Ansichten eines Informatikers

Hoffentlich gehen mal zwei oder drei Universitäten pleite…

Hadmut
14.8.2012 13:46

An einigen Universitäten spitzt sich die Finanznot dramatisch zu. Ich hoffe sehr, dass da mal ein paar pleite gehen.

Seit ich Hiwi an der Uni war, ist die Universität für mich ein Inbegriff der Geld- und Ressourcenverschwendung. Der Eindruck hat sich dann als Mitarbeiter und im Nachhinhein im Wissenschaftsstreit noch enorm verstärkt. Die Politik hat da ganz massiv und sehenden Auges versagt, indem man die Universitäten immer stärker sich selbst überlassen hat („Autonomie der Hochschulen”) und ein unglaublicher Misthaufen aus Korruption und Inkompetenz entstanden ist.

An den Universitäten wird unglaublich viel Energie verschwendet, allein schon durch die groteske IT-Ausstattung, viele andere Elektrogeräte und Maschinen und mangelhafte Gebäudedämmung.

Auch was die Beschaffung und Budgetierung angeht, herrscht da ziemliches Chaos.

Die Verwaltung ist eine Katastrophe, egal ob man in das Management, die Personalabteilung, IT oder wohin auch immer schaut. Jede Uni kocht ihre eigene Suppe, alles ist völlig inkompatibel zueinander, sie schaffen es nicht mal, ein Studienplatzvergabesystem zu bauen – und trotzdem leistet sich jede Universität ihre ganz eigene, individuelle Inkompetenz. Wissenschaftsländer haben plurale Kompetenzen, wir haben plurale Inkompetenzen: Wir können’s nicht, wir sind zu doof dazu, aber das auf rund 400 verschiedene Arten, die wir uns leisten.

Die Universitäten strotzen vor inkompetentem und überflüssigem Personal wie inkompetente Verwaltungsangestellte, unfähige Professoren, nutzlose Frauenbeauftragte usw. Universitäten sind zum Selbstbedienungsladen für Pseudo-Stellen geworden.

Die Organisation entspricht häufig dem Stand der Technik von vor 100 oder auch mal 200 Jahren. Moderne Telekommunikationstechnik wird nicht genutzt.

OpenAccess wird nicht durchgesetzt, stattdessen gibt jede Universitätsbibliothek Millionen dafür aus, das bei Verlagen einzukaufen, wofür vorher die öffentliche Hand schon gezahlt hat.

Organisation? Is nich. Nicht mit den Professoren, die wir da haben. Und damit auch die nächsten 30-40 Jahre nicht.

Und gegen Korruption wird schon gleich gar nichts unternommen.

Wären Universitäten Firmen bzw. Filialen von Firmen, hätte man deren Geschäftsführer längst wegen Inkompetenz gefeuert. An Universitäten ist Inkompetenz, die Unfähigkeit den Job zu erfüllen, aber kein Grund für Kritik.

Dabei gäbe es jede Menge Einspar- und Verbesserungspotential. Das Dumme daran ist, dass es nicht reicht, das nur einzusehen. Darin muss man investieren. Man muss Capex ausgeben um Opex einzusparen. Und der ROI dauert leider ein paar Jahre, ist also nicht innerhalb eines Haushaltsjahres möglich. Man hätte also vor 10-20 Jahren damit anfangen müssen, in kleinen Stückchen immer wieder mal was in Angriff zu nehmen und Stück für Stück die Lage zu verbessern. Dann würde man heute ganz gut dastehen. Jetzt aber ist es zu spät. Die Zeit reicht nicht mehr. Und das Geld reicht auch nicht mehr, selbst Opex können sie sich nicht mehr leisten. Wo soll da noch Geld für Capex herkommen? Und wer sollte in unserer Politik-Landschaft dazu in der Lage sein?

