Ansichten eines Informatikers

Sicherheitsprotokoll zur Goldbarrenzählung

Hadmut
26.10.2012 21:48

Ich habe heute einige Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht und dabei über das Problem nachgedacht, wie man Goldbarren nachzählt. Nachdem das Problem ja immer stärker diskutiert wird.

Um Goldbarren auf Vollständigkeit zu kontrollieren, muss man – wie bei jedem ordentlichen Sicherheitsentwurf – erst einmal spezifizieren, gegen welchen Angriffe man sich schützen will. Absolute, allgemeingültige Sicherheit gibt es nicht, Sicherheit bezieht sich immer auf bestimmte Bedrohung. Es gibt keine Sicherheit. Es gibt nur „Sicherheit gegen …”. Und das ist im Fall der Goldbarren schon mal gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Natürlich will man sich gegen gefälschte Goldbarren schützen, die innen mit einer anderen Substanz gefüllt sind. Da halte ich mich raus, da bin ich nicht kompetent. Obwohl mir solche Fälschungen schon als relativ schwer vorkommen, wenn man das spezifische Gewicht per Volumens- und Gewichtsmessung bestimmt, denn es gibt nicht viele Substanzen (welche überhaupt?), die es mit der Dichte von Gold aufnehmen können. Irgendwer erwähnte im früheren Blog-Artikel als Kommentar, dass man da Wolfram nehmen würde. Gold hat 19,32 g/cm3, Wolfram hat 19,3 g/cm3, Uran hat 19,16 g/cm3 (Wikipedia, jeweils wohl bei 20 Grad Celsius), aber die Echtheit von Gold zu prüfen ist nicht mein Fach.

Interessanter ist die Frage, wie man verhindert, dass einem dasselbe Gold mehrfach als verschiedene Barren vorgelegt wird. Als ehemaliger Karlsruher muss ich da natürlich an den Flowtex-Betrug denken, bei dem man den Buchprüfern viel mehr Bohrgeräte vorgaukelte, als man tatsächlich hatte, indem man einfach die Plaketten mit den Seriennummern austauschte und ihnen immer wieder dieselben Bohrgeräte zeigte.

Der trivial Ansatz wäre, sich alle Goldbarren gleichzeitig zeigen zu lassen. Geht natürlich nicht unmittelbar, wäre logistisch zu aufwendig, weil sie verteilt liegen (und bleiben sollen) und natürlich auch ein zu hohes Sicherheitsrisiko. Geht aber mittelbar, indem man einfach mehrere Prüfer losschickt, die alle Goldbarren zeitsynchron prüfen (und ggf. authentisch miteinander kommunizieren). Denn ohne den Aspekt der Gleichzeitigkeit wird es gar nicht so einfach, Gold eindeutig zu identifizieren, denn Atome zu identifizieren ist – bei aller Quantenkunst – noch nicht möglich. Und dummerweise haben Goldbarren normalerweise auch keine makrophysikalische Gestalt, die eindeutig ist. Man kann sie beliebig ein-, um- und wieder rückschmelzen, solange man die Formen hat. Obwohl vielleicht die Feinstruktur der Oberfläche bei jedem Guss etwas anders ausfällt und vielleicht wirklich eindeutig ist – solange man sie frei lässt. Denkbar wäre aber vielleicht, von einem bestehenden Barren einen Abdruck der Oberseite zu nehmen und anderes Gold (oder dasselbe nach zwischenzeitlichem Umschmelzen) damit in die selbe Oberflächenstruktur zu gießen, indem man nicht wie üblich die Unterseite, sondern die Oberseite des Barrens durch diese Form bestimmt. Insofern ist aber fraglich, ob die Banker „ihre” Barren überhaupt wiedererkennen würden, ob da irgendwelche Merkmale bekannt sind oder einfach nur Anzahl und Gewicht. Wie leicht es also wäre, andere als die ursprünglichen Barren unterzuschieben. Da sie die Barren ja angeblich noch nie kontrolliert haben und die wohl auch schon länger da rumliegen, könnte es gut sein, dass kein heute aktiv arbeitender deutscher Banker die jemals gesehen hat und überhaupt weiß, wie die aussehen müssen. Wäre durchaus auch denkbar, dass da noch Barren mit Reichsadler und Hakenkreuz drunter sind. Weiß jemand, ob die dicken Goldbarren überhaupt so etwas wie eine eingeschlagene eindeutige Seriennummer haben? Ich hab hier so selten die dicken Goldbarren rumliegen.

Wenn sie nicht eindeutig sind, dann muss man sie eben eindeutig machen. Und eine fälschungssichere Seriennummer anbringen. Irgendeine tamper proof Verpackung. Eine einfache Banderole oder so ein Geschenkband-Kreuz würde nicht reichen, denn wenn man es drauf anlegt, könnte man das Gold ja rausschmelzen und wieder reingießen, ohne die Banderole zu beschädigen. Also muss es etwas „golddichtes” sein. Man müsste so eine Art Plastikbeutel mit Siegel-Verschluss bauen, den man nicht auf- und wieder zubekommt, ohne dass man es bemerkt. Dann müsste man zuerste reihum jeden Goldbarren mit so einem Beutel versiegeln und dann in einem zweiten (!) Durchlauf noch einmal alle Goldbarren kontrollieren um zu verhindern, dass man zweimal denselben Barren eingetütet hat. Der Betrüger könnte ja einen eingetüteten ausgepackt und zum erneuten Eintüten vorgelegt haben.

