Ansichten eines Informatikers

Die Kunst, in ein Flugzeug einzusteigen

Hadmut
23.11.2012 19:58

Eine Fähigkeit, die nicht jedem gegeben ist.

Die Chinesen und Australier haben erforscht, wie man Leute am schnellsten in ein Flugzeug packt.

Ach, ich war die letzten Tage wieder häufig auf Dienstreisen und meist mit dem Flieger quer durch Deutschland. Und jedesmal ärgert man sich wieder darüber, wie bescheuert sich viele Leute dabei anstellen, in ein Flugzeug einzusteigen. Ist nicht ganz einfach, halbwegs geordnet durch einen Gang zu gehen und sich hinzusetzen. Wenn man’s genau betrachtet, sind manche Leute schon damit überfordert, sich im Terminal hinzusetzen und beim Aufruf des Fluges in normaler Weise ins Flugzeug zu gehen. Kaum geht’s los, springen manche wie die Wahnsinnigen auf um nur möglichst weit vorne in der Schlange zu stehen. Wozu zu das gut sein soll? Weiß ich nicht. Denn bei den meisten Fluglinien sind die Sitze spätestens bei der Ausstellung des Tickets vergeben. Es spielt keine allzu große Rolle, ob man früher oder später einsteigt. Es wäre ja auch nicht so, dass die, die zuerst einsteigen, einen schnelleren Flieger bekommen. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber Flugzeuge fliegen in aller Regel in einem Stück zum Ziel. Trotzdem haben die Leute es unglaublich eilig, in den Flieger zu kommen.

Seltsamerweise haben sie es auch übereilig, wieder rauszukommen. Das Flugzeug steht noch nicht, da klicken schon die Gurte und die ersten springen auf, um das Gepäck auszuladen. Dann stehen alle krumm und schief im Gang und warten dort noch 10 Minuten, bis sie endlich rausdürfen. Wozu soll das gut sein? Irgendwo habe ich mal in einer Liste legendärer Flugzeugdurchsagen die gelesen: „Meine Damen und Herren! Noch nie in der Geschichte der Luftfahrt hat ein Passagier das Terminal vor dem Flugzeug erreicht. Wir bitten Sie daher, auf Ihren Plätzen sitzen zu bleiben, bis das Flugzeug seine Parkposition erreicht hat.” Vernunft gehört nicht zu den Begabungen des selbsternannten Homo Sapiens. Bemerkenswert ist auch das Aussteigeverhalten im Notfall. Das geht nämlich meistens schief, weil zu viele Leute darauf beharren, erst ihren gesamten Krempel mit aus dem Flugzeug nehmen zu wollen, anstatt sich selbst zu retten. Verstopfte Notausgänge sind die Folge. Irgendwo wurde darüber berichtet, dass nach einer Bruchlandung mit Brand und Notevakuierung über die Notrutschen Leute gesichtet wurden, die versuchten, mit zwei Koffern in den Händen von den Tragflächen zu springen.

Ein Hauptproblem für das Gedränge ist auch, dass die alle viel zu viel Krempel dabei haben. An den Flughäfen gibt’s so kleine Maßboxen, die anzeigen, wie groß das Bordgepäck maximal sein darf. Interessiert keine Sau mehr. Die Fluglinien sind aus Kostengründen froh, wenn die Leute das Zeug selbst laden und man dafür nicht mehr die Flughafengepäckträger beauftragen muss. Und die Konkurrenzsituation bringt es mit sich, dass Leute eher zu der Linie gehen, bei der sie den Schrankkoffer mit reinnehmen können. Weil sie die 5 bis 10 Minuten nicht aushalten, bis das Gepäck auf dem Band angekommen ist. An irgendeinem Flughafen in den USA haben sich ständig Gäste beschwert, dass sie so lange auf das Gepäck warten müssten. Es dauerte aber nicht länger als sonst, sondern das Gate war direkt am Gepäckband, weshalb die Leute einfach früher am Band waren und subjektiv länger warten mussten. Deshalb lädt man das Gepäck von diesem Gate jetzt an einem anderen, sehr weit entfernten Band aus. Das dauert zwar deutlich länger, aber die Leute müssen so weit und so lange laufen, dass das Gepäck bereits auf dem Band ist, wenn sie dort ankommen. Keine Beschwerden mehr, alle sind froh und zufrieden, dass das Gepäck jetzt „so schnell” ausgeladen würde.