Eine der größten Geldverschwendungen ist, dass wir rund 400 Hochschulen haben, und jede für sich allein ihre eigene Suppe kocht. Das kann unmöglich kosteneffizient sein. Man hätte schon längst die Hochschulen der Bundesländer, was deren Verwaltung und ortsunabhängige Dienstleistungen wie Gehaltsabrechnungen, Rechenzentren usw. angeht, zumindest pro Bundesland viel stärker zentralisieren und zusammenfassen müssen. Völliger Schwachsinn, dass jede Hochschule ihr eigenes Immatrikulationssystem hat.

Freilich sträuben sich die Professoren dagegen, weil sie ihre eingebildete Unabhängigkeit erhalten wollen. Selbst schuld und schön blöd, denn jetzt wird nicht nur an ihren Zulagen gespart, sondern auch am Personal. Sie müssen für weniger Geld mehr arbeiten, und das haben sie sich in ihrer jahrelangen Dämlichkeit auch ehrlich verdient.

Ich höre schon aus diversen Richtungen, dass viele Universitäten nicht mal die Grundvorlesungen mehr gewährleisten können. Professoren zu faul, ansonsten nicht mehr genug Personal da. Irgendein armer Privatdozent steht dann vorne und labert irgendeinen auf die Schnelle zusammengestoppelten Mist, wenn die Vorlesung überhaupt noch stattfindet. Das wird nicht mehr lange gutgehen. Denn wenn die Stellen gestrichen und die Professuren nicht mehr neu (bzw. wegen der Quote nur noch mit Frauen) besetzt werden, welchen Grund sollten dann Leute noch haben, sich als un- und minibezahlte Privatdozenten abzurackern?

Von einer – mir wohlbekannten – Universität wird mir zugetragen, dass sie – schon wieder einmal – ihre Hiwis seit Monaten nicht bezahlt. Angeblich ist es wieder die Software, womöglich aber auch schlichte Insolvenz. Selbst der gutwilligste Hiwi muss von irgendwas leben und wird sich entweder andere Jobs suchen oder aufgeben müssen. Den Unis (oder jedenfalls der besagten) werden die Hiwis wegbrechen. Die Erosion setzt ein: Unter- und Mittelbau brechen weg. Die Professuren werden nicht nachbesetzt, die Zulagen gestrichen, und die ohnehin schon fragwürdige Professorenschaft nicht nur quantitativ weniger, sondern auch qualitativ immer schlechter.

Und die Politik schaut zu.

Wird echt Zeit, dass da mal ein paar Universitäten richtig pleite gehen. Als Körperschaften öffentlichen Rechts können sie das zwar im Prinzip nicht, trotzdem können sie den Zustand erreichen, an dem kein Geld mehr auf dem Konto ist.

Und dann wird’s richtig bitter für den Standort Deutschland mit seinem angeblichen Fachkräftemangel und dem einzigen Rohstoff Bildung. Und es ist nicht mehr aufzuhalten, weil man es vor 10-20 Jahren hätte aufhalten müssen.

Gute Nacht!

11 Kommentare (RSS-Feed)

Thomas
14.8.2012 14:11
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Kann mich täuschen, aber ich meine letztens gelesen zu haben, dass es in D 271 Unis/Hochschulen gibt, nur so am Rand.

Heute in der Bibliothek durfte ich wieder feststellen, was eine gute Bildung ausmacht: prüfungsrelevante Handapparate, die zuletzt 1998 aktualisiert worden sind (Großteil des damaligen Lehrstuhls auch gar nicht mehr an der Uni), interdisziplinär genutzte Bücher mit einem Gesamtbestand von 1 Exemplar für die ganze Uni (34.000 Studis), ausgeliehen bis November; Medienpädagogik-Bücher mit akutellstem Datum 2005…
Auch die Aktualisierung des Diplomarbeitenverzeichnis wurde wohl zuletzt 2010 vorgenommen.

Ich hätte aber ein (gegenwärtig) gutes Argument gegen zentralisierte Informatikstrukturen: der Uni sind letztens sämtliche, für die Bibliotheksausiehe und Büchersuche relevanten Server wegen Hitze abgeschmiert, waren 3 Wochen offline, Ausleihe ging nur über Papiersystem und auch das nur sehr, sehr begrenzt. Wenn sowas in einem zentralisiertem System passiert, haben gleich mehrere Unis dieses Problem. Könnte man mit Sachkompetenz sicher beheben und auch präventionieren, aber auf die würde ich in D nicht setzen, das geht nach hinten los und kostet ein Schweinegeld!


