Teuflische Sicherheit
Ich habe getan, was ein Mann von Zeit zu Zeit tun muss – und wofür es den ganzen Mann braucht.
Ich habe mich in einer Bibliothek als Leser angemeldet. Weil ich auch unterwegs und auswärts Sorge dafür trage, Zugang zu einschlägiger Literatur, Juris Datenbanken usw. zu haben.
Unterschätzt das nicht. Das Anmelden in einer Bibliothek kann ein Abenteuer sein, gegen das sich Indiana Jones im Tempel des Todes wie das Sandmännchen ausnimmt. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe mich im Laufe meines ereignisreichen Lebens sicherlich in weit mehr als zwei Dutzend Bibliotheken von der Gemeindebibliothek Unterföhring bis hin zum Bundesgerichtshof sowie in diversen Ländern und Spitzenuniversitäten wie Harvard, MIT, Stanford herumgetrieben. Und überall ist das irgendwie alles anders, überall gibt es andere Sitten, Gebräuche und Verhaltensweisen, die man mit noch so viel Erfahrung nicht vorhersehen kann und die den jeweiligen Bibliothekarinnen (aus irgendwelchen Gründen immer Frauen) stets ermöglichen, den Neuankömmling von oben herab wie einen törichten Dumpfling zu belehren. Schon die Arten des Zugangs, der Ausleihe und der Rückgabe unterliegen einem erstaunlichen Variantenreichtum. Eine Vereinheitlichung ist offenbar nicht gewollt.
Heute nun betrieb ich das Unterfangen, eine weitere Bibliothek meinem Erfahrungsschatz zuzuführen.
Bereits am Schließfach für die Klamotten kam ich ins Straucheln. Das übliche Fach in der üblichen Größe mit dem üblichen Schloss für das übliche 1-Euro-Pfand mit dem üblichen kleinen schwarzen vierkantigen Schlüssel vom üblichen Hersteller. Gerade noch rechtzeitig fiel mir die Abweichung vom Üblichen auf: Normalerweise steht die Schließfachnummer auf dem Schlüssel, damit man das Fach wiederfindet, in dem man sein Hab und Gut hinterlegt hat. Bei diesem Schlüssel stand auf jeder der vier Seiten ein Nummer, manche graviert, manche eingepresst, manche eingekratzt. Auf jeder Seite eine andere Nummer, und keine stimmte. Ein Gefühl wie Indiana Jones nach Bestehen der ersten Prüfung. Ich überlegte, ob ich nicht meinen Hut wieder aus dem Schließfach nehmen und mitnehmen sollte. Eine Peitschenapp müsste es eigentlich für’s iPad geben.
Am Eingang zur eigentlichen Bibliothek, da wo man an der Buchkontrolle vorbei muss, ein Drehkreuz. Und das ist zu. Man kommt nicht durch. Gut, sowas kenne ich schon, es gibt eine Bibliothek, in der man erst von oben bis unten gemustert wird, ob man auch nichts unerlaubtes dabei hat (Tüten, Taschen, weite Mäntel), bevor sie einen reinlassen. Außerdem hat’s da Sensoren im Boden, die per RFID erkennen, ob man Bücher mit sich herumschleppt, die nicht als ausgeliehen registriert sind. Und erst wenn man diese Doppelprüfung bestanden hat, geht das Kreuz auf.
Hier aber nicht. Das geschulte Sicherheitsauge erkennt, dass da ein Kartenleser dran ist, und man offenbar eine Karte dranhalten muss, um Einlass zu erhalten. Hinter dem Kreuz sitzt am Tresen der Buchrückgabedrachen und mustert mich geringschätzig, als wollte sie mich jeden Augenblick durch Feuerspucken töten. Wie ich gerade das Wort erheben und fragen wollte, woher man eine geeignete Karte bekommt, werde ich herablassend und wortabschneidend belehrt, dass ich die Karte davorzuhalten hätte.
Ich suche die verwundbare Stelle des Drachens und stoße wie Siegfried zu: Ich teile dem Drachen in gestelztem Ton mit, dass ich es als unhöflich empfinde, unterbrochen zu werden. Ich könne keine Karte „davorhalten”, weil ich nicht im Besitz einer solchen Karte sei. Ich begehrte den Erwerb einer solchen Karte und würde daher um Auskunft über die örtlichen Erwerbsmodalitäten ersuchen, fügte ich erläuternd hinzu. Etwas irritiert antwortet sie, dass man aus Sicherheitsgründen ohne Karte nicht hineinkäme.