Ein solches versiegeltes Eintüten würde verhindern, dass der Barren zwischen zwei Kontrollen für etwas anderes verwendet werden kann, etwa um ihn als einen anderen Barren desselben Inhabers oder einen Barren eines anderen Inhabers auszugeben. Insofern wundert es mich etwas, dass man auf Fotos von solchen Goldlagern immer sieht, dass die Dinger da so nackt auf Paletten rumliegen. Man müsste sie versiegeln (was aber womöglich die Echtheitskontrolle wieder erschwert, was man aber durch ent- und neuversiegeln auffangen kann.) Und dann regelmäßig prüfen.

Damit ist aber auch nur geprüft, dass zwischen dem Versiegeln und der Siegelkontrolle nichts schiefgelaufen ist. Man kann nicht prüfen, ob das auch wirklich die eigenen Barren sind, wenn sie vorher schon in der Hand des Angreifers waren. Der Angreifer könnte die ursprünglichen Goldbarren ja längst versilbert haben und nun aus Anlass der Kontrolle einfach fremde Barren vorlegt haben (um so einfach einen anderen zu betrügen bzw. zu bestehlen). Die Methode funktioniert also auch erst dann in vollem Umfang, wenn alle, die Gold einlagern, sie irgendwie versiegeln und eindeutig identifizierbar machen. Wurden einem nämlich fremde Barren untergejubelt, gehören sie einem noch nicht, denn an gestohlenem Gut erwirbt man kein Eigentum, auch wenn man es für das eigene hält. Das Ersitzen hilft einem dabei gleich doppelt nicht, denn erstens hat man die Barren ja nicht im Besitz, und zweitens lagern sie außerhalb des Geltungsbereichs des BGB.

Meines Erachtens genügt es deshalb nicht, die Goldbarren nur in Augenschein zu nehmen, auf Echtheit zu prüfen und zu zählen. Sie müssen eindeutig und möglichst fälschungssicher versiegelt werden.

Ob die lagernden Banken sich durch einen solchen Misstrauensbeweis beleidigt fühlen und die Diplomatie leidet, ist zwar eine andere Frage.

Aber wie sagt man so schön? Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.

Und ob die Bundesbanker, die bisher schon nicht auf die Idee gekommen sind, mal nachzuzählen, sich über dieses Nachzählen tiefere Gedanken machen oder einfach nur mal besichtigen gehen wie auf dem Firmenausflug, wäre eine weitere Frage.

Cineasten möchte ich an dieser Stelle „Goldfinger” und „Die Hard 3” ans Auge – äh, ans Herz – legen.

14 Kommentare (RSS-Feed)

Jakob
26.10.2012 23:47
Kommentarlink

Vielleicht sollte man bei der Gelegenheit mal die Frage klären, ob es wirklich zeitgemäß ist, dass Gold erst mit viel Aufwand und enormen Umweltschäden aus dem Boden geholt wird, nur um dann in Barren geschmolzen in Banktresoren wieder unter der Erde zu verschwinden. Der Wert von Währungen hängt heute sowieso mehr von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaften und weniger von den Goldreserven der Zentralbanken ab. Vielleicht wäre es der sinnvollste Weg, die Goldreserven einfach über einige Jahre verteilt zu verkaufen, was sowohl den Druck zur weiteren umweltschädlichen Goldförderung reduzieren als auch dringend benötigte Einnahmen in die Staatskassen spülen würde. Falls das Gold von den lagernden (Zentral-)Banken tatsächlich gestohlen wurde, dann müssten diese das Gold heimlich ersetzen, um einen entsprechenden Gesichtsverlust und diplomatische Konsequenzen zu verhindern.


Hadmut
26.10.2012 23:52
Kommentarlink

Gold ist veraltet.

Goldgepresstes Latinum wäre aktuell.


Besucher
27.10.2012 0:05
Kommentarlink

Auf die Existenz, Echtheit oder Vollständigkeit im Ausland lagernder Goldbarren kommt es nicht an. Kann oder will der Verwahrer die vertraglich vereinbarte Menge an Gold trotz mehrmaliger Aufforderung nicht herausgeben, so erklären wir ihm den Krieg.


Hadmut
27.10.2012 1:01
Kommentarlink

Den Krieg erklären? Wir?

