Auslaufmodell Zeitung auf Papier
Weil mir die Presserechtskammer des Verwaltungsgerichts Berlin doch immer wieder erzählt, Presse könne nur auf einem physischen Substrat wie Papier, aber nicht online stattfinden:
Bei Tichy: Ladenhüter Tageszeitung: Jede zweite Zeitung geht zurück
Um knapp eine Million Exemplare ist die Auflagenzahl der deutschen Zeitungen im vergangenen Jahr zurückgegangen. Alte Abos retten die Blätter noch halbwegs – die Kioske schicken die Ladenhüter mehrheitlich wieder zurück.
Beschreibe ich seit Jahren. Leser hatten mir ja schon Fotos geschickt, dass an Bahnhöfen die Zeitungen draußen rumliegen, um sie kostenlos einfach mitzunehmen, weil verschenkte Zeitungen unter Auflage zählen, während die, die zurück gehen, eben nicht, und die Auflage ist wichtig und relevant für die Werbekosten. Deshalb gab es auch jahrelang kostenlose Zeitungen in den Flugzeugen. Künstlich die Auflage erhöht. Als ich noch in München wohnte, habe ich mich immer gewundert, dass das die Zeitungsverkaufsboxen rumstanden, es aber keinen mechanischen Zusammenhang zwischen Geldeinwurf und der Klappe gab, die man öffnete, um sich eine Zeitung zu nehmen. Als ich mal jemanden fragte, wieviele da geklaut werden, bekam ich die – damals noch für mich überraschende – Antwort, dass das so gewollt ist und es den Verlagen natürlich am liebsten sei, wenn man zahlt, aber immer noch lieber, man klaut die Zeitung als lässt sie liegen, weil auch die geklaute Zeitung unter Auflage zählt.
Ich habe längst nicht mehr so viele Zeitschriften abonniert wie früher. Die meisten schon lange gekündigt. Wobei ich auf die Papierexemplare gänzlich verzichten könnte, es reicht mir völlig, die Zeitschriften elektronisch zu lesen. Das elektronische Abo allein ist aber viel teurer als Papier und elektronisch zusammen, weil es auf die Auflage und die Werbeeinnahmen ankommt. Also kommen die Zeitschriften nur bei mir an, um meist ungelesen direkt in den Papiermüll zu fliegen.
Über die FAZ:
189.523 Exemplare betrug die verbreitete Auflage der FAZ im vergangenen Quartal. Das berichtet die IVW, die für den Werbemarkt die Auflagenzahlen deutscher Zeitungen erfasst.
189.523 Exemplare. Das hört sich nicht gerade viel an. Verstellt den Blick auf die tatsächliche Lage der FAZ aber immer noch. Denn eigentlich lautet die entscheidende Zahl für die FAZ: 158.426 Exemplare. So viele kamen nämlich tatsächlich bei den Lesern an. Diese belastbare Auflage errechnet sich aus den Abos und den Exemplaren, die im Einzelverkauf verkauft wurden. Dabei profitiert die FAZ von 139.660 abgeschlossenen Abos. Im Einzelverkauf gingen gerade mal noch 18.766 Exemplare täglich über den Tisch. Die rund 50.000 E-Paper sind in den beiden Zahlen schon eingerechnet, sie fallen fast ausschließlich auf die Abos.
Spannend ist noch eine weitere Zahl. Täglich gehen 54 689 Exemplare der FAZ in den Handel. Aber wie beschrieben werden nur 18.766 Exemplare verkauft. Das heißt: Es gehen jeden Tag 35.923 als „Remittenden“ wieder zurück. Die FAZ ist ein Ladenhüter. Ein Ärgernis für den Kioskbesitzer: Drei Exemplare bekommt er, eins verkauft er, zwei muss er zurückschicken. Bei den lokalen Tageszeitungen geht knapp jedes zweite Exemplar aus dem Einzelverkauf wieder zurück.
Die FAZ war mal ein Blatt. Ein Wichtiges. Das Standardblatt elitärer Professoren. Wir hatten damals an der Uni alle zusammen die FAZ abonniert, weil wir herausgefunden hatten, dass die seltsamen Ideen, mit denen der Professor im Institut manchmal ankam und die er als seine genialen Geistesblitze ausgab, fast immer auf der FAZ beruhten, deren Artikel er nicht richtig verstanden hatte. Wir hatten deshalb alle zusammen die FAZ abonniert, und guckten die morgens zusammen durch, um dann in Buchmachermanier Kuchenstücke darauf zu wetten (keine festen Regeln, nur zum Spaß, wir haben die dann sowieso alle zusammen gegessen), mit welchem Blödsinn er heute im Oberseminar daherkommen würde.