Verstehe.
Dies sei aber noch keine Antwort auf die Frage, wo man eine solche Karte bekommen könnte. „Drinnen!” knurrte der Drachen und zeigte auf einen abgetrennten Bereich, eben drinnen, also da, wo man nur mit Karte hinkommt.
Verstehe, sag ich. Also bekomme man sie gar nicht. Dies stünde in krassem Widerspruch zur öffentlichen Natur und Widmung jener Bibliothek und würde ihren Bildungsauftrag geradezu konterkarrieren. Nachdem zufällig gerade Leute herauskamen, setzte ich mit der Frage nach, wie die es denn da hineingeschafft hätten.
Der Drache merkte, dass etwas schief läuft. Als sei ich der erste, der da eine Karte haben will.
Der Drache erklärte, dass ich „ausnahmsweise” zur Anmeldung dürfe. Ich dankte. Aber das iPad müsste ich dalassen, fauchte der Drache. War doch klar, dass es nicht so einfach werden würde, einfach zur Anmeldung gehen zu können. Ich lehnte jedoch ab, diesen Wegezoll empfände ich als unangemessen hoch. Nein, sie wolle es ja nicht für sich behalten, sondern man brauche in dieser Bibliothek einen Begleitzettel für Computer und dergleichen. Weil soviel geklaut würde.
Verstehe.
Wer aus dieser Bibliothek einen Computer heraustragen will muss einen Zettel zeigen, dass er auch einen hereingetragen hat. (Ich überlege, wieviele iPads wohl in ein leeres Notebook-Gehäuse eines typischen Notebooks von ca. 1998 passen würden…). Nun, sage ich, dann möge sie mir doch einfach einen solchen Zettel geben. Geht nicht. Wieso nicht? Weil man dazu einen Benutzerausweis braucht. Aus Sicherheitsgründen.
Verstehe. Wir drehen uns im Kreis. Der Tanz mit dem Drachen, ein Walzer.
Ich versuche die Taktik der Verwirrung. Ich verweise darauf, dass ich schließlich nichts zu schreiben dabei hätte und mir ob des trügerischen Schließfachschlüssels die Schließfachnummer auf dem iPad notieren musste, was schlussendlich dazu führte, dass ich mein Schließfach einschließlich des einzuschließenden iPads folglich niemals mehr wiederfinden würde, schlösse ich selbiges iPad nunmehr in besagtem Schließfach ein.
Die Taktik wirkt. Der Drache bescheidet – in dem erkennbaren Drang, mich endlich loszuwerden – dass ich doppelausnahmsweise mein iPad mit mir führen dürfe, aber nur bis zur Anmeldung.
Wo ein Drache ist, ist auch eine Prinzessin. (Märchenhaarspalter mögen jetzt die Klappe halten, im Zeitalter der Frauenquote hocken auch Drachinnen vor Prinzessinnen.) Die fand sich in Form einer nunmehr sehr netten und freundlichen Dame an der Anmeldung. Dort bekam ich meinen Ausweis und klagte ihr mein Leid, dass alles in jeder Bibliothek anders sei und es wohl sehr schwierig sei, Bibliotheken zu vereinheitlichen. Sie antwortete, indem sie mir ein noch viel größeres Leid klagte, es sei nämlich alles noch viel, viel schlimmer, als ich es mir ausmalen würde. Sie studiere Bibliothekswesen und sie könne mir versichern, dass die Besonderheiten und Individualitäten noch viel weitreichender und folgenschwerer seien, als ich als Nutzer es mir vorstellen könne. Grausam. Dafür bekomme ich meinen Ausweis.
Mein erster Bibliotheksausweis mit Foto. Aus Sicherheitsgründen.
Ich dachte, ich hätte noch einen nützlichen Hinweis und bringe die Sprache auf die irreführende Beschriftung des Schließfachschlüssels. Das sei Absicht, entgegnete sie trocken. Aus Sicherheitsgründen.
Verstehe ich nicht. Wieso denn das?
