Ansichten eines Informatikers

Die Ära der Fake-Fotos

Hadmut
21.2.2023 22:35

Ich glaube, das war es dann mit der Kunst.

Ein Leser schickt mir einen Link auf diesen Artikel bei Arstechnica. Ein „Fotograf“ hatte ziemlich viel Erfolg auf Instagram, weil er da richtig gute Portraitfotos postete.

Nun gab er zu, dass keines der Fotos echt und fotografiert ist, die Menschen auf den Bildern nicht existieren. Die Bilder sind per AI (KI) erzeugt.Er hat nur Nachbearbeitung betrieben und aus einer Vielzahl von erzeugten Bildern mit teils (siehe Beispiele im Artikel) gruseligen Fehlerbildern gute herausgesucht. Er meint, dass mindestens 95% der Follower nichts gemerkt hätten.

Das heißt aber auch, dass Fotografie als Kunst oder Handwerk gerade hinten runterfällt. Wir haben unfassbar viele Fotos und damit schie endlos Material, um KI-Systeme zu trainieren, vor allem, weil es ja auch riesige Bildarchive und -sammlungen gibt, die auch noch verschlagwortet und bewertet sind, also direkt die Trainingsdaten mitliefern.

Und damit dürfte sowohl in der Kunst- und Mode-, als auch in der Nachrichtenwelt eine Schwemme von Fake-Fotos losbrechen, zumal diese KI-Fotos – wie ich ja schon mal erläutert hatte – zwar Plagiate sind, weil Mischungen der Trainingsfotos, es aber kein unmittelbar erkennbares oder nachweisbares Original, keine eindeutige Plagiatsvorlage gibt. Die Juristen streiten schon über die Urheberrechtsfragen: Wer hat überhaupt das Urheberrecht an so einem Foto? Die Frage war schon bei dem richtig guten Bild aufgekommen, auf dem sich ein Affe selbst fotografiert hatte.

Neulich gab es doch das schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien. Irgendwo habe ich gelesen – aber leider kein solches belegtes Bild gesehen – dass da und auch in Sachen Ukraine-Krieg KI-erzeugte Fake-Fotos im Umlauf seien. Bisher war das mit den Fake-Fotos meistens so, dass die Bilder an sich nicht manipuliert waren, sondern einfach Ort oder Zeit oder beides nicht stimmten, irgendein Archivbild von einer anderen Gelegenheit verwendet wurden. Oft konnte man das durch die Bildersuche aufklären und zeigen, dass das Bild schon x Jahre vorher woanders verwendet wurde. Das klappt aber nicht mehr, wenn per KI „neue“ Bilder erzeugt werden. Mache mir ein Bild, auf dem ein deutscher Soldat vor einem ukrainischen Haus einen Russen ersticht. Dann bekommt man ein Bild, zu dem man kein einziges Vorlagebild finden kann.

Oder: Mache mir ein Video, in dem der amerikanische Präsident die Ukraine besucht.

Mir geht noch etwas anderes durch den Kopf: Schon vor Jahren hatte ich mal geschrieben, dass ich Aktfotografie früher mal sehr spannend fand, es mir inzwischen aber fast wie eine Endlosschleife vorkommt, weil man immer seltener neue, gute Fotos sieht, und immer mehr nach der tausendsten Wiederholung längst ausfotografierter Blickwinkel aussieht, und die Zahl der Wiederholungen längst die Bandbreite unseres Genpools übersteigt. Bei manchem Foto geht mir unwillkürlich die Frage durch den Kopf, ob ich so ein Bild erst 5.000 oder doch schon 10.000 Mal gesehen habe. Wenn es aber nur noch Variationen des immer gleichen gibt (gibt es noch Pornos, bei denen die Handlung oder der Ausgang überraschen?), und das alles fast nur noch Aufgüsse alter Teebeutel sind, dann wäre das – auch wenn im Ergebnis gruselig – aus KI-Sicht im Prinzip die perfekte Vorlage, wenn es doch nahezu jedes Aktofoto bereits gibt und alles nur noch Variationen sind.

Wir laufen damit in ein gewisses Problem. Wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr viel produziert, ob Ton, Foto, Video, Kinofilm, auch Liteatur, Wissenschaft, Nachrichten, und zwar so viel, dass man es kaum noch lesen, lernen, kennen kann. Zu Goethes Zeiten konnte man noch Philosophie,
Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie studiern, und war dann Universalgelehrter. In meiner Jugend konnte man noch ein Betriebssystem in Assembler komplett lesen und verstehen, und das in wenigen Wochen, und zur Zeit meines Studiums konnte man noch im Wesentlichen die Informatik studieren und alles wissen, was es zum Internet zu wissen gab. Es wird aber immer mehr, und wir müssen uns immer feiner spezialisieren, um überhaupt noch Fachmann von etwas sein zu können. Je mehr das aber wird, desto leichter sind wir durch die Wiederholung des Bekannten zu „überraschen“, weil es selbst in unserem Wissensbereich Dinge gibt, die wir nicht kennen und können. In den Neunziger Jahren wusste ich nahezu alles was Unix und das Internet angeht, heute komme ich nicht mal in Details noch mit dem Lesen hinterher. Weil da – weiß nicht mal, wieviele – Hunderttausende, Millionen, Zig Millionen Leute dran schreiben und entwickeln. Das aber könnte dazu führen, dass die Entwicklung zum Stillstand kommt, weil der geschaffene Bestand schon reicht, um Leute ihr Arbeitsleben lang zu beschäftigen. In vielen Bereichen der Technik, auch der Medizin und vielen anderen Bereichen, ist das Verhältnis von Ausbildungs- und Fortbildungszeit zu effektiver Arbeitszeit mittlerweile ziemlich schlecht. Mir ist das so gegangen. Man muss in der IT-Sicherheit mitterweile so viel lesen und verfolgen, damit man noch arbeiten kann, dass einem die Zeit zum Arbeiten fehlt. Nur ist das ein Gebiet, in dem man mit dem „alten“ Wissen nur begrenzt weiterarbeiten kann, weil es eine Abwehrtechnik gegen ständig weiterentwickelte Angriffe ist.

Ich halte es aber durchaus für möglich und naheliegend, dass es Bereiche geben wird, in denen es keinen Fortschritt mehr geben wird, sondern nur noch ein ständigeres Umrühren des Bestehenden per KI, also nur noch Variationen erzeugt werden, die ausreichen, um die Leute in diesem Fach ein Leben lang zu beschäftigen. Wäre man böse, könnte man freilich sagen, dass viele Fakultäten ohnehin längst in diesem Zustand sind, das also keine Verschlechterung mehr darstellen, die Sache nur billiger machen würde. Gender Studies zum Beispiel machen nichts anderes, als denselben Käse immer wieder zu wiederholen und nur leicht zu variieren. Da gibt es nichts Neues, keine Forschung. Nur eingeübte Rhetorikfiguren. Die könnte man ohne weiteres komplett durch eine KI ersetzen.

Problematisch wird das allerdings, wenn eine Aktfoto-KI endlos Aktfotos generiert, und eine Gender-KI diese dann endlos dafür als sexistisch beschimpft. Den Stromverbrauch davon können wir uns nicht mehr leisten.