Ansichten eines Informatikers

Die jungen Faulen – oder die faulen Jungen

Hadmut
14.4.2023 20:45

Ein Irrtum, der sich gerade entwickelt.

Es ist zwar vom NDR und von der Reschke, trotzdem aber gab es gestern abend auf Panorama und inzwischen auch in der Mediathek einen Beitrag über die Frage, ob die Jungen heute zu faul sind. 14 Minuten.

So richtig eine Antwort oder Meinung haben sie dazu selbst nicht, aber es kommen einige zu Wort, die eben keinen Bock mehr haben, voll zu arbeiten, und andere, die das kritisieren und fragen, wie das überhaupt noch funktionieren soll.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass wir in einem Staat leben, in dem es sich schlicht nicht mehr lohnt, zu arbeiten. Neulich wurde irgendwo vorgerechnet, dass jemand von 100 Euro mehr Lohn gerade mal 40 Euro mehr auf dem Konto hat, der Rest an Staat und Abgaben geht. Oder Renter durch eine Rentenerhöhung und damit andere Steuerklasse im Ergebnis sogar weniger haben können.

Man kann und sollte das vielleicht von der Frage, ob die Jungen „zu faul“ sind, etwas wegnehmen und ihnen einräumen, dass sie sich zu einem gewissen Teil einfach nur spieltheoretisch sinnvoll verhalten, indem sie sich in dem Bereich des Arbeitsumfanges bewegen, indem sie pro Arbeitsstunde am meisten netto bekommen und ihnen das gerade so zu Leben reicht. Und stattdessen eher die Frage stellen, ob unsere Politik zu blöd ist, das Land funktionsfähig zu halten.

Denn unabhängig davon, aus welchem Grund die Jungen nicht mehr arbeiten, ob es nun Faulheit oder schlichtes Rechnen ist, ändert es nichts daran, dass es zu wenig ist. Und daran merkt man dann, dass es NDR/Reschke war, denn da, wo die aufhören, fängt es erst richtig an, interessant zu werden.

Sie sagen, dass die Situation und das bequeme Leben der Jungen auf deren Marktmacht eines Arbeitnehmermarktes beruhen. Die können sich aussuchen, was, wo und wieviel sie arbeiten.

Letzter Satz:

Doch die Geschichte zeigt: Die Marktmacht der Arbeitnehmer wird nicht ewig halten.

Reschke und der NDR hören da auf, wo Journalismus erst anfangen würde.

Der Punkt ist nämlich, dass diese Marktmacht zwar existiert, aber nur lokal auf Deutschland begrenzt ist. International ist das nicht der Fall. Ich bekomme praktisch jeden Tag Spam, Angebote von Firmen meist indischen Namens, die Anfragen, ob ich nicht irgendwelche Web- oder Serverentwickler bräuchte.

Es ist eine Frage der Zeit, wann die Arbeitgeber, die Firmen, die Unternehmen sich entschließen, ins Ausland zu gehen, weil es ihnen hier einfach zu blöd wird. Oder es einfach nicht mehr geht. Nicht unbedingt Schuld der Jungen, aber der Zustände, die durch dumme Politik impliziert werden. Und dann gute Nacht.

Dabei haben wir diese Zustände schon. Direkt im Anschluss daran kamen die Tagesthemen (auch NDR) und darin die Frage, warum wir so von China abhängig sind.

Darüber hätte man mal nachdenken können. Warum jammern bei uns gerade die Apotheken, Ärzte, Eltern, dass wir viele Medikamente nicht mehr lieferbar haben. Zu meiner Zeit damals ging das doch noch. Weil wir sie da noch selbst hergestellt und nicht aus China oder Indien bezogen haben.

Ich habe das schon oft als sozialistisches Wolkenschloss beschrieben: Wir lügen uns hier einen vom Sozialstaat mit Mindestlohn, Gewerkschaften und Arbeitsschutz in die Tasche, in Wirklichkeit haben wir aber nur alles, was in dieses Märchenschema nicht passt, ausgelagert: Arbeit nach China, Klamotten nähen nach Bangladesh, Energieversorgung nach Russland. Und wenn wir davon abgeschnitten werden, funktioniert der Staat nicht mehr, weil wir nicht mehr genug selbst machen.

Und das führt dazu, dass wir eine Gesellschaft haben, die nur noch 3 Tage pro Woche arbeitet (und auch das nur andeutungsweise), aber einen Heulkrampf bekommt, wenn der Hustensaft für die Kinder nicht mehr lieferbar ist – weil der in China oder Indien hergestellt wird, weil hier keiner mehr bereit ist, hier dafür zu arbeiten.

Den Zusammenhang, dass bei uns alles knapp und teuer wird, vom Klopapier bis zum Rotorblatt, weil wir es hier nicht mehr herstellen können, und der Generationenfaulheit, können wir intellektuell nicht mehr erfassen. Und dass die Inflation, über die wir jammern, eine zwingende Folge eben eines solchen Arbeitnehmermarktes ist, der hohe Gehälter für 3 Tage Arbeit pro Woche fordert, bekommen sie auch nicht mit. Oder eigentlich ist das nicht einmal eine Folge dessen, sondern Inflation und Arbeitnehmermarkt sind fast identisch. Die Leute bilden sich nur ein, dass sie hohe Gehälter bekommen. Der Gegenwert steigt aber nicht. Im Prinzip halbes Grundeinkommen, selbes Problem: Wenn jeder Geld bekommt und niemand mehr arbeitet, hat man bunte Scheinchen, aber nichts, was man davon kaufen kann, weil nichts hergestellt wird. Und jetzt sind wir bei der 50%-Version davon.

Die Jungen kommen sich jetzt gerade alle gut vor, weil sie nicht mehr so – wie wir – voll gearbeitet und für die Arbeit gelebt haben. Das geht ein paar Tage gut und fühlt sich schön an, aber spätestens in ein paar Jahren ist der Ofen aus. Denn der Markt ist nicht mehr Deutschland, der Markt ist die Welt.

Und wie man zu der Vorstellung kommt, man könnte endlos Billigkram aus China bestellen, ohne selbst noch zu arbeiten und das Geld dafür zu verdienen, das ja voraussetzt, dass wir auch irgendwas nach China exportieren, verstehe ich nicht.

Noch stellt man das Modell, nur noch wenig zu arbeiten, als gut und neue Überlegenheit der Jugend hin, weil es linken Idealen entspricht. Dass es aber nicht funktionieren kann und noch ein böses Erwachen geben wird, sagt man nicht. Oder deutet es, wie hier, nur ganz leicht an.