gehen. Hunderte von Zitronen, leider noch nicht ganz reif, deshalb noch klein und noch nicht ganz so brüllergelb. Und leider war gerade die Sonne hinter Wolken weg, schlechtes Licht. Trübe. Nun ist sie zwar gerade wieder da und die „goldene Stunde“ angebrochen, wäre perfekt für Akt- und Architekturfotografie, aber dieser Baum steht leider im Schatten, und beim Fotografieren von Zitronen kommt (zumindest im ersten Versuch) der Effekt auch nicht so rüber, zumal die Kamera nicht eingestellt war und ich hier gerade die Sony habe, mit der ich nicht so vertraut bin wie mit der Nikon, da muss ich erst üben. Und für solche Dinge wie ein Shift-Objektiv muss man eigentlich auch ein Stativ verwenden. War jetzt nur mal schnell, um geschwind auszuprobieren, ob das Objektiv ohne Transportschaden angekommen ist.
Der Punkt ist aber, dass es auf Zypern reichlich Zitronen- und Orangenbäume gibt, und ich mal schauen will, wie ich die fotografiere, wenn es wieder etwas heller ist und die Sonne höher steht. Das ist eines der Dinge, die ich mir für Zypern vorgenommen habe.
Der Gedanke kam mir am Weihnachtssonntag. Denn ich kam mir vor wie im Song „Lemon Tree“ von Fools Garden. Ich saß in meinem gerade eingerichteten, aber im Prinzip langweiligen Arbeitszimmer (sitting here in my boring room), es war Sonntag nachmittag und es regnete (It’s just another rainy Sunday afternoon), hatte nichts wirklich wichtiges zu tun ( I’m wasting my time I got nothing to do), nichts passierte (But nothing ever happens). Mit dem Auto war ich an dem Tag zwar gerade nicht unterwegs, bis zum 24.12. aber sehr viel (I’m driving around in my car), nix los (But nothing ever happens), während am Weihnachtssamstag noch schönes Wetter und strahlend blauer Himmel war (Yesterday you told me ’bout the Blue, blue sky), und am Weihnachtssonntag war es so trübe und finster und vom Regen verhangen, dass ich nicht mal das Meer sehen konnte, auf das ich normalerweise einen 90°-Blickwinkel und grandiose Sonnenuntergänge habe, gerade eben wieder in orangerot (wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt… sorry, falscher Song). Und was konnte man bei diesem trüben Wetter sehen? Eben. Diesen Zitronenbaum. (And all that I can see Is just a yellow lemon tree)
Ich kam mir wirklich vor wie in diesem Song.
Tatsächlich gibt es auf Zypern viele davon, die stehen sogar auf dem Fußwegen der Straßen herum, was mitunter dazu führt, dass auf der Straße und am Straßenrand Fallobst-Orangen herumliegen. In Deutschland wertvolles Obst, Vitamin-Bomben, hier liegen sie auf der Straße herum. Ich muss mal herausfinden, ob das erlaubt ist, die von Bäumen auf Gehwegen zu pflücken. Aber vermutlich ist schon die Frage danach eher deutsch als zypriotisch. In der Stadt kenne ich einen Parkplatz, bei dem einem die Orangen aufs Auto fallen können, wenn man an der falschen Stelle parkt. Im Supermarkt bekommt man mehrere Sorten Orangen.
Es ist etwas frappierend, wenn man aus Deutschland kommt und Zitronen so einzeln kauft oder als Saft im Plastikfläschchen, und hier dann vor einem großen Baum gestopft voll mit Zitronen zu stehen, vermutlich so viele wie sämtliche Aldis von Berlin zusammen haben.
Neulich war ich wieder mal auf dem Wertstoffhof, weil es hier keine Altpapiercontainer und Plastikcontainer gibt, und ich den Verpackungsmüll von Möbeln nicht in die normale Mülltonne stopfen wollte, das beim Einkaufen aber auch kein großer Umweg ist, da mal vorbeizufahren und das dort in die richtigen Container zu geben. Sieht aus, wie auch Wertstoffhöfe in Deutschland aussehen. Und da gibt es auch eine Ecke für Gartenabfälle, wo man Holz und große Mengen Zweige und sowas abgeben kann. An dem Tag war ein riesiger Haufen dort, vielleicht so Tennisplatz-groß. Und mittendrin, oben drauf drei große, komplette Orangenbäume voll mit richtig schönen Orangen. Hunderte. Irgendwer hatte diese Bäume direkt am Boden abgeschnitten oder sie gefällt, und am Stück dort abgeliefert, vermutlich mit irgendeiner Maschine. Das hat mir so richtig weh getan, die da auf dem Müll zu sehen, und habe noch überlegt, ob ich da irgendwie rankäme, um ein paar zu pflücken. Aber abgesehen davon, dass es unter meiner Würde ist, im Müll zu wühlen oder gar aus dem Müll zu essen, war da nicht einfach dran zu kommen und ich hatte nur kurze Hosen und Sandalen an, und da lag viel Gesträuch außenrum. Das wäre nicht gut gegangen.
Jetzt muss ich mal herausfinden, wann Orangen und Zitronen reif werden, wann sie also am größten und prallsten, aber noch schön und nicht vergammelt sind (die vergammeln nämlich auch an den Bäumen), die intensivste Farbe haben. Und welche finden, die schön im Licht stehen. Solches Licht, wie es es beim zweiten Absatz dieses Blog-Artikels noch hatte, jetzt nicht mehr. Das geht am Meer nämlich immer sehr schnell mit dem Licht.