Die belastbare Auflage ist bei der FAZ um 11.470 Exemplare zurückgegangen. Das entspricht einem Verlust von 6,7 Prozent. Noch deutlicher sind die Verluste der Süddeutschen Zeitung. Die hat laut IVW im zweiten Quartal tatsächlich 240.665 Exemplare an den Mann gebracht. Das sind 22.761 Exemplare weniger als noch vor einem Jahr – ein Verlust von 8,6 Prozent. Für die Kioskbesitzer ist die Süddeutsche ein ähnliches Ärgernis wie die FAZ: 67.237 Exemplare erhalten sie täglich – 44.124 Exemplare gehen wieder zurück. Die FAZ hat jüngst die Umweltbilanz von Hafermilch vorgestellt, die Süddeutsche die Umweltbilanz von Streaming – wie viel CO2 freigesetzt wird, wenn ihre ungewollten Blätter an die Kioske und wieder zurückgeliefert werden, verraten die Qualitätsmedien indes nicht.
Das Thema Zeitung ist völlig veraltet.
Ich bin ja in diesem und letztem Jahr einige Male geflogen, und habe wegen der Meinungsverschiedenheit mit dem Verwaltungsgericht Berlin darauf geachtet, wieviele Zeitungen die Leute noch kaufen und lesen.
Fast keine mehr.
Früher war das mal üblich, dass man sich vor einem mehrstündigen Flug mit Zeitungen eingedeckt hat, entweder am Kiosk oder mit den geschenkten. Jahrelang hatte ich Dienstreisen mit Air Berlin, wo man oft noch den Playboy geschenkt bekam, ich bin aber irgendwann auf die Cosmopolitan umgestiegen, weil da erstens die schlüpfigeren Stories drin stehen und man zweitens von der Sitznachbarin nicht so blöd und vorwurfsvoll angeguckt wird. Ein Kollege war mal stinksauer, weil der dachte, es sei immer dieselbe Playboy-Ausgabe, weil die immer gleich aussahen, tatsächlich aber hatte Playboy nur einen Schutzumschlag mit dem immer selben Foto drumgeklebt, zwei Berggipfel, die durch Wolken ragten, und stilisierte Brüste zeigten, weil man echte nicht im Regal an der Flugzeugtür haben wollte. Jeder, der in ein Flugzeug einstieg, hatte damals mindestens zwei Zeitungen dabei. Bei Lufthansa wurden sie sogar im Flugzeug noch verteilt.
Heute: Fast nichts. Ich bin mal interessehalber unter dem Vorwand eines Toilettengangs das ganze Flugzeug (737) entlang gegangen und habe nur noch zwei Leute mit Zeitschriften (Frauenzeitungen) gesehen. Der Rest: Tablets, Handys, E-Book-Reader. So manche Fluglinie spart sich längst die teuren Unterhaltungssysteme, weil die Leute längst alle ihre eigenen Geräte zum Gucken dabei haben.
Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag stehen, dass sie Zeitungen fördern will. Die „Zukunftskoalition“ setzt also auf einen Verbreitungsweg, der immer mehr als überholt gelten darf.
Jain.
Da geht es eben nicht um Umweltschutz.
Da geht es darum, zusammen mit der politischen Justiz das Monopol über die „Presse“ aufrechtzuerhalten. Denn dann, wenn die Systemzeitungen wie die linke Süddeutsche oder die eingelinkste FAZ nicht mehr auf Papier erscheinen, sondern nur noch digital, dann würde es schwer, als Verwaltungsgericht noch zu entscheiden, warum die Presse sein sollten und ich nicht.
Deshalb wird der ganze Mist politisch noch gefordert, geförderert und finanziert, ohne Rücksicht auf Umwelt, damit man das künstliche staatliche Pressemonopol aufrechterhalten kann.
Ewig werden sie das aber nicht halten können. Die Leute kaufen den Mist ja immer weniger, und Papier, Energie, Transport werden immer teurer. Das wird wirtschaftlich nicht mehr möglich sein, noch Zeitungen herzustellen. Und dann noch das mit dem Klima.
Ich bin mal gespannt, wie das Verwaltungsgericht damit umgeht, wenn die Zeitungen auf Papier wegfallen. Ob man dann der Meinung ist, dass es die Presse, die Pressefreiheit, den Auskunftsanspruch dann gar nicht mehr gibt.