Als mir das irgendwann mal zu blöd wurde mit den Sperrmüll-Bombern, bei denen die Leute wie blöde große Koffer reinschleppen und alles vollstopfen, und dann auch nicht mehr einsehen, dass Notausgänge freigehalten werden müssten, habe ich nach dem Flug mal den Piloten gefragt, wie’s denn mit der Sicherheit so wäre. Jo, meinte der, da hätte ich – theoretisch – völlig Recht und er sähe das genauso wie ich. Aber die Menschheit sei einfach zu uneinsichtig, das sei nicht durchsetzbar. Wenn man die Leute auf normalem Wege anspräche, gäb’s nur Krach. Dann würden sich gleich alle über ihn bzw. die Besatzung beschweren wie die Wahnsinnigen. Viele würden dann sogar behaupten, den Inhaber der Fluglinie persönlich zu kennen usw. Jeder nimmt Sonderrechte für sich in Anspruch und glaubt, dass die Gepäckgrenzen für ihn nicht gälten, nur für andere. Freilich habe er als Pilot die Letztentscheidung und das Machtwort. Das sei aber gefährlich. Denn wenn er einmal sagen würde, dass da irgendwas aus Sicherheitsgründen nicht vertretbar wäre, dann wäre die flugrechtliche Konsequenz, dass er gar nicht mehr starten dürfe. Wenn er einmal sagt, dass der Koffer aus Sicherheitsgründen zu groß ist, dann geht gar nichts mehr bis der Koffer im Gepäckraum ist. Mit dem zu erwartenden Krach würde das zu exzessiven Verspätungen, Wahnsinnskosten, Ärger mit dem Flughafen, verärgerten Passagieren usw. führen. Deshalb achten sie da nicht mehr so drauf.

Das ist halt auch eine Folge der Billigflieger und der Kostenoptimierung. Ich kann mich nämlich noch gut erinnern, dass das in den siebziger und achtziger Jahren noch ganz anders lief. Da standen die noch am Eingang zu Flieger und haben alles, was zu groß war, einkassiert und direkt runter in den Gepäckraum gebracht. Da waren aber die Sicherheitsanforderungen auch noch viel niedriger. Da war man noch der Meinung, dass schon keine Bombe drin sein wird, wenn der Passagier mit im Flieger sitzt.

Insofern sind die ganzen mathematischen Überlegungen zum Einsteigen schlicht für die Katz. Denn alles läuft darauf hinaus, dass man irgendwelche Regel akzeptieren, verstehen und befolgen müsste. Und dafür ist die Menschheit schlichtweg zu doof. Regeln werden aus Prinzip nicht befolgt. Lieber nimmt man in Kauf, dass der Flieger länger braucht und man sich durch das Getümmel drängeln muss, als dass man sich von irgendwem sagen ließe, in welcher Reihenfolge man einzusteigen hätte.

Man muss mal nach einem Langstreckenflug (>10 Stunden) durch die Reihen gehen und schauen, wieviel Müll da herumliegt und wie es dort aussieht. Ein Notstandsgebiet nach Tsunami und Erdbeben ist nichts dagegen. Und wie in dem Artikel schon angedeutet, spielen die verschiedenen Kulturen da noch eine Rolle. Ich weiß von Fluglinien, die mit ihren Eingeborenen Probleme haben weil denen nicht klar zu machen ist, dass man in Flugzeugen kein Feuerchen auf dem Gang macht um seinen Tee zu kochen. Ein Teil der Menschheit ist nicht dazu geeignet, mehrere Stunden zusammen mit anderen Menschen in einer Blechbüchse zu verbringen. Sogar hier in Deutschland sind ja schon viele Leute damit überfordert, 3 Minuten an einer Bushaltestelle zu stehen ohne die Umgebung auf 10 Meter zu belästigen und in die Flucht zu schlagen, oder sich so in eine U- oder S-Bahn zu stellen, dass die Türen noch zugehen. Ich hab das schon erlebt, dass der Fahrer an jeder Haltestelle von neuem erklären musste, dass die Türen nicht zugehen und man nicht losfährt, solange die Leute auf dem gelben Streifen stehen.