Nun, es käme so oft vor, dass Leute ihre Schlüssel verlören und andere Leute die Schlüssel finden und sogleich die Fächer ausräumen. Deshalb habe man absichtlich dafür gesorgt, dass falsche Zahlen draufstehen. (Was übrigens kryptographisch auch erst funktioniert, solange man deutlich mehr als 5 Schließfächer hat, aber sie haben ziemlich viele.) Meine Rückfrage, ob dann an den Schließfächern mehr Diebe oder mehr befugte Fachinhaber auf der Suche nach dem richtigen Fach die Schlösser durchprobieren würden, quittierte sie grinsend mit dem Hinweis, dass man schon gewissen Ansprüche an die intellektuellen Fähigkeiten der Benutzer stelle. Ich beschließe, den Umstand, dass ich mir die Fachnummer auf dem iPad notierte, hier nicht erneut zu erwähnen, es würde den Eindruck der Denkprothese doch zu sehr verfestigen.
Später überlege ich, warum es nicht einfach auch ein unbeschrifteter Schlüssel tun würde. Weil dann die Nutzer die richtige Zahl einritzen würden. Der Schlüssel muss voller falscher Zahlen sein um jeden Versuch, ihn mit der richtigen Zahl zu versehen, schon im Keim zu ersticken.
Leute, lernt von ihnen. Das ist teuflische Sicherheit.
Nachdem ich nun die Nutzerkarte bekommen und mir beim Drachen einen Laufzettel für mein iPad abgeholt habe, nehme ich die Bibliothek in ersten Augenschein.
Ich komme an der Kopier- und Scanstation vorbei. Sowas gibt’s mittlerweile in vielen Bibliotheken. Auch mit den bücherschonenderen Kamerascannern, bei denen man das Buch nur aufschlägt und die Seiten von oben abfotografiert werden. So weit, so üblich. Mir fällt aber ein Hinweis auf, dass man Bücher, die mit „Kopierverbot” gekennzeichnet sind, hier nicht scannen dürfe. Das ist ungewöhnlich. Ich wittere fragwürdige Urheber-Flüche und frage nach.
Nein, sagen sie. Das habe nichts mit Urheberschutz zu tun, sondern mit Bestandsschutz. Bücher von vor 1920 und Bücher mit brüchigem Papier dürften nur kostenpflichtig von erfahrenem Fachpersonal gescannt werden, damit sie nicht kaputtgehen. Aus Sicherheitsgründen.
Verstehe.
Noch eine Ungewöhnlichkeit fällt mir auf: Wie in nahezu jeder anderen Bibliothek kann man dort auch Wertkarten für Kopierer und Scanner kaufen bzw. aufladen. Das haben sie fast alle. Hier aber kann man auch die benötigten USB-Sticks kaufen.
Liegt wohl daran, dass da so viele USB-Sticks geklaut werden?
PS: Kennt jemand ne gute Drachentöter-App?
40 Kommentare (RSS-Feed)
Man sollte die Bibliothekswesen in eine Burka stecken, damit der Besucher, der ja jetzt ein User ist, nicht erkennt, ob er es mit einer Prinzessin oder einem Drachen zu tun hat — aus Sicherheitsgründen.
Ein Adventure, das mit einem Drehkreuz beginnt — den Entwicklern ist doch nichts heilig!
Carsten
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Das Ziel ist im Weg
http://www.toonpool.com/user/2933/files/konfuzius_sagt_793799.jpg
Sehr schön!
Da wüsste ich schon gerne, welche Bibliothek das war …
Zur Frage der Vereinheitlichung:
Wer sollte so etwas vereinheitlichen? Sollte es eine Norm für die Organisation von Bibliotheken geben?
Gerade im Hochschulbereich wäre das nicht möglich, weil die Professoren ja immer gleich mit dem Grundgesetz herumwedeln, wenn man etwas regeln möchte.
Sehr schön erzählt. Da hat der heilige Bürokratius wieder mal voll zugeschlagen.
Herrlich!
Hadmut, du hast einen wahrhaft erfrischenden Schreibstil!
Vielen Dank für diese Humoresque zum Morgen 🙂
Ist denn dann in einem Buch mit dem Einband “Frederick Forsyth – Der Schakal” auch “Der Schakal” drinnen, oder statt dessen ein “Harry Potter”?
Aus Sicherheitsgründen? Es könnte ja jemand gezielt Bücher stehlen wollen? So ein Einband ist doch ein gefährlicher Hinweis für jeden Dieb!
Zufälle gibt’s. Erst gestern hat meine Freundin was ähnliches erlebt.
Zum ersten Mal nach den Semesterferien besuchte sie die Fachbereichsbibliothek. Am Empfang oder der Schleuse oder wie das heißt saß eine neue studentische Hilfskraft (SHK), die ihr den Zugang verweigerte, da meine Freundin im vorgezeigten Studentenausweis keinen aktuellen Semesterstempel für die Fachbereichsbibliothek hatte. Wie auch, sie war ja zum ersten Mal in diesem Semester da.
