Ansichten eines Informatikers

Stell Dir vor, es ist Ohio, und keiner guckt hin

Hadmut
15.2.2023 12:34

Gut, ich muss zugeben, bei einem Flug von der Westküste nach Deutschland hatte ich mal eine Zwischenlandung in Ohio, ärgerte mich darüber, dass man im Flugzeug warten und nicht raus konnte, um sich die Beine zu vertreten, und mein amerikanischer Sitznachbar meinte, Ohio böte nicht den allergeringsten Grund, auszusteigen. Es sei keinerlei Nachteil damit verbunden, dort noch nie gewesen zu sein. Aber jetzt haben sie wenigstens mal eine Katastrophe:

In Ohio, in einem Ort mit dem hübschen Namen East Palestine, sind Waggons eines sehr, sehr langen Frachtzuges entgleist, die hochgiftige Chemikalien geladen hatten. Die sind in Brand geraten und produzieren Rauch, der als tödlich gilt:

Angeblich seien die Räder überhitzt gewesen, aber irgendwer habe angeordnet, dass die damit noch 20 Meilen weiterfahren sollten. Wohl schon am 3. Februar passiert.

Leser wiesen mich darauf hin, dass hier bei uns angeblich niemand außer ein paar alternativen Medien darüber berichteten, etwa ScienceFiles und Tichy.

Sciencefiles:

Geladen hatten die Waggons Vinylchlorid, ein farbloses Gas, das leicht entflammbar ist und bei richtigen Mischungsverhältnissen explodiert. Verbrennt Vinylchlorid, wie in dem Videos zu sehen, dann entstehen als Verbrennungsprodukte unter anderem Chlorwasserstoff und Phosgen. Phosgen wird dem ein oder anderen bekannt sein, Phosgen ist der Giftstoff, der im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde und dem rund 90.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Phosgen ist eines der Verbrennungsprodukte, die es oben zu bestaunen gibt. Ein anderes, Chlorwasserstoff, ist echt ätzend und wirkt sich entsprechend auf die Atemwege aus, vor allem dann, wenn es mit Wasser in Verbindung kommt und Salzsäure daraus wird.

[…]

Und alle schweigen.
Die ARD, die keine Gelegenheit auslässt, um über Gefahren für Umwelt und vor allem Klima zu berichten, sie schweigt.
Professionelle Retter des Planeten, die sich an Fahrbahnen kleben, um den Untergang in Salz- und Schwefelsäure CO2 verursachter Hölle zu verhindern, sie schweigen.
Eine Berichterstattung findet nicht statt.

Tichy:

Am Montag den 6. Februar erfolgte dann eine „kontrollierte Freisetzung“ der gefährlichen Chemikalientanks. Sprich – Einsatzkräfte fackelten den Inhalt der Gefahrgutwaggons kurzerhand kontrolliert ab. Die Rauchwolken, die dabei entstanden konnte man in beiden Bundesstaaten auf große Entfernung sehen. Und sie waren lebensgefährlich. Governor Mike DeWine weist in seinen Evakuierungsanordnungen explizit darauf hin.

„Laut Norfolk Southern Railroad werden bei dem kontrollierten Freisetzungsprozess Dämpfe in die Luft freigesetzt, die beim Einatmen tödlich sein können. Basierend auf den aktuellen Wettermustern und dem erwarteten Ausstoß von Rauch und Dämpfen ist jeder, der in der rot markierten Gegend bleibt, einer ernsten Todesgefahr ausgesetzt. Jeder, der sich im gelb markierten Bereich befindet, hat ein hohes Risiko für schwere Verletzungen, einschließlich Hautverbrennungen und schweren Lungenschäden“.

Die Evakuierungsanordnung wurde bereits zwei Tage später, am Mittwoch den 8. Februar, aufgehoben und es hieß: Alles okay, es besteht keine Gefahr mehr für Leib und Leben. Die Umweltschutzbehörde EPA habe die Luft im Außenbereich und einem Großteil der Häuser gemessen, alles sei im grünen Bereich. Stimmt das wirklich?

Gut, da muss man jetzt etwas vorsichtig sein, wenn das am 3. Februar passierte und die das am 6. Februar abgefackelt haben, denn am 6. Februar war das Erdbeben in der Türkei und in Syrien, und da waren unsere Medien, so fair muss man da sein, mit anderem beschäftigt. Das Erdbeben war ein 100%-Thema. Dagegen ist ein entgleister Güterzug, bei dem niemand getötet und zumindest unmittelbar auch niemand verletzt wurde (durch den Rauch dann wohl schon, viele klagten über brennende Augen), keine Nachricht, zumal wir hier in Deutschland eben viele Türken und Syrer haben, die familiär betroffen sind, wir da auch Katastrophenflüchtlinge aufnehmen sollen, werden, wollen, müssen, und damit natürlich ein viel höheres Nachrichteninteresse besteht, als wenn in China ein Sack Reis oder in Ohio ein Güterzug umfällt. Nachrichten haben immer auch etwas mit Prioritäten und Dringlichkeiten zu tun.

Aber auffällig ist das schon, und im Blog hatte ich es auch schon angesprochen, dass unsere Medien Amerika unter Trump voll und unter dem Mikroskop überwachten und keine Gelegenheit ausließen, dem ans Bein zu fahren und alles, was sich finden ließ, zum Vorwurf zu machen, und seit Biden eigentlich fast gar nichts mehr aus den USA berichtet wird.

Insofern ist ein zünftiger Krieg natürlich auch immer eine hervorragende Ablenkung.

Zugegeben, das ist auch kein Grund in Ohio auszusteigen, sondern im Gegenteil einer mehr, es nicht zu tun.