Niemals wird man diese Spezies dazu bringen, sich freiwillig an Regeln zum Einsteigen zu halten. Wenn, dann müsste man das vorsortieren und durch Automaten erzwingen, die Beschwerde-taub sind. Verschiedene Schlangen, die eine nach der anderen freigegeben werden und bei denen die Tür nicht aufgeht, wenn man das falsche Ticket hat. Dazu aber müsste man die Flughäfen umbauen, dafür fehlt der Platz. Und wie man gerade so erlebt, haben manche Exemplare von homo sapiens ja schon überhaupt Probleme, einen Flughafen fertigzukriegen und den Eröffnungstermin um weniger als zwei Jahre zu verfehlen. Und von denen sollte man erwarten können, dass sie einen Flughafen so bauen, dass man schnell in Flugzeuge einsteigt?

Die kriegen ja nicht mal die Flughafentoiletten gebacken. Ständig sagen sie überall durch, man möge sein Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen. Aus Sicherheitsgründen. Habt Ihr schon mal versucht, einen normalen Reisekoffer mit in eine Toilettenkabine zu nehmen (wohlgemerkt, die am Flughafen, nicht im Flugzeug)? Die denken nicht soweit voraus wie die Nase lang ist.

Da nützt der schönste Einsteigealgorithmus nichts. Homo sapiens ist zu dämlich, geordnet in ein Flugzeug einzusteigen. Nur die Japaner scheinen das zu können.

Schönes Beispiel übrigens dafür, dass Individualismus auch nicht per se eine gute Eigenschaft ist.

(Danke für den Link!)

8 Kommentare (RSS-Feed)

Sven
23.11.2012 21:17
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Das mit dem Raushechten habe ich auch bei meinem letzten Flug mitbekommen. Istanbul angekommen, der Flieger rollt noch, alle sitzen wie die Formel 1 fahrer vor dem Start. Kaum gehen die Türen auf fühlt man sich, als ob ein Konzert wäre und jeder den besten Stehplatz will. Danach liefen sie eilig weg (man will ja schnell aus dem Flughafen) egal ob Touristen oder Geschäftsleute um…..dann 1 1/2 Stunden bei der Ausweiskontrolle anzustehen. Da haben sich die 5 Minuten presserei im Flieger ja gelohnt.


Klaus
23.11.2012 22:22
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An sich gehöre ich zu denen, die am liebsten möglichst spät einsteigen. Es ist ja gemütlicher, auf den Sitzen im Wartebereich zu sitzen, als sich auf die Flugzeugsitze zu zwängen, vor allem wenn die meisten schon in der Schlange stehen und die Plätze neben einem alle frei sind. Außerdem muß man nicht zweimal aufstehen, um Leute zum Fenster- und Mittelplatz durchzulassen, und auch nicht endlos zusammengekrümmt dastehen, bis die Leute vor einem ihr Bordgepäck verstaut haben.

Andererseits sehe ich auch zwei Gründe, möglichst früh einzusteigen:

1. Man findet sofort einen Platz für sein Handgepäck und muß nicht herumirren, um noch einen freien Platz zu finden. Bis zur Landung hat man dann auch noch vergessen, wo das Handgepäck ist.

2. Bei einigen Fluggesellschaften liegen vor der Flugzeugtür Zeitungen und Zeitschriften aus. Kommt man zu spät, findet man womöglich nur noch chinesische Zeitungen.


Bzzz
24.11.2012 0:46
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Amen.
Ich war heute wieder nahe dran, Mitreisende zu fragen, ob ihnen der Ausstieg aus dem Zug schonmal verwehrt wurde, weil sie erst während der Einfahrt in den Bahnhof aufgestanden sind. Der hinkende Opa mit Buckel muss schon in den Gang, wenn der Zug noch weit draußen vor der Weiche herumsteht und laut Durchsage auf den Gegenzug wartet…


Skeptiker
24.11.2012 12:19
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Hast ja nicht viel zum Kommentieren Übriggelassen, Hadmut. Steht schon praktisch alles im Text… ich selbst bemühe ich normalerweise auch, früh im Flieger zu sein, um Platz in der Gepäckablage zu haben. Bin über 190, das ist auch ohne Tasche unter dem Vordersitz immer eng genug.