“Dann stempel doch da eben einen rein” kam nicht so gut an, da die SHK entgegnete, dass ja jeder kommen könne um sich so einen Stempel abzuholen um dann einfach so die Fachbereichsbibliothek zu benutzen. Die Vorlage einer aktuellen Semesterbescheinigung vom Studierendensekretariat sei Pflicht.
Der Verweis auf die exakt gleichen Stempel eben jener Fachbereichsbibliothek der letzten sechs Semester, verbunden mit dem Hinweis, dass außer im ersten Semester niemand eine Semesterbescheinigung hat sehen wollen, machte die SHK nur kurz stutzig, dann schaltete sie wieder auf stur und fügte hinzu, dass sie nichts dafür können, dass ihre Kollegen das bisher “haben schleifen lassen”.
Die Frage, was denn passiere, wenn meine Freundin nun einfach so in die Bibliothek gehen würde, brachte die SHK zum Grübeln. Denn eigentlich könne sie da ja gar nichts machen, sagte sie. Worauf meine Freundin dann die Fachbereichsbibliothek betrat.
Schuster Voigt laesst gruessen.
Bibliotheken sind so kafkaesk das es schon wieder lustig ist.
In der Zivilrechtsbib des Juristischen Seminargebäudes der LMU hängt noch eine völlig veraltete Hausordnung von 198X und keiner traut sich die abzuhängen weil die von Canaris unterschrieben ist.
In der rechtsgeschichtlichen Bibliothek muss man seinen Perso dalassen wenn man ein Buch zum kopieren nach draußen nehmen will, aber wenn um 18h die Aufsicht geht und man noch weiter arbeiten will kann man die Aufsicht übernehmen in dem man sich dort an den Tisch setzt und Namen und Matrikelnummer in eine Liste einträgt, man bekommst sgar den Schlüssel. (Irgendwer muss ja abschließen wenn man geht ne^^)
Und seit die Unis mehr und mehr überfüllt sind, spielt sich jede Bibliotheksaufsicht als Türsteher auf.
BWLer dürfen rein, Mediziner nicht aber nur Montags und Donnerstags an den anderen Tagen ist eine andere Aufsicht da der ist es egal.
In die Bibliothek der katholischen Theologie darf man als nicht Theologe (ob kath. oder ev. ist egal) angeblich nur nach 20h und auch nur maximal zu 3t.
Ins neue Historicum dürfen Soziologen rein Politologen aber nicht (es sei denn sie haben im Nebenfach Soziologie)und die kleine aber feine Bibliothek der Islamwissenschaftler freut sich über jeden Besucher aber wehe einer der Studenten die in den Strafrechtlichen Handapparat ein Stockwerk höher wollen, benutzen einen der vor der Bibliothek stehenden Schließfächer, dann ist Polen aber offen.
@Schwede:
> In der rechtsgeschichtlichen Bibliothek muss man seinen Perso dalassen wenn man …
Wie bitte!?
Wollen die Juristen sein?
Bei ePerso ist das nämlich verboten.
In die Bibliothek der katholischen Theologie darf man als nicht Theologe (ob kath. oder ev. ist egal) angeblich nur nach 20h und auch nur maximal zu 3t.
das hat bestimmt der ehrwürdige Jorge so verfügt, oder oben drüber in seinem türmchen sitzt. =)
Einfach nur ein großes DANKE 🙂
Es trug sich zu in meiner Heimatstadt vor zwanzig Jahren. Irgendwann, auf irgendeiner Etage in der Zentralbibliothek: weia, Ausweis ist weg.
Sofort nach unten gewetzt an die Zentraltheke, sperren lassen. Ging ratz-fatz, zumal ich solche (Ausweis-)Nummern auswendig weiss. Damit war der Kopf frei, das Kärtlein wieder aufzutreiben. Rewind(Besuch), a la ‘und an welchem Regal war ich davor … und davor?’. Halbe Stunde, und er war wiedergefunden. Prima, nochmal zur Theke, gleiche Dame, aber:
“also, zum Entsperren brauche ich Ihren Personalausweis”
“Wieso?”