So wie in Afghanistan, wo wir uns mehr vor denen fürchten als die vor uns? Wo sich herausstellt, dass die neuen G36-Gewehre nur 200 Meter weit schießen? Und damit sollen wir z. B. die USA angreifen? Die lachen sich tot…


HF
27.10.2012 8:57
Kommentarlink

So weit haben die Initiatoren des Zählappells wahrscheinlich gar nicht gedacht. Sie glauben, dass ihre Autorität allein das Problem lösen kann. Dazu passt die folgende Meldung vom Oeffinger Freidenker:
Berlin. FDP-Fraktionschef Brüderle plädiert dafür, den Wert des auf ausländischen Konten lagernden Giralgelds nachzuprüfen. “Ich bin dafür, dass wir immer wieder nachzählen”, erklärte Brüderle auf Anfrage des Oeffinger Freidenker.

Wohin führt das? Das Reich kann die Strassen nicht mehr unterhalten, an den Grenzen gibt es Scharmützel, Piraten machen die Seewege unsicher, aus dem Osten drägen Barbaren uns suchen Asyl und Sicherheit, reiche Villenbesitzer in Germanien vergraben ihr Gold. Rom geht unter!


SNCR
27.10.2012 10:18
Kommentarlink

“Die lachen sich tot…”

Mission accomplished 😉


[Denken in Oeffingen]
Man sollte die Satiren doch denen überlassen, die was davon verstehen, wobei, linksliberal selbst ist als Satire schon ein Hammer, versteht nur nicht jeder. Schannon gilt eben nur, wenn der Empfänger den Sender vollständig versteht, was bei Satire schonmal danebengehen kann, vor allem bei unterschiedlichen ideologischen Positionen.

Selstverständlich muß man Giralgold zählen, so man es behalten will.

Carsten

Terrorristen schaffen Arbeitsplätze


Michael
27.10.2012 12:19
Kommentarlink

zumindest die herkunft des goldes kann heute relativ einfach bestimmt werden (und damit auch bedingt die identifikation), naemlich mit spektroskopischen methoden.

gold ist naemlich niemals 100%ig rein, sondern enthaelt immer verunreinigungen, und die sind spezifisch, sowohl was die herkunft betrifft (also aus welcher mine), als auch aus welcher epoche (qualitaet der herstellung/reinigung).

technisch verdampft man mit hilfe eines lasers ein paar (millionen) atome, was den wert des barrens kaum mindert, und analysiert mit hilfe eines spektrometers dann die zusammensetzung.
deswegen ist es auch keine sonderlich gute idee, wenn man mal ueber von einem lkw gefallene goldbarren stolpert, einfach zur bank oder zum juwelier, oder sonstwohin zu gehen (mafia mal ausgenommen), und die dinger gegen bares eintauschen zu wollen. theoretisch…

natuerlich loest das nur ein teilproblem der ganzen geschichte, aber immerhin.


Hadmut
27.10.2012 12:25
Kommentarlink

@Michael: Die tollsten Methoden zur Feststellung der Abweichung von Soll- und Ist-Wert bringen nichts, wenn man den Soll-Wert nicht kennt.


Besucher
28.10.2012 1:00
Kommentarlink

Tja, wenn wir keinen Krieg gewinnen können, müssen wir dem Verwahrer unseres Goldes notgedrungen vertrauen, wir können die Herausgabe ja nicht durchsetzen.


slowtiger
28.10.2012 19:42
Kommentarlink

Goldbarren fälschen für Anfänger, in “Es muß nicht immer Kaviar sein”, dem 1. und einzig guten Roman von Simmel. Bleikern. Es wird das genaue Rezept angegeben.


Flusskiesel
29.10.2012 13:27
Kommentarlink

Gibt es überhaupt besondere “deutsche” Barren in den ausländischen Banken?

Oder ist es möglicherweise beim Gold wie mit Kapital, dass die Bank z.B. 100 Tonnen Gold im Keller hat und die Bundesbank hat davon einen Anteil von x Prozent?

Dann müsste man “nur” die Gesamtmenge des Goldes in der Bank zählen/wiegen und mit den Büchern vergleichen.


Joe
29.10.2012 22:34
Kommentarlink

Das gibt es nichts zu zählen, denn das Gold ist längst weg (aka bei wem anders). Die Frage ist halt nur, wie lange die Gauner noch den schönen Schein aufrechterhalten können.

Wer sich wie der Vorkommentator fragt, warum Gold erst mit hohem Aufwand aus der Erde holt, um es dann in Banktresoren zu lagern: Annähernd die gesamte Menge des förderbaren Goldes ist bereits gefördert und im Tresor bzw. im Umlauf (u. a. als Schmuck). Die Goldminen spielen mengenmäßig praktisch keine Rolle mehr. Um die Jahrtausendwende wurde die Förderung sogar weitgehend eingestellt, weil der Goldpreis weit unter die Förderkosten fiel.

Wofür man es dann im Banktresor braucht: Um sich bei weltwirtschaftlichen Verwerfungen als rohstoffarmes Land mit elementaren Rohstoffen versorgen zu können.


Michl
3.11.2012 19:21
Kommentarlink

Man könnte das Gold auch einfach selbst aufbewahren, statt bei vertrauensunwürdigen (weil warum müsste man sonst nachzählen) Dritten.