Was etwas unverständlich ist, ist dass auch Flughafenneubauten oder -vollrenovierungen nicht genutzt werden, mit baulichen Maßnahmen die Einsteigezeiten zu verkürzen. Auf Möglichkeiten hast Du ja hingewiesen. Man könnte auch die Warteraumsitzpläte passend vornumerieren :-). In Frankfurt baut sich die Lufthansa ihre Terminals ja praktisch selbst und die tun das auch nicht. Fünf Minuten weniger pro Bodenzeit könnte schon ein zusätzliches Leg pro Tag bedeuten, ein womöglich zweistelliger Produktivitätsgewinn. Scheint den Kunden nicht vermittelbar zu sein, die Airlinemanager sind ja nicht dumm und denken da sicher auch drüber nach.

Und jeder, der noch nie geflogen ist, wird mit dem Gedrängel sozialisiert, weil die “erfahrenen Vielflieger” das ja auch alle so machen *grummel

Aber es wird in Tourifliegern nach der Landung nicht mehr so euphorisch applaudiert wie früher. Immerhin.

Übrigens, die Evakuierung von dem Airbus im Hudsonriver hat doch angeblich reibungslos funktioniert oder nicht?


Hadmut
24.11.2012 12:39
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Nein, hat nicht optimal geklappt. Der Flieger ist vorzeitig abgesoffen, weil eine uneinsichtige Passagierin nicht daran zu hindern war, die hinterste Tür zu öffnen, obwohl die bei Wasserungen unter Wasser liegt. Deshalb ist das Ding viel zu schnell voll Wasser gelaufen und einige Leute mussten ins eiskalte Wasser springen.


Flusskiesel
28.11.2012 13:32
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Ich dachte immer, man müsse nach der Landung so schnell wie möglich aus dem Flugzeug, damit man nicht damit wieder zurückfliegt …

Mal im Ernst:
Ich habe mal einem Interview mit dem Schreckenberger (“Stauforscher”) den Spruch gehört, dass Ameisen in einer Engstelle automatisch langsamer laufen, Menschen hingegen schneller laufen.
Wir haben halt unseren Eigennutz einprogrammiert, auch wenn er uns letztendlich schadet.


___
28.11.2012 20:42
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“Denn alles läuft darauf hinaus, dass man irgendwelche Regel akzeptieren, verstehen und befolgen müsste.”

“Schönes Beispiel übrigens dafür, dass Individualismus auch nicht per se eine gute Eigenschaft ist.”

Ich finde eher dass das ein schönes Beispiel für dein, für mich nicht nachvollziehabares, Bedürfnis ist sich an jede Regel die dir begegnet zu halten, egal wie bescheuert sie ist.

Klar kann man sagen die Menschen sind zu dumm dafür und man hätte Recht. Aber wie dumm war der, der den Gepäckraum vom Passagierraum getrennt hat? Wie viel weniger Probleme gäbe es an Flughäfen wenn jeder Sitz ein Gepäckfach für zwei große Koffer und bisserl Handgepäck hätte? Kein Koffer Check-in, kein verlorenes Gepäck, was mit Klappe zu nicht rein passt bleibt da, geht ganz schnell, viel schneller als mit Gepäckraum, Notrutschen mit Schloss gekoppelt, so dass keiner mehr das Fach öffnen kann. Menschen bekommt man schneller in Flugzeuge wenn man ihnen mehr Platz macht und das Handgepäck auf eine max. Größe begrenzt. Weil wenn einer Handgepäck verstaut und reinstopft weil es nicht passt müssen 200 im Gang warten. Problem ist nicht dass sich keiner an Regeln hält, Problem sind bescheuerte Regeln.


Hadmut
28.11.2012 20:49
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Dann könnte man gar nicht mehr fliegen, weil dann jeder soviel Platz bräuchte, dass es viel zu teuer würde. Die meisten Leute wären schlichtweg zu doof, ihre Koffer reinzubringen. Viele sind schon mit ihrem Trolley überfordert. Außerdem wäre es ein enormes Sicherheitsproblem, wenn bei Turbulenzen, Absturz usw. die Koffer da rumfliegen. Außerdem haben Flugzeuge auch Sachen dabei, die da nicht reinpassen. Davon ganz abgesehen hätte ich keine Lust in einem großen Haufen Koffer stundenlang rumzusitzen.

Du fliegst nicht oft, was? Sonst kämst Du nicht auf solche Ideen.