“gegen Missbrauch – sonst könnte ja jeder fremde Ausweise entsperren lassen”
“Aber ich habe diesen Ausweis doch eben selbst sperren lassen”
“weiss ich – ist ja noch keine Stunde her”
“Wenn das nicht mein Ausweis wäre, hier in meiner Hand, und ich wollte damit Missbrauch treiben: würde ich dann als erstes zu Ihnen
kommen, ihn sperren lassen, später wieder entsperren lassen? Wofür denn so ein Manöver?”
“nun, diese Vorgehensweise wirkt besonders vertrauenerweckend – vielleicht ja genau deshalb? Also, in jedem Fall müssen Sie Ihren Personalausweis vorlegen.”
In dem Moment bin ich dann losmarschiert, Perso holen. Ist am Ende doch die Option mit mehr Aussicht auf Erfolg, dachte ich mir dabei.
Warum muss ich bei solchen Geschichten nur an das Peter-Prinzip denken? Sowie daran, dass einige ihre persönliche Stufe der Inkompetenz offenbar schon sehr früh erreichen?
@Hadmut
Das ist jetzt schon eine Weile her keine ahnung wie das Mittlerweile gehandhabt wird. So ganz nebenbei, genauso wie Ärzte denken das sie nie krank werden, gehen Juristen davon aus, dass sie schon rechtlich korrekt handeln 😉
Ach so. Wenn das länger her ist, gab es damals womöglich das Gesetz noch nicht, das das verbietet.
Themenfremde, aber doch ähnliche Frage: Bin ich alt, oder ist es tatsächlich so, dass in Universitätsbibliotheken oder in Bibliotheken, die sich in der Nähe einer Hochschule befinden, die heutigen Studenten den Aufenthaltsraum/Leseraum/Arbeitsraum (wie auch immer man es vor Ort nennt) mit einem Café oder einem Wochenmarkt verwechseln? Es kommt mir nämlich von Jahr zu Jahr lauter vor – ich betrete Bibliotheken in den letzten Jahren nicht mehr so häufig.
“Das deutsche Ideal – hinter einem Schalter zu sitzen. Das deutsche Schicksal – vor einem Schalter zu stehen.”
Das hat Herr Tucholsky schon in den frühen 30ern angemerkt. Und es ist seither nochmals deutlich schlimmer geworden. 😉
Diese ganz natürliche Feindschaft – Leser/Bibliothekar, Historiker/Archivar, aber genausogut Fahrgast/Schaffner, Autoschlosser/Kunde, Gast/Kellner, Übernachtungsgast/Hotelier – sie zieht sich durch alle Lebensbereiche.
Im Grunde geht’s immer um: Bescheidwisser vs. Nichtbescheidwisser und um das daraus resultierende Machtgefälle. (Frauen ohne jeden Liebreiz genießen selbst noch die kleinste Machtposition inbrünstig. Das soll mal ein Psychologe erklären.)
Hinzu kommt, daß wir in einem Land leben, dessen Bewohner es lieben, ihre Mitmenschen zu belehren, zu korrigieren, zu verwarnen, zu ermahnen, zu kontrollieren – besser noch: anzuweisen, zu kommandieren, zu befehlen, zu verbieten, zu sanktionieren. Idealerweise: zu vollstrecken.
(Da kann auch erhängen, erschießen oder vergasen mal ohne weiteres vollkommen selbstverständlich werden. Im Zweifel und hinterher natürlich “nur auf Befehl von oben”.)
Traumberuf: Gerichtsvollzieher, Polizeikommissar.
Dass man dich gar nicht zwingen kann deinen Namen an- und ein Bild abzugeben, respektive das zur Voraussetzung für irgendwas zu machen, weil das gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das BDSG verstößt erfährt man vermutlich auch erst aus der Literatur im Hochsicherheitsbereich, aus Sicherheitsgründen. Wessen Sicherheit vor wem und was eigentlich? Das hätte ich den Drachen mal gefragt und ihm so den Garaus gemacht. Gut, rein komme ich dann nicht, wenn ich den Drachen fertig mache, aber das ist es mir bei solchen Typen in dem Moment dann wert.
Und selbstverständlich hätte ich irgendjemandem den Schlüssel in die Hand gedrückt und gesagt dass die Nummer leider nicht stimmt, ich aufgrund dieses, ihres Fehlers mein Eigentum nicht widerfinde und sie es mir bitte beschaffen mögen. Weil es kann ja nicht meine Aufgabe sein alle Schließfächer durchzuprobieren.