Hadmut
14.8.2012 14:53
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@Thomas: Sie streiten darüber, was eine Hochschule ist. Soll angeblich knapp 400 sein. Spielt aber eigentlich keine Rolle, ob’s nun 271 oder 389 sind.


Roland
14.8.2012 14:38
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Hm……….also in BaWü ist fürs Gehalt das Landesamt f. Besoldung zuständig – für alle!


Hadmut
14.8.2012 14:55
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@Roland: Erstes gab’s da bezüglich des KIT ne Änderung. Zweitens muss die Uni trotzdem dem Amt mitteilen, dass gezahlt werden soll. Drittens zahlen die auch nur, was im Budget ist.

Zum Löschen: Reingefallen. Siehe Kommentar-Policy.


Roland
14.8.2012 14:49
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Hm, hatte geschrieben, daß in BaWü alle Gehälter an Hochschulen schon längst zentral vom Landesamt bezahlt werden………..aber es wurde kommentarlos gelöscht?


yasar
14.8.2012 16:46
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@Thomas:

dadurch daß jetzt auch Berufsakademien und Fachhochschulen Hochschulen sind, dürfte die zahl deutlich gestiegen. sein.


Roland
14.8.2012 18:37
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Hadmut, klar muss die Uni das mitteilen. Was das Budget anbelangt, kennt das Landesamt nur den Haushaltsansatz für einzelne Titel wie “Profs.” oder “Ang”,wenn überhaupt. Da vieles haushaltstechnisch übertragbar ist, also kräftig verschoben werden kann, ist das LBV eher keine Kontrollinstanz.Die zahlen also recht problemlos und fragen nur nach, wenn der Haushaltstitel gegenüber dem Vorjahr exorbitant überschritten wird.Zumindest für BaWü seh ich da überhaupt keine finanziellen Probleme. Wenns wirklich mal extrem klemmt, dann hilft das Fachministerium oder die anderen Hochschulen. Für jede “freie” Professur kann, beispielsweise, ein erheblicher Betrag “geschöpft”, also haushaltstechnisch genutzt werden – gilt auch für den Mittelbau, nur ists etwas weniger.Was du schilderst klingt interessant. Die Uni MUSS eine total unfähige Verwaltung haben. Gerade durch die etwas erhöhte Selbständigkeit hat ne Uni deutlich mehr Möglichkeiten. Für Prof.-Stellen bewerben sich zig Leute……….und es sind sogar fähige darunter…….
Freut mich, wenn ich bzgl. “Löschen” daneben lag.


Hadmut
14.8.2012 18:38
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> Für Prof.-Stellen bewerben sich zig Leute……….und es sind sogar fähige darunter…

Ja. Aber genommen werden sie meistens nicht.


Jüksel
14.8.2012 21:18
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Dass in BaWü das LBV zentral für Gehälter jeglicher Art (Vergütungen von Lehrbeauftragten inklusive) zuständig ist mag ja schön und gut sein, aber was bringt es bitte, wenn sie seit Jahren nicht mal eine anständige elektronische Schnittstelle zwischen der Hochschule und Fellbach gebacken kriegen?


Joe
17.8.2012 2:12
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Der Sozialismus lebt _immer_ von der Substanz. Und die jetzt weg.

Da wurde nichts im Detail falsch gemacht. Sondern das ganze System kann nicht funktionieren und ist zum Scheitern verurteilt.

Weswegen es auch müßig ist, sich über Genderqueernebenkriegsschauplätze aufzuregen. Das sind nur die letzten Auflösungserscheinungen des Failed State.


anonym
28.8.2012 11:07
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“Drittens zahlen die auch nur, was im Budget ist.”

Wenn es einen rechtsgültigen Arbeitsvertrag gibt, werden die nicht umhinkommen zu zahlen. Ob nun im Budget oder nicht.