@Johanna: Also bei uns gibt es einen Aufenthaltsraum dort wo die Schließfächer sind. Dort steht auch ein Kaffeeautomat. Im inneren Kern des Tempels wird durch die Bibliothekare schon darauf geachtet, dass es ruhig ist.
@Hadmut: Bei uns gibt es kein Drehkreuz. Es gibt einfach eine Tür, durch die man gehen kann und man ist drinnen. Dann einfach zum Tresen gehen und einen Ausweis beantragen. Es ist auch nicht nötig einen Dürfschein für sein Computer zu holen.
Da kann ich von der Naturwissenschaftlich-Technologischen Zweigbibliothek einer Uni wo ich mir neulich ein Buch geholt habe ja gedanklich richtig schwärmen 🙂
Die Bibliotheksangestellten sind nett, verzeihen es einem auch, wenn man mal failt (mea culpa …), die Bestimmungen sind vollständig nachvollziehbar (zumindest die, die ich in Erinnerung habe, bspw. keine pappigen Getränke bei den Büchern (aber Wasser ist erlaubt)), die Schließfächer haben die richtigen Nummern und reinkommen heißt, durch drei vollkommen normale Türen zu gehen (Vorraum mit Schließfächern und Garderoben, Raum mit Tresen und Computerarbeitsplätzen (die waren früher mal zusammen, jetzt wohl wegen Brandschutz oder so getrennt, wäre zumindest typisch …), eigentliche Bibliothek, also Raum mit den Büchern). Klapprechner kann man ganz selbstverständlich mitreinnehmen und in den grünen und gelben Zonen benutzen (rot: nur absolute Stille, gelb: zusätzlich Laptop und MP3-Player erlaubt, grün: auch leise Unterhaltungen für Gruppenarbeit möglich) Die Ausleihbedingungen sind echt human, man kann sogar wenn man überzogen hat nochmal verlängern und kommt dann straffrei davon, wenn grad eh keiner das Buch will (gab noch einige Exemplare) und auch die Öffnungszeiten sind echt toll (und auf Studenten zugeschnitten 😉 ).
Ausweis beantragen geht in fünf Minuten (gut, Personalausweis braucht man).
Einfach schön, so sollte das meiner Meinung nach überall sein. 🙂
So, jetzt hatte die Gegenseite auch mal das Wort. 😉
@Andrea: Ja, das ist hier ähnlich. Nur dass die Bibliothek halb offen angelegt ist und man das Geschrei immer als Hintergrundgeräusch auch in der eigentlichen Bibliothek wahrnimmt. Als gelegentlicher Gast will ich mich ja eigentlich gar nicht beschweren, aber andererseits erwarte ich schon, dass junge Erwachsene in der Lage sind, Rücksicht auf andere zu nehmen. Zumal es sich nur teilweise um Gespräche handelt, die beim Lösen von Übungsaufgaben in der Gruppe unvermeidbar sind. Seit mindestens zwei Jahren sieht man da eine nicht gerade kleine Gruppe von über 20-jährige, die die Bibliothek offenbar betreten, um “Magic” und andere sinnlose Kartenspiele zu spielen.
Das hast du dir doch komplett ausgedacht! Ich behaupte, daß es diese Bibliothek nicht gibt! Also, welche ist das?
Nunja. Ich fürchte, es war genau so, ich habe schon viel Blödsinn auf dieser Welt gesehen. Aber wieso sich niemand dagegen wehrt, werde ich nie verstehen.
>> Sie studiere Bibliothekswesen
Auf die Gefahr hin mich als Bildungslegastheniker zu outen, muss man heute studieren um Bücher zu sortieren, ins Regal zu stellen und sich als Einlass-Beamter aufzuspielen?
>> verzeihen es einem auch, wenn man mal failt
Ich glaube ich werde alt.
Eine Peitschenapp müsste es eigentlich für’s iPad geben.
Hat es doch: https://www.youtube.com/watch?gl=US&v=TLN8ZQ8I5m4
😉
@Erika: Bibliothekswesen ist etwas mehr als das Einsortieren von bedrucktem Papier, die Wikipedia, ach was, das gesammte Webz hilft Dir da sicher weiter; hat auch weniger mit dem Alter zu tun, als mit dem sinnfreien Herumgefurze geltungssüchtiger Forentrolle, wenn du verstehst, was ich damit zum Ausdruck bringen möchte.
🙂
@Joshi
Die Blähungen würde ich dort verorten, wo man aus einer einfachen Arbeit krampfhaft eine Wissenschaft zu machen versucht. Daran leidet der ganze Betrieb. Gibt es eigentlich schon eine Wissenschaft, die sich mit der Zählung der Wissenschaften befaßt?
Carsten
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“Wer berufsmäßig die Privatsphäre anderer zerstört, hat aus meiner Sicht selber auch keine verdient.”
fefe, Felix von Leitner
@Carsten: Ich kann zweifelsohne nachvollziehen was Fefe sich bei diesem und vielen seiner andere Kommentar denkt (Anmerkung: Zitat wurde kürzlich bzgl. der Entwicklung von Trojanern genannt). Natürlich spüre auch ich diese Ungerechtigkeit und bin häufig angewidert von der Hilflosigkeit mit dem ich mir Vieles anschauen muss, aber dennoch sagt mir meine innere Stimme, dass mit seiner Aussage etwas nicht stimmt. Rechte werden nicht “verdient”, durch Privatpersonen aberkannt oder eingeschränkt. Und nur weil jemand etwas – vielleicht – Unrechtes tut, heißt es doch noch lange nicht, dass ihm – und womöglich seinem Umfeld – willkürlich auch Unrechtes angetan werden darf. Wir haben für solche Fälle extra ein Rechtssystem eingeführt, um solche Probleme möglichst sinnvoll zu lösen und nicht länger das Recht des Stärkeren walten zu lassen oder der “Auge-um-Auge” Tradition folgen zu müssen. Wie schon Anfangs erwähnt spricht mir Felix häufig von der Seele, aber ich ertappe mich selber immer wieder dabei wie asozial und egoistisch meine Gedanken doch sind.
Es kann durchaus anstrengend und frustrierend sein, aber man sollte in diesem Fall lieber versuchen die Gesetzgebung zu ändern, als einzelne (Privat-)Personen gezielt herauszugreifen und bloßzustellen. Ich empfinde es als ähnlich schlimm wie Unternehmen, die angebliche “Raubkopierer” auf ihren Webseiten denunzieren wollen, oder Rechtsradikale, die “target-lists” auf ihren Webseiten von unliebsamen Personen publizieren. “Empfundenes” Unrecht darf schlicht kein Grund für Selbstjustiz sein.
@Hadmut: Entschuldige bitte, dass mein Kommentar nicht zu Deinem Artikel passt.
Was soll man dazu sagen, ein Spruch auf Fefe-Niveau eben.
Hört sich an, wie Auge um Auge, Zahn um Zahn, ist aber schlimmer.
Denn damit stellt sich Fefe selbstrechtfertigend auf eine Stufe mit dem, der berufsmäßig handelt und denjenigen mit denen, die betrachtet werden. Und pauschalisiert “Privatsphäre anderer zerstören” auf eine einzige, undifferenzierbare Handlung. Auch anmaßend, denn damit stellt er sich selbst auf eine Ebene mit denen, die (zumindest formal-theoretisch) demokratisch legitimiert sind und Aufgaben erfüllen, also letztlich die Rechtfertigung der Selbstjustiz. Sperrt der Polizist den Räuber ein, darf der Räuber auch den Polizisten einsperren.
Das ist halt so Demagogie für die dumpfen Massen, typisches CCC-Geplärre eben. Dieser Emotional-Schwachsinn ist einer der Hauptgründe, warum ich CCC und Dunstkreis nicht mag.
Das einzige, was das dabei noch halbwegs im Rahmen hält ist der Zusatz „aus meiner Sicht”, was ja – entgegen sonstiger CCC-Dunstkreis-Überheblichkeit – noch andere Sichtweisen zulässt. Trotzdem zeigt es, dass die Sichtweise sehr primitiv und töricht ist.
Seien Sie dankbar für jeden, der Bibliothekswesen studiert und dabei lernt, sich intellektuell aus der Schalterperspektive zu erheben und die (zugegebenermaßen) idealistischen Lerninhalte jeden Tag auf’s neue im Berufsalltag zu verwirklichen. Überdies lernt man auch, zu reflektieren (veraltete Berufsbilder zum Beispiel oder den eigenen Umgang mit verstaubten Regeln), Bürokratie zu hinterfragen und bessere Benutzungsordnungen zu schreiben. Und über sich selbst zu lachen – was ich herzlich getan habe. Danke dafür.
[…] gelassen. Obwohl Halloween doch schon eine Weile her ist, konnte einem der Bericht von Hadmut Danisch über seinem Bibliotheksbesuch das Gruseln lehren (via […]
Die Schilderung erinnert sehr an die SBB-PK. Die Bibliotheksausweise mit Foto (neuerdings), die Schließfachschlüssel ohne oder mit falschen Nummern und die restriktiven Kopierbedingungen passen jedenfalls. Demnächst bin ich mal wieder da und bin schon gespannt, ob die Ein- und Ausgangskontrolle auch schon umgerüstet ist – dann würde das auch passen.
😉
Wie man in die russische Nationalbibliothek hinein kommt, nämlich vergleichbar mit Hürden versehen, steht hier: http://blogkow.wordpress.com/2010/07/25/na-zdorovje-es-lebe-die-burokratie/
Den Text kann man übrigens genauso über jede andere Berufsgruppe schreiben. Auch und besonders über Informatiker. Wer mal an verschiedenen Hochschulen versucht hat, Rechenzentrumsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, wird das kennen.
“Und überall ist das irgendwie alles anders, überall gibt es andere Sitten, Gebräuche und Verhaltensweisen, die man mit noch so viel Erfahrung nicht vorhersehen kann und die den jeweiligen Informatikern (aus irgendwelchen Gründen immer Männer) stets ermöglichen, den Neuankömmling von oben herab wie einen törichten Dumpfling zu belehren.
Schon die Arten des Zugangs unterliegen einem erstaunlichen Variantenreichtum. Eine Vereinheitlichung ist offenbar nicht gewollt.”
Funktioniert genauso gut.
Die meisten mir bekannten Bibliotheken sind übrigens deutlich zugänglicher.
[…] las ich auf dem Blog von Hadmut Danisch, der dort Ansichten eines Informatikers verbreitet, einen bemerkenswerten Bericht über seinen Versuch, sich unter Bedingungen “teuflischer Sicherheit” in einer (nicht […]
Sehr geehrte Kollege, aber Sie sind einem Universitätsstudtenten unwürdig!
Tun Sie dem gebildeten in dieser Zeit lebendem Volk einen Gefallen:
Melden Sie sich ab und unterlassen Sie Ihre nicht nachvollziebaren, hetzerischen und gegen wie viele §§ verstoßenden Aussagen in Ihrem Kopf!
Viele Dank,
in Namen der Bibliotheksnutzer, Studenten und Allen, die etwas von einer in der angemessenen Zeit lebenden Welt, halten.
a) Ich bin nicht Ihr Kollege.
b) Sie machen keinen gebildeten Eindruck auf mich, weil Sie nichts begründen oder nachvollziehbar machen.
c) Wer behauptet, dass ich gegen “§§” verstoße, muss das belegen.
d) Wer sich selbst anmaßt, im Namen von Bibliotheksnutzer, Studenten und „Allen” zu sprechen, hat ne ziemliche Schraube locker.
e) Trolle mag ich nicht.
omg, bitte verzieh dich aus der IT!
Du brichst jedem ITler das Herz, BITTE GIB DAS INFORMATIK WEG!!!!!!
und mounte deine Aussagen nach /dev0 !!!
denn die haben absolut nichts mit IT zu tun..
schick einen Virus-Scan durch dein Brain
und update dein OS (werden viele sein, nach den absolut veraltetem Gedankgut angehörigen Wissensstand)
bei so etwas wünscht man sich als Datenschutzvertreter und Verfechter von freiem Interner, denn durchstoß dass das vom Netz genommen wird (und du eine wp-sperre bekommst)
Greets von MSc-ITlern!!!!
@ITler: So ein blödes Gequatsche. Wenn man mit so einem Geschwafel an einen Master und eine österreichische IP kommt, dann sind die Österreichischen Unis noch schlechter, als ich dachte.
Und Leute, die noch an der Uni kleben und trotzdem gleich für alle „ITler” reden wollen, kommen gleich in die Mülltonne.
Und lass die Finger vom Alkohol, der bekommt Dir nicht.
Hallo Hadmut,
hast du zufaellig eine Quelle zu der Gesetzeslage, dass Personalausweise nicht als Pfand einbehalten werden duerfen? Mir ist das sehr wohl bekannt, nur finde ich dazu keine Quelle und naechste Woche werde ich vermutlich jemanden darauf hinweisen muessen und dann moechte ich mich wenigstens auf etwas berufen koennen, wenn ich auch die verstaendnislosen Blicke nicht vermeiden kann.
Danke!
An Dir ist ein Satiriker verloren gegangen.
Danke für diesen Lacher zur Nacht.